Hilde Julia Widmann née Kuppenheim

Location 
Binger Straße 41
District
Wilmersdorf
Stone was laid
16 June 2022
Born
21 January 1900 in Pforzheim
Escape
1938 Frankreich
Interniert
31 August 1942 to 02 September 1942 in Drancy
Deportation
on 02 September 1942 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Hilde Julia Widmann wird am 21. Januar 1900 als jüngstes Kind des Unternehmers Albert Kuppenheim und Emilie geb. Groß in Pforzheim geboren. Sie hat zwei Geschwister – den 1890 geborenen Bruder Ludwig sowie die 1897 geborene Schwester Anneliese, die bereits 1922 stirbt.

Hildes Großvater väterlicherseits, Louis Kuppenheim, ist Gründer der Firma „Louis Kuppenheim Gold- und Silberwaren“, die innerhalb kurzer Zeit Weltruf erreicht. Nach Louis Kuppenheims Tod führt Albert Kuppenheim die Firma mit zwei seiner Brüder weiter. Ein weiterer leitet die Filiale in Paris.




Die Familie Kuppenheim hat jüdische Wurzeln; alle Kinder des Firmengründers, konvertieren um 1900 zum evangelischen Glauben. Hilde wird getauft und in der Schlosskirche in Pforzheim konfirmiert. Sie wächst behütet in der Villa, die ihre Eltern haben bauen lassen, auf, und besucht die Höhere Mädchenschule Pforzheim, die Hildaschule. Wie damals für „höhere Töchter“ verbreitet, macht sie – im Unterschied zu ihrem Bruder Ludwig - keine Berufsausbildung.

Die Familie Kuppenheim ist konservativ und patriotisch – Hildes Vater Albert meldet sich – wie seine Brüder – 1914 (mit 51 Jahren) freiwillig zum Krieg und kommt hoch dekoriert zurück, ihre Mutter Emilie wird mit dem Badischen Kriegshilfekreuz ausgezeichnet. Mitglieder der Familie Kuppenheim sind in vielerlei Hinsicht aktiv in der Pforzheimer Stadtgesellschaft.

1920 heiratet Hilde den Ingenieur Bruno Widmann, der in der Firma seiner Familie, dem Karlsruher Baukonzern Dyckerhoff und Widmann, arbeitet.

1925 scheidet ihr Vater Albert aus dem Leben. 1929 zieht ihr Bruder Ludwig nach Paris; er wird sich fortan Louis nennen. 1930 folgt ihm ihre Mutter Emilie dorthin.

1933 wird die NS-Diktatur errichtet; schon bald beginnt die Entrechtung und Verfolgung Deutscher mit jüdischen Wurzeln. Hilde Widmann selber trifft es in den ersten Jahren nicht, wohl aber ihre Familie,– ihr Onkel Rudolf und zwei Cousinen werden aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen, derselbe Onkel darf nicht mehr praktizieren, ihr Onkel Hugo, der die großväterliche Firma weiterführt, wird systematisch bei der Zuteilung von Rohstoffen benachteiligt, ihr – wie sie getaufter - Cousin Hans bei seinem Arbeitgeber als Jude denunziert. Als ihr Bruder 1934 in Begleitung der Mutter geschäftlich nach Deutschland reist, werden beide von der Gestapo aufgesucht und gezwungen, das Land innerhalb einer Stunde zu verlassen.

Als die Zentrale der Firma Dyckerhoff und Widmann 1935 nach Berlin verlegt wird, ziehen die Eheleute Widmann dorthin. Zu diesem Zeitpunkt leben Hildes Cousin Hans Kuppenheim mit seiner Frau Ilse sowie ihre Cousine Lotte Brückner geb. Kuppenheim bereits in der Stadt.

Am 15. September 1935 werden die Nürnberger Gesetze verkündet – über Nacht mutiert Hilde Widmann zu einer „Volljüdin“ (alle vier Großeltern sind jüdischen Glaubens). Da ihr Gatte „Arier“ ist, die Ehe aber kinderlos ist, wird sie als „nicht-privilegierte Mischehe“ eingestuft. Im Jahr 1938 – dem Jahr, indem ihr Onkel Hugo sich während der „Arisierung“ aus Verzweiflung umbringt und in dem im November die Synagogen brennen werden, verlässt Hilde Deutschland; sie zieht zu ihrem Bruder nach Paris, ins vermeintlich sichere Frankreich. Die drei – Mutter Emilie, Ludwig/Louis und Hilde – wohnen in einer kleinen Wohnung in der Rue de Vaugirard 288. Zu dem Trio stößt 1938 kurz noch - auf ihrem Weg in die USA - Cousine Lotte Brückner geb. Kuppenheim, vorher Berlin und Hamburg. Ludwig/Louis, mittlerweile staatenlos, hatte schriftlich seine Bereitschaft erklärt, in die französische Armee einzutreten, sollte es zum Krieg gegen Deutschland kommen. Daher hat er „einen entsprechenden Paß.“ Seine Mutter Emilie gilt als „Refugiée apatride“ (staatenloser Flüchtling) und verfügt über eine Carte d’identité, Hilde jedoch hat lediglich den überaus prekären Status einer „Refugiée d’origine allemande“: sie ist also als geflüchtete Deutsche, als Ausländerin, registriert.

