Selma Jaroczynski née Berek

Location 
Lindenstr. 107
Historical name
Lindenstr. 5
District
Kreuzberg
Stone was laid
18 July 2007
Born
02 December 1870 in Strasburg (Westpreußen) / Brodnica
Deportation
on 03 October 1942 to Theresienstadt
Murdered
14 August 1944 in Theresienstadt

Selma Berek wurde am 2. Dezember 1870 in Strasburg an der Drewenz, dem heutigen Brodnica in Polen, geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Siegmund Berek und seiner Frau Lina, geborene Feibusch. Selma hatte eine jüngere Schwester namens Jenny, die 1872 in Strasburg geboren wurde. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Selma Berek und ihrer Schwester in der westpreußischen Kleinstadt haben sich keine Zeugnisse erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Selma etwa 600 der rund 5300 Einwohner Strasburgs zählten. In der Stadt existierte eine jüdische Elementarschule, die möglicherweise auch von Selma und Jenny besucht wurde. Ihre Mutter Lina verstarb in relativ jungen Jahren und ihr Vater heiratete in zweiter Ehe Tauba Feibusch. Aus dieser Ehe sind Selmas 1887 und 1888 in Strasburg geborenen Halbgeschwister Bruno und Gertrud Berek hervorgegangen.

In den 1890er-Jahren verließ die Familie Strasburg und zog nach Berlin. Selma Berek betrieb hier für kurze Zeit ein Kolonialwarengeschäft am Lausitzer Platz 11 in Kreuzberg. Ihr Vater war als Kaufmann und Handelsagent tätig. Am 21. Juli 1899 heiratete Selma den aus Pleschen (Pleszew) stammenden Schneidermeister Philipp Jarocinski. Ihr Ehemann, im März 1868 geboren, war der Sohn des verstorbenen Kaufmanns Herbert Isaak Jarocinski und der Pauline Jarocinski, geborene Schmul. Hatte Selma vor der Hochzeit in der elterlichen Wohnung in der Naunynstraße 53 in Kreuzberg gelebt, nahm sie sich danach mit ihrem Ehemann eine Wohnung in Kreuzberg, zuerst in der Dresdener Straße 30a, dann zwischen 1901 und 1905 in der Ritterstraße 2b und zwischen 1906 und 1910 in der Prinzenstraße 32. An dieser Adresse eröffnete Philipp, der zuvor als Zuschneider gearbeitet hatte, ein eigenes Atelier für Herrenmoden.

Selmas Schwester Jenny heiratete im Oktober 1907 den Kaufmann Isidor Rothschild, mit dem sie 1911 eine Tochter namens Ruth bekam und in die Wassertorstraße 1–2 zog. Selmas Ehe sollte kinderlos bleiben. 1905 war ihre Schwiegermutter Tauba im Städtischen Krankenhaus am Urban in Berlin verstorben und ihr Vater, der zuletzt als Witwer bei seiner Tochter Jenny in der Wassertorstraße gelebt hatte, verstarb im Mai 1917 im Jüdischen Hospital Oranienburger Straße 31.

Selma und Philipp Jarocinski zogen nach Ende des Ersten Weltkriegs in eine Wohnung in der Markgraf-Albrecht-Straße 4 in Halensee um. Ihr Atelier betrieben sie bis 1932 in der Lindenstraße 10 in Kreuzberg. 1931 ließ das Ehepaar seinen Familiennamen standesamtlich auf Jaroczynski ändern. Leider haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Selma Jaroczynski und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 war das Ehepaar als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Mai und November 1938 in Berlin erfuhren. Ob die Jaroczynskis in den 1930er-Jahren konkrete Schritte verfolgten, Deutschland zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten Pläne bestanden haben, so scheiterten diese. Mitte der 1930er-Jahre zog das Ehepaar in die Lindenstraße 108 und zuletzt in die Lindenstraße 5. Vermutlich nach den Pogromen im November 1938 hatten sie das Atelier aufgeben müssen. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für das Ehepaar in Berlin zum täglichen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo die Jüdischen Gemeinde Berlins mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Mit einem der ersten Transporte wurde Selmas Halbbruder Bruno am 17. November 1941 über den Bahnhof Grunewald in das Ghetto Kaunas (Kowno) im heutigen Litauen deportiert. Nach seiner Ankunft am 25. November 1941 wurde er durch das geteilte Ghetto zum Fort IX der historischen Stadtbefestigung geführt und dort erschossen. Selmas Ehemann Philipp wurde in Berlin verhaftet und mit der Häftlingsnummer „42760“ in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Dort wurde der 74-Jährige am 28. Juli 1942 ermordet. Selma lebte noch bis zum September 1942 in der 6-Zimmer-Wohnung in der Lindenstraße 5, in der sie zuletzt gezwungen war, fünf Untermietparteien aufzunehmen. Im September 1942 wurde sie in das Sammellager Artilleriestraße 31 in Mitte verschleppt und von dort aus am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto überlebte Selma fast zwei Jahre, bevor die 73-Jährige am 14. August 1944 ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.

