Hanne Casper née Salomon

Location 
Marchlewskistr. 100
Historical name
Memeler Str. 81
District
Friedrichshain
Stone was laid
13 September 2007
Born
28 January 1871 in Pleschen (Posen) / Pleszew
Deportation
on 27 August 1942 to Theresienstadt
Dead
16 November 1942 in Theresienstadt

Johanna (auch Hanne genannt) Salomon kam am 28. Januar 1871 in Pleschen (dem heutigen Pleszew in Polen) als Tochter des Bäckermeisters David Salomon und seiner Frau Lene, geborene Ross, zur Welt. In ihrer Kindheit besuchte sie die dortige Bürgerschule. Leider haben sich keine weiteren Informationen über ihr Elternhaus und ihre Jugend erhalten. Es ist auch nicht bekannt, ob Hanne im Kreis von Geschwistern aufwuchs. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Johanna rund 1000 der etwa 6100 Einwohner Pleschens zählten.

Als 24-Jährige heiratete sie 1895 den aus Labischin (heute Łabiszyn) stammenden Glaser Louis Casper. Johanna zog nach der Hochzeit zu ihrem Ehemann in die etwa 140 Kilometer nördlich von ihrer Geburtsstadt entfernte Ortschaft. Im selben Jahr kam ihr erstes Kind, Adolf Casper, zur Welt. Er wurde am 27. November 1895 in Labischin geboren. Insgesamt sollte das Ehepaar sechs Kinder bekommen – vier Söhne und zwei Töchter: Nach Adolf folgten Rosa, Willi und Siegfried 1897, 1899 und 1904. In den Jahren 1906 und 1907 kamen Max und Frieda zur Welt. Die Kinder besuchten die örtliche Volksschule in Labischin. Johanna und Louis Casper war es wichtig, dass ihre Kinder eine gute Berufsausbildung erhielten. Nach ihrem Schulabschluss gingen Adolf, Willi und Siegfried in die kaufmännische Lehre, Max wurde zum Elektriker ausgebildet, die älteste Tochter Frieda absolvierte eine Ausbildung in einer Bank und Frieda besuchte eine Handelsschule. Nachdem Adolf Casper seine 1909 begonnene Lehre bei der Firma „Cohns & Co.“ in Argenau (heute Gniewkowo) abgeschlossen hatte, war er seit 1916 in Lauenburg (heute Lębork) als Kaufmann tätig. 1916 wurde er in die Armee eingezogen und war im Ersten Weltkrieg als Frontsoldat in Flandern und Nordfrankreich eingesetzt. Rosa Casper war nach ihrer Lehre bei verschiedenen Großbanken tätig und arbeitete von 1916 bis 1928 als Bankangestellte bei der Deutschen Bank. Sie war in der Abteilung Effektenbuchhaltung tätig, die in der Zentrale Behrenstraße in Berlin angesiedelt war. Siegfried Casper wurde von 1918 bis 1920 bei der Firma „Friedländer“ in Rogowo zum Schneider im Bereich Textilmanufaktur und Herrenkonfektion ausgebildet.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Labischin gemäß der Versailler Bestimmungen polnisch und Johanna und Louis Casper siedelten mit den noch im Haus verbliebenen Kindern nach Berlin über. Am 1. Juli 1921 zogen sie in eine Wohnung im Erdgeschoss der Memeler Straße 81 (der heutigen Marchlewskistraße 100) in Friedrichshain. Anliegend an die Wohnräume eröffneten sie ein Textilwarengeschäft, mit dem sie ihr Einkommen bestritten. Unter anderem handelten sie mit Trikotagen, Strümpfen und Stoffen. Nach dem Tod ihres Mannes am 4. Dezember 1926 führte Johanna das Textilwarengeschäft als Witwe fort. Ihre jüngste Tochter Frieda, die in Berlin die Städtische Handelsschule besucht hatte, gab ihre bisherige Stelle als Büroangestellte auf und half ihrer Mutter als Verkäuferin im Geschäft. Es war geplant, dass sie den Textilwarenladen einst übernehmen sollte.