Bei Kriegsausbruch im September 1939 tritt Ludwig/Louis in die Fremdenlegion ein (eine andere Option gibt es für Ausländer nicht). Er bekommt eine neue Identität und wird in Nordafrika eingesetzt. Die Wohnung in Paris wird aufgegeben; seine Mutter und Hilde bringt er kurz vorher in einem gemieteten Häuschen in Antibes an der Côte d’Azur unter.

1940 kapituliert Frankreich. Ein Teil des Landes wird von deutschen Truppen besetzt; in der sog. „freien Zone“ wird der État français mit der Hauptstadt Vichy gegründet, der von einer rechtsgerichteten, antisemitischen Regierung unter Marschall Philippe Pétain diktatorisch regiert wird. Im Oktober 1940 wird das erste „Statut des juifs“ erlassen, welches jüdisch als Rasse definiert, nicht als Religion. Ab dem 10. Oktober 1940 müssen ausländische Jüdinnen und Juden in Lagern interniert werden; Hilde Widmann befindet sich also spätestens ab dann in unmittelbarer Gefahr.

So wird sie 1940 denn auch als „ausländische Staatsangehörige einer feindlichen Nation“ verhaftet und in das berüchtigte Lager in Gurs (Pyrenäenvorland) verschleppt. Ihrer Mutter gelingt es jedoch, sie mit den Militärpapieren von Ludwig/Louis herauszuholen.

Im Sommer 1942 verpflichtet sich die Vichy-Regierung, 10.000 “ausländische Juden“ an das Deutsche Reich auszuliefern. (Dies geschieht VOR der Besetzung fast ganz Frankreichs im November 1942.) Es gibt großangelegte Razzien, organisiert von der französischen Polizei; diese übernimmt die Verhaftung und Bewachung dieser Menschen und zwingt sie in Züge, welche sie in die besetzte Zone Frankreichs, in das Lager Drancy bei Paris, bringen werden. Die günstig in der Nähe des Bahnhofs Nice-St. Roch gelegene Polizeikaserne Auvare wird zum Sammellager.

Beide Frauen werden gewarnt. Emilie Kuppenheim gelingt es, sich bei Schafzüchtern in einer Hütte bei Plascassier (heute Ortsteil von Grasse) zu verstecken. Für Hilde ist es jedoch zu spät. Sie wird während der Razzien verhaftet und mit weiteren knapp 1000 Männern, Frauen und Kindern am 26. und 27. August 1942 in die o.g. Polizeikaserne, die Caserne Auvare in Nizza, verschleppt. Ein Augenzeuge schildert die dortige Situation, wie sie auch Hilde Widmann erlebt haben muss:
„[…] was würde aus ihnen werden? […] Es herrscht Resignation, vermischt mit nackter Angst. Die Menschen […] sind sich klar darüber, dass sie an die deutschen Behörden ausgeliefert werden. Sie unterliegen einer scharfen Bewachung, um jegliche Verzweiflungstat zu verhindern. […] Ein festgenommener Gefangener wurde dabei erwischt, wie er versuchte, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern zu öffnen […]“

Am 31. August 1942 werden 560 von ihnen in einem Sonderzug nach Drancy verschleppt: 274 Männer, 281 Frauen und 5 Kinder unter 10 Jahren. 153 Männer bewachen sie.

Am 2. September 1942 geht der Transport Nr. 27 von Drancy nach Auschwitz ab. Hier verliert sich die Spur von Hilde Widmann – bekannt ist jedoch, dass es keine Überlebende dieses Transportes gibt.

