Berthold Krisch

Location 
Bötzowstraße 60
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
2005
Born
18 April 1915 in Berlin
Occupation
Kaufmann
Deportation
on 29 October 1941 to Łódź / Litzmannstadt
Dead
19 March 1943 im Zwangsarbeitslager Paulseck / Pawlowo

Berthold Krisch wurde am 18. April 1915 in Berlin geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Hermann Krisch und der Unternehmerin Mechlie Marie Krisch, geborene Unterberg. Seine Eltern stammten aus dem damaligen Posen und Ostgalizien, waren in den 1900er beziehungsweise 1910er-Jahren nach Berlin gekommen und hatten im Juli 1912 geheiratet. Zum Zeitpunkt der Geburt von Berthold wohnte das Ehepaar in der Bötzowstraße 16 im Prenzlauer Berg, wo Rosa einen Putzsalon betrieb. Sein Vater arbeitete als kaufmännischer Angestellter bei einer Teppich- und Möbelstofffirma in der Spandauer Straße. Nach Ende des Ersten Weltkriegs kam im Juli 1919 Bertholds jüngerer Bruder Werner Krisch zur Welt. Bertholds Vater engagierte sich nach dem Krieg politisch als Sozialdemokrat. Anfang der 1920er-Jahre gründeten Bertholds Eltern ein Textilgeschäft mit eigener Fabrikation, in dem sie beide arbeiteten und in das sie ihr Kapital investierten. Es lag zuerst in der Schivelbeiner Straße im Prenzlauer Berg, und später, ab 1934, in der Greifswalder Straße 195.<br />
<br />
Über die Kindheit und Jugend von Berthold Krisch und seinem Bruder im Berlin der Weimarer Republik haben sich nur wenige Informationen erhalten. Die Brüder besuchten die Schule, zunächst die Volksschule und dann, zumindest Werner, aber möglicherweise auch Berthold, die Königsstädtische Oberrealschule. Im Bötzowviertel hatten sie Freunde und Bekannte, besuchten Veranstaltungen und wuchsen in einem Elternhaus auf, in dem man sich bescheidenen Wohlstand erarbeitet hatte. Die Krischs zählten zum Mittelstand. Von der Familie der Mutter lebten die Großeltern Bertholds in Berlin, sowie eine Tante und zwei Onkel. 1926 verstarb Bertholds Großvater mütterlicherseits, der in Berlin ein Kaffeehaus betrieben hatte. Seine Großmutter Rosa floh Ende der 1930er-Jahre mit Bertholds Onkel Siegbert in die Niederlande, wo sie kurz vor dem Überfall auf die Niederlande starb.<br />
<br />
In Berlin erlebten die Krischs das Ende der Weimarer Republik als eine Zeit der Unruhen, zunehmend offener Gewalttätigkeit und antisemitisch motivierter Ausschreitungen. Werner Krisch berichtete später, dass seine Familie, die nicht religiös gewesen war, erst durch die Nazis mit ihren jüdischen Wurzeln konfrontiert gewesen sei. Im Bötzowviertel erlebten die Brüder die SA-Aufmärsche und Werner wurde Zeuge, wie die Schaufenster des Lebensmittelgeschäfts „Nordstern“, das von einem jüdischen Inhaber geführt wurde, von fahrenden Autos aus beschossen wurde. Als 1931 im Saalbau Friedrichshain eine Diskussion zwischen dem Kommunisten Walter Ulbricht und dem Gauleiter Joseph Goebbels stattfinden sollte, geriet Bertholds jüngerer Bruder in schwere Straßenkämpfe.<br />
<br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Krisch. Die Brüder erfuhren Rassismus und antijüdische Gesetze zunächst in der Bildungspolitik. Im April 1933 wurde Juden mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ das Recht auf höhere Schulbildung entzogen. 1935 sah ein Erlass eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ durch die „Einrichtung gesonderter jüdischer Schulen“ vor. Vorerst garantierte das Familiengeschäft der Familie das Einkommen. Berthold hatte nach der Schule eine Ausbildung im Warenhaus Israel in der Spandauer Straße begonnen und war hier als Lehrling und später als Angestellter in der Teppichfachabteilung untergekommen. 