Käthe Schlesinger née Bauer

Location 
Bartningallee 3
District
Moabit
Stone was laid
23 May 2014
Born
25 May 1898 in Hamburg
Deportation
on 09 December 1942 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Käthe Bauer wurde am 25. Mai 1898 in Hamburg geboren. Sie war die Tochter von Martin Bauer und Minna Bauer, geborene Nathan (1865–1940). Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Käthe Bauer im Hamburg der Kaiserzeit haben sich keine weiteren Informationen erhalten. Aus späteren Berichten von Freunden und Bekannten kann aber geschlossen werden, dass Käthe Schlesinger aus einem Elternhaus stammte, das zum gehobenen Bürgertum der Hansestadt zählte und sie ihre Kindheit und Jugend in einem kulturell feinsinnigen und finanziell wohlgestellten Umfeld verbrachte. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörten ihre Eltern außerdem der jüdischen Gemeinde Hamburgs an. Über die Ausbildungszeit von Käthe Bauer, ihre schulische Laufbahn und etwaige Berufsausbildungen geben die vorliegenden Zeugnisse keine Auskunft. Erst mit ihrer Hochzeit als 26-jährige Frau ist ihr Lebensweg wieder in den Quellen greifbar. Sie heiratete im Jahr 1923 in Hamburg den fünfzehn Jahre älteren Berliner Fachlehrer Dr. Nachman Schlesinger und gründete mit ihm einen gemeinsamen Haushalt in der Hauptstadt. Dr. Schlesinger hatte, nachdem er in den 1900er-Jahren in Berlin studiert und seine Lehramtsprüfung abgelegt hatte, zwischen 1909 und 1911 die Tachkemoni-Mittelschule in Jaffa geleitet. Nachdem er den Rektorenposten aus Krankheitsgründen niederlegen musste, war er nach Europa zurückgekehrt und hatte in den Kriegsjahren als Militärangehöriger in Kaunas (Kowno) gelehrt und das dortige Gymnasium zwischen 1919 und 1921 geleitet. In den 1920er-Jahre wechselte er nach Berlin, wo er das Schulwerk für die Israelitische Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel mitaufbaute, an den dortigen Schulen als Oberlehrer Mathematik und Naturwissenschaften unterrichtete und ab 1930 zudem das Reformrealgymnasium und das Oberlyzeum als Rektor leitete.

Nachdem Käthe Schlesinger nach der Hochzeit mit Nachman Schlesinger ihr elterliches Zuhause zugunsten des gemeinsamen Berliner Hausstandes verlassen hatte, bekam das Ehepaar zwischen 1924 und 1934 neun Kinder: Im Januar und Dezember 1924 kamen David und Hanna in Berlin zur Welt, es folgten Martin (*1926), Fanny (*1927) und Rosa (*1929). In den 1930er-Jahren wurden Samuel (*1930), Rahel (*1931) und Betty (*1933) geboren sowie der jüngste Sohn Michael im September 1934. Die Familie bewohnte Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre eine Wohnung in der Levetzowstraße 16a in Moabit unweit der Synagoge der Jüdischen Gemeinde. 1933/1934 zogen die Schlesingers in eine Sechseinhalbzimmer-Wohnung in der Wullenweberstraße 4–5 und 1938 schließlich in eine Wohnung in der Lessingstraße 13 (heutige Bartningallee 3) im Hansaviertel. Spätere Erklärungen von Lehrerkollegen, die in der Entschädigungsakte enthalten sind, vermitteln einen vagen Eindruck von der Familienwohnung in der Wullenweberstraße zur Zeit der Weimarer Republik. So war die Wohnung im Berliner Westen nach übereinstimmenden Berichten gutbürgerlich eingerichtet. Zur Unterstützung bei der Kindesbetreuung halfen Kindermädchen, im Esszimmer befand sich ein Klavier, an dem musiziert wurde, ganz besonderen Eindruck machte aber die Bibliothek im Herrenzimmer mit mehr als 2000 Werken – darunter seltenen Judaica, Hebraica, eine große Sammlung deutscher Klassiker sowie französische und englische Fachliteratur. Die mit der Familie befreundete Oberschullehrerin Rahel Lehmann berichtete: „Die Bibliothek umfasste die Wände des großen Herrenzimmers bis hoch hinauf an die Decke. Dieses Zimmer war sein [Dr. Schlesingers] Heiligtum. Doch immer bewunderte ich im Hause Schlesinger die geistige Atmosphäre, die auch durch die feinsinnige Gattin des Verstorbenen geschaffen wurde.