Auch Johannas ältester Sohn, Adolf Casper, hatte sich inzwischen in der Hauptstadt niedergelassen. Nachdem er 1919 aus dem Militärdienst entlassen worden war, nahm er sich in den 1920er-Jahren eine Wohnung in der Zorndorfer Straße 8 (der heutigen Mühsamstraße) in Friedrichshain. Seit 1925 war er als Verkäufer und Lagerist bei der Firma „Julius Mannes“ angestellt, die ihren Sitz in der Andreasstraße 43 hatte. 1927 heiratete er die aus Strelno (heutiges Strzelno) stammende Martha Walter und zog zu ihr in die Prenzlauer Allee 1. In den 1930er-Jahren lebte das Paar bis zu ihrer Flucht 1938 in Wilmersdorf in der Babelsberger Straße 4–5. Siegfried Casper hatte nach seiner Lehre eine Stelle als Schneider im Textilgeschäft „Gebr. Dannenbaum“ in der Spandauer Straße 27 in Mitte angetreten, die er ausübte, bis er sich 1928 als Textilhändler selbstständig machte. Im gleichen Jahr wurde Rosa Casper im Zuge von Stellenabbau bei der Deutschen Bank gekündigt. Sie trat daraufhin eine Stelle als Buchhalterin bei dem Unternehmen „Gebr. Ehrenberg“ an, welches in der Yorkstraße als Schuhgroßhändler firmierte. Max Casper war in den 1920er-Jahren in Berlin in seinem erlernten Beruf als Elektriker tätig; sein Bruder Willi, der die gebürtige Berlinerin Leonie Katz geheiratet hatte, war als Kaufmann tätig. Leider haben sich keine Quellen erhalten, die abseits biographischer Rahmendaten einen Einblick in das Leben der Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Johanna Casper und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Erlasse und Sondergesetze drängten die Caspers zunehmend in die Position von Rechtlosen und schon 1933 war Johanna Casper als Geschäftsinhaberin von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Mai und November 1938 in Berlin erfuhren. 1936 wurde die Gewalt für die Familie unmittelbar, als SA-Männer Johannas Sohn Siegfried verfolgten, auf offener Straße angriffen und ihn bewusstlos schlugen. Siegfried wurde im Jüdischen Krankenhaus behandelt. Später erklärte er, dass die Männer ihn mit Schlägen gegen den Kopf und einer Säure attackiert hätten. Da er außerdem bemerkte, „wie 1936 aus der Nachbarschaft jüdische Männer, die sich auf dem Präsidium zu melden hatten, […] erst nach Tagen zurückkahmen, oder nicht zurückkahmen“, entschloss er sich, das Land zu verlassen: „Ich lebte in Angst und Furcht, verhaftet zu werden und flüchtete über Nacht, vorerst nach London [...].“ 1936 erhielt er in England das Visum für Argentinien, wohin er sich 1937 einschiffte. Weitere Familienmitglieder folgten seinem Beispiel: Sowohl Max Casper als auch das Ehepaar Willi und Leonie Casper flüchteten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den 1930er-Jahren nach Frankreich, wo letztere sich eine Wohnung in Paris nahmen. Adolf Casper verlor 1938 seine Anstellung in Berlin, da sein Arbeitgeber als jüdischer Inhaber seine Firma aufgeben musste. Er floh Ende 1938 in seinen Worten „überstürzt nach England“, wobei er alle Habseligkeiten zurückließ, einschließlich einer Taschenuhr, die ein Andenken an seinen verstorbenen Vater war. Er erklärte später: „Vor meiner Abreise war die Polizei wiederholt bei mir in der Wohnung, um meine Auswanderung zu beschleunigen bzw. mich zur Eile anzutreiben. Ich musste daher danach trachten, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen“. Wenige Wochen später folgte ihm seine Frau, die er zunächst nicht zur Flucht hatte bewegen können, nach England nach.