1934 bezog die Familie eine größere Wohnung in der Trakehner Straße 3 in Charlottenburg. Die Brüder erlebten hier bis 1936 eine letzte Phase relativ unbeschwerten Lebens in einem noch weitgehend intakten sozialen Umfeld. Im Jahr 1936 war Werner gezwungen, die Oberrealschule zu verlassen, nach einer Ausbildung an der Kunstschule arbeitete er als Modezeichner in einer Konfektionsfirma. Nach den November-Pogromen 1938 wurde das Geschäft von Mechlie und Hermann Krisch zwangsenteignet und Bertholds Bruder verlor seine Stellung. Bis zu ihrer Deportation wurden die Familienmitglieder zu Zwangsarbeit gezwungen, sie mussten außerdem ihre Charlottenburger Wohnung aufgeben und zogen in eine Wohnung in der Bötzowstraße 60. Zwischen 1938 und 1941 unternahmen die Söhne mehrere Versuche, Deutschland illegal zu verlassen, da eine Auswanderungsgenehmigung für die Familie nicht mehr zu erhalten war. Es war vereinbart, dass die Eltern, sollte die Flucht gelingen, nachkommen sollten. Bei dem Versuch, die belgische Grenze zu erreichen, wurden die Brüder bei einer Razzia in Köln festgenommen, ein weiterer Fluchtversuch über den Hamburger Hafen misslang ebenso wie weitere in den nächsten Monaten. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich Berthold Krisch, sein Bruder und seine Eltern nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in Berlin bewegen.<br />
<br />
Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Oktober 1941 wurden die Krischs von zwei bewaffneten Beamten und Gestapoleuten in Zivil aus ihrer Wohnung in das provisorisch umfunktionierte Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7–8 gebracht. Am 29. Oktober 1941 wurden sie gemeinsam mit dem „3. Osttransport“ über den Bahnhof Berlin-Grunewald in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. In Litzmannstadt waren die Krischs mit katastrophalen Lebensbedingungen konfrontiert: Razzien und Gewaltakte gehörten zum Alltag, Überarbeitung, Mangelversorgung und Kälte sollten, so die zynische Kalkulation, zum Tod der Ghettobewohner führen. Die Brüder Berthold und Werner sahen ihre einzige Chance zum Überleben im Einsatz in Arbeitskommandos. Im Winter 1941 wurden sie in ein Zwangsarbeitslager nach Rawitsch (Rawicz) deportiert. Werner Krisch berichtete später über die Zeit im Lager: „Unter Bewachung waren wir dort bei Dränagearbeiten eingesetzt, für die die Wasserbau-Inspektion verantwortlich war. Entlohnt wurden wir für die Arbeit nicht. Zu essen bekamen wir, damit die Arbeitskraft erhalten blieb. Gelegentlich kamen SS-Leute, um unsere Bewachung zu kontrollieren. In diesem Arbeitslager wurden manchmal Leute wegen Nichtigkeiten angezeigt. Mit der Behauptung, sie wären in einem Prozess zum Tode verurteilt worden, hängte man sie auf. Im Wald wurde eine Stange zwischen zwei Bäume gebunden, Stricke darüber geworfen, und dann hängte man gleich fünf Männer. Wir mussten zusehen. Ich erlebte so etwas zum ersten Mal 1941 vor Beginn des Winters. Ich hatte bis dahin noch keine Toten gesehen und konnte das nicht ertragen. Weil ich nicht zu den Gehenkten hinaufsah, schlug mir ein SS-Mann mit dem Gewehrkolben die Zähne ein. Und immer wieder wurde gehenkt. Mein Bruder hatte sich geweigert, Mitgefangenen den Strick um den Hals zu legen. Er wurde daraufhin von den SS-Leuten so geschlagen, dass er an den Folgen verstarb.“<br />
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Die Ermordung seines Bruders wurde Werner von Mithäftlingen berichtet. Berthold Krisch wurde im Alter von 27 Jahren im Straflager Paulseck (Pawłowo) ermordet, das etwa 25 Kilometer östlich des Lagers Rawitsch lag. Seine Eltern waren im Mai 1942 aus Litzmannstadt in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet worden. Werner Krisch überlebte die NS-Verfolgung. 1943 wurde er mit der Auflösung des Arbeitslagers Rawitsch in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort aus wurde er im Herbst 1944 ins KZ Sachsenhausen und im Februar 1945 nach Buchenwald deportiert. Im KZ Buchenwald erlebte er die Befreiung des Lagers im April 1945.