“ Dr. Schlesinger war mit Pädagogen wie Joseph Carlebach (1883–1942) und Leo Deutschländer (1889–1935) einer der wichtigsten deutsch-(neo-)orthodoxen Lehrer seiner Zeit und die Verbindung von traditionellem Judentum und moderner weltlicher Zugewandtheit („Torah im Derech Eretz“-Ideal), der Verbindung von Religiosität, akademischer Bildung und deutsch-jüdischer Identität prägte sicher das Leben jedes einzelnen Angehörigen der Familie Schlesinger im Berlin der Weimarer Republik.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Käthe Schlesinger und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Bildungs- und Berufsleben. Zwar war ihr Ehemann als Lehrer und Direktor einer privaten Bildungseinrichtung nicht unmittelbar von den Entlassungen betroffen, die das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 nach sich zog, sowohl das Realgymnasium als auch das Oberlyzeum mussten aber der rassistischen NS-Bildungspolitik und der zunehmend feindlichen Situation im Land Rechnung tragen und wurden zu sozialen Schutzräumen, in der die Schülerschaft vermehrt auf Emigration und das Leben im Ausland vorbereitet wurde. Ob auch Käthe Schlesinger und ihre Familie in den 1930er-Jahren Pläne verfolgten, aus Deutschland zu entkommen, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Sollten sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. Käthe Schlesingers Sohn Martin war in den 1930er-Jahren jugendlicher Helfer bei der Jüdischen Gemeinde. Allgemein verschlechterte sich in dieser Zeit – insbesondere ab 1935 – die Ausbildungssituation für die heranwachsenden Kinder zusehends. Eine zukünftige akademische Laufbahn war ihnen bereits 1933 mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ versperrt worden und ab Mitte der 1930er-Jahre gab es nur noch wenige Ausbildungszweige, die ihnen offenstanden. Käthes Ehemann übernahm Ende der 1930er-Jahre, nachdem der Rabbiner Dr. Michael Munk (1905–1984) sich im November 1938 aus Deutschland ins Exil retten konnte, in der Gemeinde neben seiner Lehrtätigkeit auch rabbinische Funktionen. In der Wohnung in der Lessingstraße hatten die Schlesingers in dieser Zeit Käthes verwitwete Mutter aufgenommen und kümmerten sich um die über 70-jährige Frau, bis zu ihrem Tod im März 1940. Gesetze und Sondererlasse drängten die Schlesingers zunehmend in die Position von Rechtlosen im eigenen Land. Nach der erzwungenen Schließung der Schulen von Adass Jisroel im März 1939 konnte Nachman Schlesinger noch als einfacher Lehrer an der Oberschule der jüdischen Religionsgemeinde in Berlin arbeiten. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für die Familienmitglieder in Berlin zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Dennoch halfen Käthe Schlesinger und ihre Familie noch unter widrigsten Bedingungen und unter erheblicher eigener Gefahr anderen Menschen. So versteckten sie in den 1940er-Jahren kurzerhand einen ehemaligen Schüler Dr. Schlesingers für einige Tage in ihrer Familienwohnung, als dieser bei ihnen klingelte, und schützten ihn damit vor dem Zugriff der Gestapo: Ezra Feinberg (später Ezra BenGershôm) sollte die NS-Verfolgung überleben. Nachdem auch die Oberschule der Jüdischen Gemeinde im Juli 1942 geschlossen wurde, erkrankte Käthes Ehemann schwer. Er wurde im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 behandelt.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Die Schlesingers erhielten den Deportationsbescheid Ende 1942. Der schwerkranke Nachman Schlesinger wurde am 5. Dezember 1942 auf einer Trage aus dem Jüdischen Krankenhaus in die Sammelstelle in der Großen Hamburger Straße 26 verschleppt. Käthe Schlesinger und ihre neun Kinder mussten drei Tage später, am 8. Dezember 1942, ihre Wohnung verlassen. Sie wurden ebenfalls zunächst in der Sammelstelle in der Großen Hamburger Straße interniert. Von dort aus wurden alle elf Familienmitglieder am 9. Dezember 1942 mit dem „24. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Käthe Schlesinger war zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre alt, ihr ältester Sohn David achtzehn, ihr jüngstes Kind Michael acht Jahre alt.