In Berlin verschärfte sich unterdessen die Situation. Über den Caspars wohnte nach Berichten von Frieda Casper ein Nationalsozialist, der sie und ihre Mutter bei jeder sich bietender Gelegenheit drangsalierte. Mehrfach wurden die beiden Frauen in den Jahren 1937/1938 von „SA Leuten aus dem Geschäft geholt, bedroht und herumgestoßen; auch [die] Kunden wurden bedroht und belästigt.“ Nachdem 1938 Teile der Verkaufsräume und des zugehörigen Lagerbestandes im Zuge der Pogrome zerstört und geplündert worden waren, sah sich Johanna Casper gezwungen, das Geschäft aufzugeben. Ihre Tochter Frieda erlebte in der Folge im Frühjahr 1939 einen psychischen Zusammenbruch und wurde für einige Wochen im Jüdischen Krankenhaus behandelt, bevor sie sich selbst entließ. Einige Monate später erhielt sie eine Einreisebewilligung für England und konnte Deutschland im Juli 1939 verlassen. Das Leben in Berlin wurde für Johanna Casper, ihre Tochter Rosa und ihren Schwiegersohn Erich Dickhoff – der 1942 Rosa heiratete und mit in die Wohnung Memeler Straße zog – Anfang der 1940er-Jahre zum reinen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen und zumindest Rosa Dickhoff musste nachweislich Zwangsarbeit leisten.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Johanna Casper erhielt den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurde Ende August 1942 aus ihrer Berliner Wohnung in das Sammellager im ehemaligen Altenheim der Jüdischen Gemeinde in der Großen Hamburger Straße 26 verschleppt und von dort aus am 27. August 1942 mit dem „51. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die 71-jährige Johanna Casper überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur wenige Wochen, bevor sie am 16. November 1942 ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Kaum verlässlich ist die auf ihrem Totenschein angegebene Todesursache „allgemeiner Kräfteverfall“, da die NS-Ärzte die tatsächlichen Todesursachen direkter und indirekter Gewalteinwirkung mit kaschierenden Sammelbegriffen verschleierten.

Von ihren Kindern überlebten im Exil Siegfried Casper in Argentinien sowie Adolf Casper und Frieda, verheiratete Simpson, in England. Willi Casper und seine Ehefrau Leonie, geborene Katz, die zuletzt in Paris gelebt hatten, wurden 1942 verhaftet. Sie wurden am 2. September 1942 aus Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Max Casper, der ebenfalls nach Frankreich geflohen war, wurde am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert. Er wurde in das Stammlager selektiert und später nach Groß-Rosen verlegt. Im Zuge der Räumung des Lagers wurde er weiter deportiert und gelangte am 11. Februar 1945 ins KZ Buchenwald, wo er wenige Wochen vor Kriegsende, am 23. Februar 1945, ermordet wurde. Erich und Rosa Dickhoff, geborene Casper, wurden Ende Februar 1943 in Berlin verhaftet, am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Johanna (auch Hanne genannt) Salomon kam am 28. Januar 1871 in Pleschen (dem heutigen Pleszew in Polen) als Tochter des Bäckermeisters David Salomon und seiner Frau Lene, geborene Ross, zur Welt. In ihrer Kindheit besuchte sie die dortige Bürgerschule. Leider haben sich keine weiteren Informationen über ihr Elternhaus und ihre Jugend erhalten. Es ist auch nicht bekannt, ob Hanne im Kreis von Geschwistern aufwuchs. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Johanna rund 1000 der etwa 6100 Einwohner Pleschens zählten.