Berthold Krisch wurde am 18. April 1915 in Berlin geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Hermann Krisch und der Unternehmerin Mechlie Marie Krisch, geborene Unterberg. Seine Eltern stammten aus dem damaligen Posen und Ostgalizien, waren in den 1900er beziehungsweise 1910er-Jahren nach Berlin gekommen und hatten im Juli 1912 geheiratet. Zum Zeitpunkt der Geburt von Berthold wohnte das Ehepaar in der Bötzowstraße 16 im Prenzlauer Berg, wo Rosa einen Putzsalon betrieb. Sein Vater arbeitete als kaufmännischer Angestellter bei einer Teppich- und Möbelstofffirma in der Spandauer Straße. Nach Ende des Ersten Weltkriegs kam im Juli 1919 Bertholds jüngerer Bruder Werner Krisch zur Welt. Bertholds Vater engagierte sich nach dem Krieg politisch als Sozialdemokrat. Anfang der 1920er-Jahre gründeten Bertholds Eltern ein Textilgeschäft mit eigener Fabrikation, in dem sie beide arbeiteten und in das sie ihr Kapital investierten. Es lag zuerst in der Schivelbeiner Straße im Prenzlauer Berg, und später, ab 1934, in der Greifswalder Straße 195.

Über die Kindheit und Jugend von Berthold Krisch und seinem Bruder im Berlin der Weimarer Republik haben sich nur wenige Informationen erhalten. Die Brüder besuchten die Schule, zunächst die Volksschule und dann, zumindest Werner, aber möglicherweise auch Berthold, die Königsstädtische Oberrealschule. Im Bötzowviertel hatten sie Freunde und Bekannte, besuchten Veranstaltungen und wuchsen in einem Elternhaus auf, in dem man sich bescheidenen Wohlstand erarbeitet hatte. Die Krischs zählten zum Mittelstand. Von der Familie der Mutter lebten die Großeltern Bertholds in Berlin, sowie eine Tante und zwei Onkel. 1926 verstarb Bertholds Großvater mütterlicherseits, der in Berlin ein Kaffeehaus betrieben hatte. Seine Großmutter Rosa floh Ende der 1930er-Jahre mit Bertholds Onkel Siegbert in die Niederlande, wo sie kurz vor dem Überfall auf die Niederlande starb.

In Berlin erlebten die Krischs das Ende der Weimarer Republik als eine Zeit der Unruhen, zunehmend offener Gewalttätigkeit und antisemitisch motivierter Ausschreitungen. Werner Krisch berichtete später, dass seine Familie, die nicht religiös gewesen war, erst durch die Nazis mit ihren jüdischen Wurzeln konfrontiert gewesen sei. Im Bötzowviertel erlebten die Brüder die SA-Aufmärsche und Werner wurde Zeuge, wie die Schaufenster des Lebensmittelgeschäfts „Nordstern“, das von einem jüdischen Inhaber geführt wurde, von fahrenden Autos aus beschossen wurde. Als 1931 im Saalbau Friedrichshain eine Diskussion zwischen dem Kommunisten Walter Ulbricht und dem Gauleiter Joseph Goebbels stattfinden sollte, geriet Bertholds jüngerer Bruder in schwere Straßenkämpfe.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Krisch. Die Brüder erfuhren Rassismus und antijüdische Gesetze zunächst in der Bildungspolitik. Im April 1933 wurde Juden mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ das Recht auf höhere Schulbildung entzogen. 1935 sah ein Erlass eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ durch die „Einrichtung gesonderter jüdischer Schulen“ vor. Vorerst garantierte das Familiengeschäft der Familie das Einkommen. Berthold hatte nach der Schule eine Ausbildung im Warenhaus Israel in der Spandauer Straße begonnen und war hier als Lehrling und später als Angestellter in der Teppichfachabteilung untergekommen. 