Zusammen mit Selma war am 3. Oktober 1942 auch ihre Schwester Jenny Rothschild, nach Theresienstadt deportiert worden. Jenny wurde im Ghetto auf dem Dachboden des Gebäudes H5, der sogenannten Dresdener Kaserne, einquartiert, wo die 70-Jährige nur wenige Tage, bis zum 16. Oktober 1942, überlebte. Kaum verlässlich ist die auf ihrem Totenschein angegebene Todesursache „Darmkatarrh“, da die NS-Ärzte die tatsächlichen Todesursachen direkter und indirekter Gewalteinwirkung mit kaschierenden Sammelbegriffen verschleierten. Ihre Tochter Ruth, verheiratete Aron, wurde am 3. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Selmas Halbschwester Gertrud Jacob, geborene Berek, führte nach NS-Terminologie eine „privilegierte Mischehe“ und überlebte die NS-Verfolgung mit ihrem Ehemann Georg Friedrich Jacob in Berlin. Gertruds 1915 in Berlin geborene Tochter Käthe wurde mit ihrem Ehemann Hans Rudolf Weinberg und ihrer 1940 geborenen Tochter Reha am 28. Juni 1943 nach Auschwitz deportiert und im Vernichtungslager ermordet.

Selma Berek wurde am 2. Dezember 1870 in Strasburg an der Drewenz, dem heutigen Brodnica in Polen, geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Siegmund Berek und seiner Frau Lina, geborene Feibusch. Selma hatte eine jüngere Schwester namens Jenny, die 1872 in Strasburg geboren wurde. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Selma Berek und ihrer Schwester in der westpreußischen Kleinstadt haben sich keine Zeugnisse erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Selma etwa 600 der rund 5300 Einwohner Strasburgs zählten. In der Stadt existierte eine jüdische Elementarschule, die möglicherweise auch von Selma und Jenny besucht wurde. Ihre Mutter Lina verstarb in relativ jungen Jahren und ihr Vater heiratete in zweiter Ehe Tauba Feibusch. Aus dieser Ehe sind Selmas 1887 und 1888 in Strasburg geborenen Halbgeschwister Bruno und Gertrud Berek hervorgegangen.

In den 1890er-Jahren verließ die Familie Strasburg und zog nach Berlin. Selma Berek betrieb hier für kurze Zeit ein Kolonialwarengeschäft am Lausitzer Platz 11 in Kreuzberg. Ihr Vater war als Kaufmann und Handelsagent tätig. Am 21. Juli 1899 heiratete Selma den aus Pleschen (Pleszew) stammenden Schneidermeister Philipp Jarocinski. Ihr Ehemann, im März 1868 geboren, war der Sohn des verstorbenen Kaufmanns Herbert Isaak Jarocinski und der Pauline Jarocinski, geborene Schmul. Hatte Selma vor der Hochzeit in der elterlichen Wohnung in der Naunynstraße 53 in Kreuzberg gelebt, nahm sie sich danach mit ihrem Ehemann eine Wohnung in Kreuzberg, zuerst in der Dresdener Straße 30a, dann zwischen 1901 und 1905 in der Ritterstraße 2b und zwischen 1906 und 1910 in der Prinzenstraße 32. An dieser Adresse eröffnete Philipp, der zuvor als Zuschneider gearbeitet hatte, ein eigenes Atelier für Herrenmoden.