Als 24-Jährige heiratete sie 1895 den aus Labischin (heute Łabiszyn) stammenden Glaser Louis Casper. Johanna zog nach der Hochzeit zu ihrem Ehemann in die etwa 140 Kilometer nördlich von ihrer Geburtsstadt entfernte Ortschaft. Im selben Jahr kam ihr erstes Kind, Adolf Casper, zur Welt. Er wurde am 27. November 1895 in Labischin geboren. Insgesamt sollte das Ehepaar sechs Kinder bekommen – vier Söhne und zwei Töchter: Nach Adolf folgten Rosa, Willi und Siegfried 1897, 1899 und 1904. In den Jahren 1906 und 1907 kamen Max und Frieda zur Welt. Die Kinder besuchten die örtliche Volksschule in Labischin. Johanna und Louis Casper war es wichtig, dass ihre Kinder eine gute Berufsausbildung erhielten. Nach ihrem Schulabschluss gingen Adolf, Willi und Siegfried in die kaufmännische Lehre, Max wurde zum Elektriker ausgebildet, die älteste Tochter Frieda absolvierte eine Ausbildung in einer Bank und Frieda besuchte eine Handelsschule. Nachdem Adolf Casper seine 1909 begonnene Lehre bei der Firma „Cohns & Co.“ in Argenau (heute Gniewkowo) abgeschlossen hatte, war er seit 1916 in Lauenburg (heute Lębork) als Kaufmann tätig. 1916 wurde er in die Armee eingezogen und war im Ersten Weltkrieg als Frontsoldat in Flandern und Nordfrankreich eingesetzt. Rosa Casper war nach ihrer Lehre bei verschiedenen Großbanken tätig und arbeitete von 1916 bis 1928 als Bankangestellte bei der Deutschen Bank. Sie war in der Abteilung Effektenbuchhaltung tätig, die in der Zentrale Behrenstraße in Berlin angesiedelt war. Siegfried Casper wurde von 1918 bis 1920 bei der Firma „Friedländer“ in Rogowo zum Schneider im Bereich Textilmanufaktur und Herrenkonfektion ausgebildet.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Labischin gemäß der Versailler Bestimmungen polnisch und Johanna und Louis Casper siedelten mit den noch im Haus verbliebenen Kindern nach Berlin über. Am 1. Juli 1921 zogen sie in eine Wohnung im Erdgeschoss der Memeler Straße 81 (der heutigen Marchlewskistraße 100) in Friedrichshain. Anliegend an die Wohnräume eröffneten sie ein Textilwarengeschäft, mit dem sie ihr Einkommen bestritten. Unter anderem handelten sie mit Trikotagen, Strümpfen und Stoffen. Nach dem Tod ihres Mannes am 4. Dezember 1926 führte Johanna das Textilwarengeschäft als Witwe fort. Ihre jüngste Tochter Frieda, die in Berlin die Städtische Handelsschule besucht hatte, gab ihre bisherige Stelle als Büroangestellte auf und half ihrer Mutter als Verkäuferin im Geschäft. Es war geplant, dass sie den Textilwarenladen einst übernehmen sollte.

Auch Johannas ältester Sohn, Adolf Casper, hatte sich inzwischen in der Hauptstadt niedergelassen. Nachdem er 1919 aus dem Militärdienst entlassen worden war, nahm er sich in den 1920er-Jahren eine Wohnung in der Zorndorfer Straße 8 (der heutigen Mühsamstraße) in Friedrichshain. Seit 1925 war er als Verkäufer und Lagerist bei der Firma „Julius Mannes“ angestellt, die ihren Sitz in der Andreasstraße 43 hatte. 1927 heiratete er die aus Strelno (heutiges Strzelno) stammende Martha Walter und zog zu ihr in die Prenzlauer Allee 1. In den 1930er-Jahren lebte das Paar bis zu ihrer Flucht 1938 in Wilmersdorf in der Babelsberger Straße 4–5. Siegfried Casper hatte nach seiner Lehre eine Stelle als Schneider im Textilgeschäft „Gebr. Dannenbaum“ in der Spandauer Straße 27 in Mitte angetreten, die er ausübte, bis er sich 1928 als Textilhändler selbstständig machte. Im gleichen Jahr wurde Rosa Casper im Zuge von Stellenabbau bei der Deutschen Bank gekündigt. Sie trat daraufhin eine Stelle als Buchhalterin bei dem Unternehmen „Gebr. Ehrenberg“ an, welches in der Yorkstraße als Schuhgroßhändler firmierte. Max Casper war in den 1920er-Jahren in Berlin in seinem erlernten Beruf als Elektriker tätig; sein Bruder Willi, der die gebürtige Berlinerin Leonie Katz geheiratet hatte, war als Kaufmann tätig. Leider haben sich keine Quellen erhalten, die abseits biographischer Rahmendaten einen Einblick in das Leben der Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Johanna Casper und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Erlasse und Sondergesetze drängten die Caspers zunehmend in die Position von Rechtlosen und schon 1933 war Johanna Casper als Geschäftsinhaberin von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. 1936 wurde die Gewalt für die Familie unmittelbar, als SA-Männer Johannas Sohn Siegfried verfolgten, auf offener Straße angriffen und ihn bewusstlos schlugen. Siegfried wurde im Jüdischen Krankenhaus behandelt. Später erklärte er, dass die Männer ihn mit Schlägen gegen den Kopf und einer Säure attackiert hätten. Da er außerdem bemerkte, „wie 1936 aus der Nachbarschaft jüdische Männer, die sich auf dem Präsidium zu melden hatten, […] erst nach Tagen zurückkahmen, oder nicht zurückkahmen“, entschloss er sich, das Land zu verlassen: „Ich lebte in Angst und Furcht, verhaftet zu werden und flüchtete über Nacht, vorerst nach London [...].“ 1936 erhielt er in England das Visum für Argentinien, wohin er sich 1937 einschiffte. Weitere Familienmitglieder folgten seinem Beispiel: Sowohl Max Casper als auch das Ehepaar Willi und Leonie Casper flüchteten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den 1930er-Jahren nach Frankreich, wo letztere sich eine Wohnung in Paris nahmen. Adolf Casper verlor 1938 seine Anstellung in Berlin, da sein Arbeitgeber als jüdischer Inhaber seine Firma aufgeben musste. Er floh Ende 1938 in seinen Worten „überstürzt nach England“, wobei er alle Habseligkeiten zurückließ, einschließlich einer Taschenuhr, die ein Andenken an seinen verstorbenen Vater war. Er erklärte später: „Vor meiner Abreise war die Polizei wiederholt bei mir in der Wohnung, um meine Auswanderung zu beschleunigen bzw. mich zur Eile anzutreiben. Ich musste daher danach trachten, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen“. Wenige Wochen später folgte ihm seine Frau, die er zunächst nicht zur Flucht hatte bewegen können, nach England nach.