1934 bezog die Familie eine größere Wohnung in der Trakehner Straße 3 in Charlottenburg. Die Brüder erlebten hier bis 1936 eine letzte Phase relativ unbeschwerten Lebens in einem noch weitgehend intakten sozialen Umfeld. Im Jahr 1936 war Werner gezwungen, die Oberrealschule zu verlassen, nach einer Ausbildung an der Kunstschule arbeitete er als Modezeichner in einer Konfektionsfirma. Nach den November-Pogromen 1938 wurde das Geschäft von Mechlie und Hermann Krisch zwangsenteignet und Bertholds Bruder verlor seine Stellung. Bis zu ihrer Deportation wurden die Familienmitglieder zu Zwangsarbeit gezwungen, sie mussten außerdem ihre Charlottenburger Wohnung aufgeben und zogen in eine Wohnung in der Bötzowstraße 60. Zwischen 1938 und 1941 unternahmen die Söhne mehrere Versuche, Deutschland illegal zu verlassen, da eine Auswanderungsgenehmigung für die Familie nicht mehr zu erhalten war. Es war vereinbart, dass die Eltern, sollte die Flucht gelingen, nachkommen sollten. Bei dem Versuch, die belgische Grenze zu erreichen, wurden die Brüder bei einer Razzia in Köln festgenommen, ein weiterer Fluchtversuch über den Hamburger Hafen misslang ebenso wie weitere in den nächsten Monaten. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich Berthold Krisch, sein Bruder und seine Eltern nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in Berlin bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Oktober 1941 wurden die Krischs von zwei bewaffneten Beamten und Gestapoleuten in Zivil aus ihrer Wohnung in das provisorisch umfunktionierte Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7–8 gebracht. Am 29. Oktober 1941 wurden sie gemeinsam mit dem „3. Osttransport“ über den Bahnhof Berlin-Grunewald in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. In Litzmannstadt waren die Krischs mit katastrophalen Lebensbedingungen konfrontiert: Razzien und Gewaltakte gehörten zum Alltag, Überarbeitung, Mangelversorgung und Kälte sollten, so die zynische Kalkulation, zum Tod der Ghettobewohner führen. Die Brüder Berthold und Werner sahen ihre einzige Chance zum Überleben im Einsatz in Arbeitskommandos. Im Winter 1941 wurden sie in ein Zwangsarbeitslager nach Rawitsch (Rawicz) deportiert. Werner Krisch berichtete später über die Zeit im Lager: „Unter Bewachung waren wir dort bei Dränagearbeiten eingesetzt, für die die Wasserbau-Inspektion verantwortlich war. Entlohnt wurden wir für die Arbeit nicht. Zu essen bekamen wir, damit die Arbeitskraft erhalten blieb. Gelegentlich kamen SS-Leute, um unsere Bewachung zu kontrollieren. In diesem Arbeitslager wurden manchmal Leute wegen Nichtigkeiten angezeigt. Mit der Behauptung, sie wären in einem Prozess zum Tode verurteilt worden, hängte man sie auf. Im Wald wurde eine Stange zwischen zwei Bäume gebunden, Stricke darüber geworfen, und dann hängte man gleich fünf Männer. Wir mussten zusehen. Ich erlebte so etwas zum ersten Mal 1941 vor Beginn des Winters. Ich hatte bis dahin noch keine Toten gesehen und konnte das nicht ertragen. Weil ich nicht zu den Gehenkten hinaufsah, schlug mir ein SS-Mann mit dem Gewehrkolben die Zähne ein. Und immer wieder wurde gehenkt. Mein Bruder hatte sich geweigert, Mitgefangenen den Strick um den Hals zu legen. Er wurde daraufhin von den SS-Leuten so geschlagen, dass er an den Folgen verstarb.“

Die Ermordung seines Bruders wurde Werner von Mithäftlingen berichtet. Berthold Krisch wurde im Alter von 27 Jahren im Straflager Paulseck (Pawłowo) ermordet, das etwa 25 Kilometer östlich des Lagers Rawitsch lag. Seine Eltern waren im Mai 1942 aus Litzmannstadt in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet worden. Werner Krisch überlebte die NS-Verfolgung. 1943 wurde er mit der Auflösung des Arbeitslagers Rawitsch in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort aus wurde er im Herbst 1944 ins KZ Sachsenhausen und im Februar 1945 nach Buchenwald deportiert. Im KZ Buchenwald erlebte er die Befreiung des Lagers im April 1945.