Auf welchem Wege die Familie von Hildes Deportation erfahren hat, ist nicht bekannt. Die Information wird jedoch – wegen der Zensur verklausuliert – innerhalb der Familie weitergegeben, so in einem Brief, den Hildes Onkel Ernst Kuppenheim am 24. Januar 1943 an seinen Sohn Erich in Buenos Aires schreibt : „ Es wird Dich sicher interessieren […] dass Hilde W. nicht mehr bei Tante Emilie ist, man hat sie wegen ihrer Erbkrankheit in ein Sanatorium geschickt.“

Am 29. Januar 1943 wird die Ehe zwischen Hilde und Bruno Widmann vom Landgericht Berlin geschieden.

1945 wird Ludwig/Louis demobilisiert und findet seine Mutter in Antibes wieder, nicht aber Hilde. „ […] Mutter glaubte, dass meine Schwester Hilde die Deportation überlebt haben würde. […] Sie hörte und las über die Greuel der Nazi-Konzentrationslager und kam nach und nach zur Überzeugung, dass auch ihr Kind Hilde nicht zurückkehren werde.“

Die Familie erfährt die Wahrheit; mit einem Acte de disparition wird Hilde Widmann für tot erklärt.

In einer Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 19. Mai 1953 wird ihr Todesdatum auf den 31. Dezember 1942 festgelegt.

Am 19. März 1955 nimmt das Landgericht Berlin (40. Zivilkammer) die Rechtskräftigkeit des Scheidungsurteils zurück, wahrscheinlich auf Antrag von Bruno Widmann.

Sehr lange erinnert nur ein Stein auf dem Familiengrab in Pforzheim an Hilde Widmann geb. Kuppenheim.

Am 30. Januar 2020 wird in Nizza der „Mur des Déportés“ enthüllt. Auf ihm stehen die Namen der 3603 von Nizza aus verschleppten Jüdinnen und Juden, darunter auch der von Hilde Widmann. Initiiert hat dieses Mahnmal Serge Klarsfeld, der 1942 in Nizza lebte und genau diesen Razzien entkam.

Im Juni 2022 wurde ein Stolperstein vor Hilde Widmanns letzter Adresse in Berlin, der Binger Straße 4, verlegt.



Weitere Stolpersteine für Angehörige von Hilde Widmann geb. Kuppenheim:

Berlin
Beantragt:
Tannenstraße 7, zwei Steine für Dr. Hans Kuppenheim und Ilse geb. Hoepfel,
Hildes Widmanns Onkel und dessen Frau Ilse.
Vorgeschlagen:
Tannenstraße 7, ein Stein für Traute Kuppenheim, Hildes Cousine wurde der wirklich
„beantragt“ ?

Offenbach: Lützowstraße 4, drei Steine – für Ernst Kuppenheim und Josefine geb. Funk sowie ihren Sohn Erich – Hilde Widmanns Onkel und Familie

Pforzheim
Fünf Steine für:
Lilly Kuppenheim geb. Ehrmann und Dr. Rudolf Kuppenheim, Hilde Widmanns Onkel und Frau, Hugo Kuppenheim, Hilde Widmanns Onkel, und seinen Sohn
Gerhard Kuppenheim/Gerald Cunningham
Greta Stengel geb. Kuppenheim, Hilde Widmanns Tante
https://stolpersteine-pforzheim.de…

Roermond/Niederlande Robert-Regoutstraat 66
Steine für Dr. Wilhelm Groß und Anna Gertrud Groß-Sachs,
Hilde Widmanns Onkel mütterlicherseits und seine Frau, in Auschwitz ermordet

Hilde Widmanns Patentante, Tana Julia Sophie Abt geb. Groß, bringt sich am 22. Februar 1942 in Kassel um, um der Festnahme durch die Gestapo zu entgehen.

Hilde Julia Widmann wurde am 21. Januar 1900 als jüngstes Kind des Unternehmers Albert Kuppenheim und Emilie (geb. Groß) in Pforzheim geboren. Sie hatte zwei Geschwister; den 1890 geborenen Bruder Ludwig sowie die 1897 geborene Schwester Anneliese, die bereits 1922 starb.

Hildes Großvater väterlicherseits, Louis Kuppenheim, war Gründer der Firma „Louis Kuppenheim Gold- und Silberwaren“, die innerhalb kurzer Zeit Weltruf erreichte. Nach Louis Kuppenheims Tod führte Albert Kuppenheim die Firma mit zwei seiner Brüder weiter. Ein weiterer leitet die Filiale in Paris.

Die Familie Kuppenheim hat jüdische Wurzeln. Alle Kinder des Firmengründers konvertierten um 1900 allerdings zum evangelischen Glauben. Hilde wurde getauft und in der Schlosskirche in Pforzheim konfirmiert. Sie wuchs behütet auf und besuchte die Hildaschule, eine Höhere Mädchenschule in Pforzheim. Wie damals für „höhere Töchter“ üblich, machte sie, im Unterschied zu ihrem Bruder Ludwig, keine Berufsausbildung.

