Alfred Heidenfeld

Verlegeort
Dortmunder Straße 13
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
20. Mai 2014
Geboren
23. Mai 1874 in Gleiwitz (Schlesien) / Gliwice
Deportation
am 23. Juli 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
11. November 1942 in Theresienstadt

Alfred Heidenfeld wurde am 23. Mai 1874 im damals oberschlesischen Gleiwitz (dem heutigen Gliwice in Polen) geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns und Fabrikbesitzers Ismar Isaac Heidenfeld (1842–1891) und dessen Frau Emilie Heidenfeld, geborene Wachsner (1846–1933). Sein Vater stammte aus der unweit von Gleitwitz liegenden Stadt Rybnik; seine Mutter aus der Ortschaft Tarnau (Tarnów Opolski). Mitte der 1860er-Jahre hatten sie geheiratet und sich in Gleiwitz niedergelassen. Alfred Heidenfeld wuchs im Kreis von fünf Geschwistern auf: Seine älteren Brüder Eugen, Hugo und Bruno waren 1868, 1870 und 1873 in Gleiwitz zur Welt gekommen; seine Schwester Else wurde 1876 geboren und sein jüngster Bruder Richard im Jahr 1882. Die Familie lebte in einer Wohnung in der Bahnhofstraße 7 (ul. Dworcowa), in einem Wohnhaus, dessen Eigentümer Alfreds Vater war. Isaac Heidenfeld betrieb in der Stadt eine Zigarrenfabrik. Die Familie zählte zur bürgerlichen Mittelschicht von Gleiwitz und Alfreds Eltern gehörten außerdem aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde, zu der zum Zeitpunkt von Alfreds Geburt etwa 2000 der rund 13.000 Einwohner zählten.

Alfred Heidenfeld und seine Geschwister besuchten vermutlich örtliche Schulen. Nach seinem Schulabschluss absolvierte Alfred, wie seine Brüder Bruno und Hugo auch, eine kaufmännische Ausbildung. Sein ältester Bruder Eugen Heidenfeld studierte Medizin, schloss sein medizinisches Staatsexamen an der Universität in Leipzig ab, promovierte und praktizierte später als Allgemeinmediziner und Sanitätsrat in Berlin, in einer Praxis in der Boxhagener Straße 61 in Friedrichshain. Richard Heidenfeld schloss eine Bankenlehre bei der Breslauer Disconto-Bank in Gleiwitz ab, wurde in den 1920er-Jahren Direktor der Filiale Leipzig der Disconto-Gesellschaft und 1929 zum Direktor der Berliner Zentrale der Deutschen Bank in der Mauerstraße ernannt. Nach dem Tod seines Vaters 1891 in Gleiwitz ging Alfred Heidenfeld um die Jahrhundertwende nach Berlin, wo er sich eine Wohnung in der Friedrichstraße 247 in Kreuzberg unweit des Belle-Alliance-Platzes (heutiger Mehringplatz) nahm. Am 23. Mai 1912 heiratete Alfred Heidenfeld die sieben Jahre jüngere Cälima Altmann, Cilly genannt. Cilly war als Tochter des Kaufmanns Rudolf Altmann (1852–1925) und dessen Ehefrau Ida Altmann, geborene Wiener (1854–1911) 1881 in Grünberg in Schlesien (dem heutigen Zielona Góra in Polen) geboren worden und vermutlich mit ihren Eltern in den 1890er-Jahren nach Berlin gekommen. Das Ehepaar nahm sich eine gemeinsame Wohnung in der Kantstraße 59 in Charlottenburg. Am 19. Februar 1913 kam hier ihre Tochter Edith Heidenfeld zur Welt. Alfred Heidenfeld war in Berlin als selbstständiger Vertreter für Friseurbedarfsartikel für verschiedene größere Unternehmen tätig – unter anderem für die chemisch-pharmazeutische Eulith GmbH in Berlin. Die Vertretungen sicherten der Familie nach Ende des Ersten Weltkriegs eine gutbürgerliche Existenz im Berlin der Weimarer Republik. Edith begann nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung und war als Buchhalterin bei der Textilfirma „Lichter & Nachtigall“ beschäftigt, die in der Mohrenstraße 54/55 in Mitte ansässig war. Leider haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Alfred Heidenfeld und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Alfred Heidenfeld arbeitete bis Ende der 1930er-Jahre als Vertreter in Berlin, aber die Verhältnisse wurden für ihn zunehmend schwieriger und das Einkommen aus seiner Kaufmannstätigkeit ging, laut späteren Einschätzungen von Bekannten der Familie, drastisch zurück. 1935/1936 zogen die Heidenfelds in eine Dreizimmerwohnung in der Dortmunder Straße 13 im Westfälischen Viertel in Moabit. Nach den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin verließ Edith Heidenfeld im März 1939 das Elternhaus. Sie besuchte das jüdische Lehrgut Ellguth bei Steinau, um sich in einer landwirtschaftlich-handwerklichen Ausbildung („Hachschara“) auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Im Oktober 1939 gelang es ihr, Deutschland zu verlassen und mit der „SS Hilda“ über Bratislava im Januar 1940 illegal in das britischen Mandatsgebiet Palästina einzureisen, wo sie im Exil die NS-Verfolgung überlebte und 1941 Abraham Levin heiratete. Ob auch Alfred und Cilly Heidenfeld Pläne verfolgten, aus Deutschland zu entkommen, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Sollten sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. Spätestens Ende der 1930er-Jahre / Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für das Ehepaar in Berlin zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, die das Leben der Familienmitglieder in Berlin zunehmend einschränkten, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Heidenfelds erhielten den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurden in einem der Berliner Sammellager interniert und am 23. Juli 1942 mit dem „28. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Der 68-jährige Alfred Heidenfeld überlebte die dortigen unmenschlichen Bedingungen nur wenige Monate, bevor er am 11. November 1942 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Cilly Heidenfeld sollte ihren Ehemann fast ein Jahr überleben, bevor auch sie am 19. September 1943 in Theresienstadt ermordet wurde.

Alfreds Tochter Edith Levin überlebte mit ihrem Ehemann die NS-Verfolgung im Exil in Palästina. Seine Brüder Hugo Heidenfeld und Bruno Heidenfeld waren 1924 und 1940 in Berlin verstorben. Sein Bruder Richard Heidenfeld war von der Deutschen Bank aus rassistischen Gründen im April 1938 beurlaubt und Anfang 1939 vorzeitig pensioniert worden. Ihm gelang im Mai 1939 mit seiner Ehefrau Adelheid, Deutschland zu verlassen. Er wollte über Kuba in die USA ausreisen, wurde aber in Kuba interniert und nach Europa zurückgeschickt, wo er im Exil in England die NS-Verfolgung überlebte. Alfreds Bruder Dr. Eugen Heidenfeld, der zeitweise ab 1932 in Schöneiche bei Berlin gelebt hatte, 1938 aber nach Berlin zurückkehrt war, wurde im Juli 1942 aus seiner letzten Wohnung in Wilmersdorf in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am 27. Dezember 1943 ermordet wurde. Alfreds Schwester Else Heidenfeld, verheiratete Dresdner, wurde mit ihrem Ehemann Max Dresdner am 5. August 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort am 26. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo beide ermordet wurden. Deren Tochter Erna Dresdner, verheiratete Bower, überlebte im Exil in England.