In Berlin verschärfte sich unterdessen die Situation. Über den Caspars wohnte nach Berichten von Frieda Casper ein Nationalsozialist, der sie und ihre Mutter bei jeder sich bietender Gelegenheit drangsalierte. Mehrfach wurden die beiden Frauen in den Jahren 1937/1938 von „SA Leuten aus dem Geschäft geholt, bedroht und herumgestoßen; auch [die] Kunden wurden bedroht und belästigt.“ Nachdem 1938 Teile der Verkaufsräume und des zugehörigen Lagerbestandes im Zuge der Pogrome zerstört und geplündert worden waren, sah sich Johanna Casper gezwungen, das Geschäft aufzugeben. Ihre Tochter Frieda erlebte in der Folge im Frühjahr 1939 einen psychischen Zusammenbruch und wurde für einige Wochen im Jüdischen Krankenhaus behandelt, bevor sie sich selbst entließ. Einige Monate später erhielt sie eine Einreisebewilligung für England und konnte Deutschland im Juli 1939 verlassen. Das Leben in Berlin wurde für Johanna Casper, ihre Tochter Rosa und ihren Schwiegersohn Erich Dickhoff – der 1942 Rosa heiratete und mit in die Wohnung Memeler Straße zog – Anfang der 1940er-Jahre zum reinen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen und zumindest Rosa Dickhoff musste nachweislich Zwangsarbeit leisten.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Johanna Casper erhielt den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurde Ende August 1942 aus ihrer Berliner Wohnung in das Sammellager im ehemaligen Altenheim der Jüdischen Gemeinde in der Großen Hamburger Straße 26 verschleppt und von dort aus am 27. August 1942 mit dem „51. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die 71-jährige Johanna Casper überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur wenige Wochen, bevor sie am 16. November 1942 ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Kaum verlässlich ist die auf ihrem Totenschein angegebene Todesursache „allgemeiner Kräfteverfall“, da die NS-Ärzte die tatsächlichen Todesursachen direkter und indirekter Gewalteinwirkung mit kaschierenden Sammelbegriffen verschleierten.

Von ihren Kindern überlebten im Exil Siegfried Casper in Argentinien sowie Adolf Casper und Frieda, verheiratete Simpson, in England. Willi Casper und seine Ehefrau Leonie, geborene Katz, die zuletzt in Paris gelebt hatten, wurden 1942 verhaftet. Sie wurden am 2. September 1942 aus Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Max Casper, der ebenfalls nach Frankreich geflohen war, wurde am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert. Er wurde in das Stammlager selektiert und später nach Groß-Rosen verlegt. Im Zuge der Räumung des Lagers wurde er weiter deportiert und gelangte am 11. Februar 1945 ins KZ Buchenwald, wo er wenige Wochen vor Kriegsende, am 23. Februar 1945, ermordet wurde. Erich und Rosa Dickhoff, geborene Casper, wurden Ende Februar 1943 in Berlin verhaftet, am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.