Die Familie Kuppenheim war konservativ und patriotisch. Hildes Vater Albert meldete sich, wie seine Brüder, 1914 (mit 51 Jahren) freiwillig zum Krieg und kam hoch dekoriert zurück. Ihre Mutter Emilie wurde mit dem Badischen Kriegshilfekreuz ausgezeichnet. Mitglieder der Familie Kuppenheim waren in vielerlei Hinsicht aktiv in der Pforzheimer Stadtgesellschaft.

1920 heiratete Hilde den Ingenieur Bruno Widmann, der in der Firma seiner Familie, dem Karlsruher Baukonzern Dyckerhoff und Widmann, arbeitete.

1925 schied ihr Vater Albert aus dem Leben. 1929 zog ihr Bruder Ludwig nach Paris; er wird sich fortan Louis nennen. 1930 folgte ihm ihre Mutter Emilie dorthin.

Schon bald nach Errichtung der NS-Diktatur begann die Entrechtung und Verfolgung Deutscher mit jüdischen Wurzeln. Hilde Widmann selbst traf es in den ersten Jahren nicht, wohl aber ihre Familie. Ihr Onkel Rudolf und zwei Cousinen wurden aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen bzw. verloren ihre Berufszulassungen. Ihr Onkel Hugo, der die großväterliche Firma weiterführte, wurde systematisch bei der Zuteilung von Rohstoffen benachteiligt; der ebenfalls getaufte Cousin Hans bei seinem Arbeitgeber als "jüdisch" denunziert. Als ihr Bruder Louis 1934 in Begleitung der Mutter geschäftlich nach Deutschland reiste, wurden beide von der Gestapo aufgesucht und gezwungen, das Land innerhalb einer Stunde zu verlassen.

Als die Zentrale der Firma Dyckerhoff und Widmann 1935 nach Berlin verlegt wurde, zogen die Eheleute Widmann dorthin. Zu diesem Zeitpunkt lebten Hildes Cousin, Hans Kuppenheim mit seiner Frau Ilse sowie ihre Cousine, Lotte Brückner geb. Kuppenheim, bereits in der Stadt.

Am 15. September 1935 wurden die Nürnberger Gesetze verkündet – über Nacht mutierte Hilde Widmann zu einer „Volljüdin“ (alle vier Großeltern waren jüdischen Glaubens). Da ihr Gatte „Arier“ war, die Ehe aber kinderlos blieb, wurde sie als „nicht-privilegierte Mischehe“ eingestuft. Im Jahr 1938 – dem Jahr, in dem ihr Onkel Hugo sich aus Verzweiflung umbringen und in dem im November die Synagogen brennen werden – verließ Hilde Deutschland. Sie zog zu ihrem Bruder nach Paris, ins vermeintlich sichere Frankreich. Zu dritt wohnten sie, zusammen mit der Mutter, in einer kleinen Wohnung in der Rue de Vaugirard 288. Zu dem Trio stieß 1938 kurz Cousine Lotte Brückner (geb. Kuppenheim), die auf dem Weg in die USA war.

Louis, mittlerweile staatenlos, hatte schriftlich seine Bereitschaft erklärt, in die französische Armee einzutreten, sollte es zum Krieg gegen Deutschland kommen. Daher besaß er „einen entsprechenden Paß.“ Ihre Mutter Emilie galt als „Refugiée apatride“ (staatenloser Flüchtling) und verfügte über eine Carte d’identité, Hilde jedoch hatte lediglich den überaus prekären Status einer „Refugiée d’origine allemande“: sie war also als geflüchtete Deutsche, als Ausländerin, registriert.

Bei Kriegsausbruch im September 1939 trat Ludwig/Louis in die Fremdenlegion ein (eine andere Option gab es für Ausländer nicht). Er bekam eine neue Identität und wurde in Nordafrika eingesetzt. Die Wohnung in Paris wurde aufgegeben. Die Mutter und Hilde brachte er kurz vorher in einem gemieteten Häuschen in Antibes an der Côte d’Azur unter.

1940 kapitulierte Frankreich. Ein Teil des Landes wurde von deutschen Truppen besetzt. In der sog. „freien Zone“ wird der État français mit der Hauptstadt Vichy gegründet, der von einer rechtsgerichteten, antisemitischen Regierung unter Marschall Philippe Pétain diktatorisch regiert wurde. Im Oktober 1940 wurde das erste „Statut des juifs“ erlassen, welches „jüdisch Sein“ als Rasse definierte, nicht als Religion. Ab dem 10. Oktober 1940 sollten ausländische Jüdinnen und Juden in Lagern interniert werden. Hilde Widmann befand sich spätestens dann in unmittelbarer Gefahr.