Selmas Schwester Jenny heiratete im Oktober 1907 den Kaufmann Isidor Rothschild, mit dem sie 1911 eine Tochter namens Ruth bekam und in die Wassertorstraße 1–2 zog. Selmas Ehe sollte kinderlos bleiben. 1905 war ihre Schwiegermutter Tauba im Städtischen Krankenhaus am Urban in Berlin verstorben und ihr Vater, der zuletzt als Witwer bei seiner Tochter Jenny in der Wassertorstraße gelebt hatte, verstarb im Mai 1917 im Jüdischen Hospital Oranienburger Straße 31.

Selma und Philipp Jarocinski zogen nach Ende des Ersten Weltkriegs in eine Wohnung in der Markgraf-Albrecht-Straße 4 in Halensee um. Ihr Atelier betrieben sie bis 1932 in der Lindenstraße 10 in Kreuzberg. 1931 ließ das Ehepaar seinen Familiennamen standesamtlich auf Jaroczynski ändern. Leider haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Selma Jaroczynski und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 war das Ehepaar als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. Ob die Jaroczynskis in den 1930er-Jahren konkrete Schritte verfolgten, Deutschland zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten Pläne bestanden haben, so scheiterten diese. Mitte der 1930er-Jahre zog das Ehepaar in die Lindenstraße 108 und zuletzt in die Lindenstraße 5. Vermutlich nach den Pogromen im November 1938 hatten sie das Atelier aufgeben müssen. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für das Ehepaar in Berlin zum täglichen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo die Jüdischen Gemeinde Berlins mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Mit einem der ersten Transporte wurde Selmas Halbbruder Bruno am 17. November 1941 über den Bahnhof Grunewald in das Ghetto Kaunas (Kowno) im heutigen Litauen deportiert. Nach seiner Ankunft am 25. November 1941 wurde er durch das geteilte Ghetto zum Fort IX der historischen Stadtbefestigung geführt und dort erschossen. Selmas Ehemann Philipp wurde in Berlin verhaftet und mit der Häftlingsnummer „42760“ in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Dort wurde der 74-Jährige am 28. Juli 1942 ermordet. Selma lebte noch bis zum September 1942 in der 6-Zimmer-Wohnung in der Lindenstraße 5, in der sie zuletzt gezwungen war, fünf Untermietparteien aufzunehmen. Im September 1942 wurde sie in das Sammellager Artilleriestraße 31 in Mitte verschleppt und von dort aus am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto überlebte Selma fast zwei Jahre, bevor die 73-Jährige am 14. August 1944 ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.

Zusammen mit Selma war am 3. Oktober 1942 auch ihre Schwester Jenny Rothschild, nach Theresienstadt deportiert worden. Jenny wurde im Ghetto auf dem Dachboden des Gebäudes H5, der sogenannten Dresdener Kaserne, einquartiert, wo die 70-Jährige nur wenige Tage, bis zum 16. Oktober 1942, überlebte. Kaum verlässlich ist die auf ihrem Totenschein angegebene Todesursache „Darmkatarrh“, da die NS-Ärzte die tatsächlichen Todesursachen direkter und indirekter Gewalteinwirkung mit kaschierenden Sammelbegriffen verschleierten. Ihre Tochter Ruth, verheiratete Aron, wurde am 3. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Selmas Halbschwester Gertrud Jacob, geborene Berek, führte nach NS-Terminologie eine „privilegierte Mischehe“ und überlebte die NS-Verfolgung mit ihrem Ehemann Georg Friedrich Jacob in Berlin. Gertruds 1915 in Berlin geborene Tochter Käthe wurde mit ihrem Ehemann Hans Rudolf Weinberg und ihrer 1940 geborenen Tochter Reha am 28. Juni 1943 nach Auschwitz deportiert und im Vernichtungslager ermordet.