So wurde sie 1940 denn auch als „ausländische Staatsangehörige einer feindlichen Nation“ verhaftet und in das berüchtigte Lager in Gurs (Pyrenäenvorland) verschleppt. Ihrer Mutter gelang es jedoch, sie mit den Militärpapieren von Ludwig/Louis herauszuholen.

Im Sommer 1942 verpflichtete sich die Vichy-Regierung, 10.000 “ausländische Juden“ an das Deutsche Reich auszuliefern. Es gab großangelegte Razzien, organisiert von der französischen Polizei. Diese übernahm auch die Verhaftung und Bewachung der Menschen und zwang sie in Züge, welche sie in die besetzte Zone Frankreichs zum Lager Drancy bei Paris brachten.

Beide Frauen wurden gewarnt. Emilie Kuppenheim gelang es, sich bei Schafzüchtern in einer Hütte bei Plascassier (heute Ortsteil von Grasse) zu verstecken. Für Hilde war es jedoch zu spät. Sie wurde während einer der Razzien verhaftet und mit weiteren knapp 1000 Männern, Frauen und Kindern am 26. und 27. August 1942 in die Polizeikaserne „Caserne Auvare“ von Nizza, verschleppt. Ein Augenzeuge schildert die dortige Situation, wie sie auch Hilde Widmann erlebt haben muss:
„[…] was würde aus ihnen werden? […] Es herrscht Resignation, vermischt mit nackter Angst. Die Menschen […] sind sich klar darüber, dass sie an die deutschen Behörden ausgeliefert werden. Sie unterliegen einer scharfen Bewachung, um jegliche Verzweiflungstat zu verhindern. […] Ein festgenommener Gefangener wurde dabei erwischt, wie er versuchte, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern zu öffnen […]“

Am 31. August 1942 wurden 560 von ihnen in einem Sonderzug nach Drancy verschleppt: 274 Männer, 281 Frauen und 5 Kinder unter 10 Jahren. 153 Männer bewachten sie.

Am 2. September 1942 ging der Transport Nr. 27 von Drancy nach Auschwitz ab. Hier verliert sich die Spur von Hilde Widmann – bekannt ist jedoch, dass es keine Überlebende dieses Transportes gibt.

Auf welchem Wege die Familie von Hildes Deportation erfahren hat, ist nicht bekannt. Die Information wurde jedoch – wegen der Zensur verklausuliert – innerhalb der Familie weitergegeben. So geschehen in einem Brief, den Hildes Onkel Ernst Kuppenheim am 24. Januar 1943 an seinen Sohn Erich in Buenos Aires schrieb : „ Es wird Dich sicher interessieren […] dass Hilde W. nicht mehr bei Tante Emilie ist, man hat sie wegen ihrer Erbkrankheit in ein Sanatorium geschickt.“

Am 29. Januar 1943 wird die Ehe zwischen Hilde und Bruno Widmann vom Landgericht Berlin geschieden.

1945 wurde Ludwig/Louis demobilisiert und fand seine Mutter in Antibes wieder, nicht aber Hilde. „ […] Mutter glaubte, dass meine Schwester Hilde die Deportation überlebt haben würde. […] Sie hörte und las über die Greuel der Nazi-Konzentrationslager und kam nach und nach zur Überzeugung, dass auch ihr Kind Hilde nicht zurückkehren werde.“

Die Familie erfuhr die Wahrheit. Mit einem Acte de disparition wurde Hilde Widmann für tot erklärt.

In einer Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 19. Mai 1953 wird ihr Todesdatum auf den 31. Dezember 1942 festgelegt.

Am 19. März 1955 nahm das Landgericht Berlin (40. Zivilkammer) die Rechtskräftigkeit des Scheidungsurteils zurück, wahrscheinlich auf Antrag von Bruno Widmann.

Sehr lange erinnert nur ein Stein auf dem Familiengrab in Pforzheim an Hilde Widmann geb. Kuppenheim.

Am 30. Januar 2020 wurde in Nizza der „Mur des Déportés“ enthüllt. Auf ihm stehen die Namen der 3603 von Nizza aus verschleppten Jüdinnen und Juden, darunter auch der von Hilde Widmann. Initiiert hat dieses Mahnmal Serge Klarsfeld, der 1942 in Nizza lebte und genau diesen Razzien entkam.