Alfred Beer

Location 
Landhausstr. 44
District
Wilmersdorf
Stone was laid
17 July 2007
Born
11 August 1878 in Berlin
Deportation
on 19 February 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Julius Alfred Beer kam am 11. August 1878 als Sohn des Arztes Dr. Joseph Beer (*1841) und seiner fünf Jahre jüngeren Ehefrau Flora geb. Goldberg in Berlin auf die Welt. Sein Vater stammte aus Eidlitz in Böhmen (damals Teil der Habsburger Monarchie, heute Údlice in Tschechien), die Mutter war die Tochter einer Berliner Kaufmannsfamilie. Die jüdischen Eltern hatten 1875 in Berlin geheiratet und lebten anfangs in der Anklamer Straße 34 in der Rosenthaler Vorstadt. Dort hatte der Vater auch seine Praxis. 1876 war die Schwester Irma geboren geworden. 1878, zum Zeitpunkt der Geburt von Alfred Beer, wohnte die Familie in einem gerade fertig gestellten Haus in der nicht weit entfernten Fehrbelliner Straße 49. (Es existiert noch heute und steht unter Denkmalschutz.) Die Großeltern in Böhmen und der „Berliner Großvater“ Goldberg waren bereits tot. Die Großmutter Rosalie Goldberg lebte noch bis 1895 – zuletzt im Altersheim der Jüdischen Gemeinde in der Schönhauser Allee. Während Alfreds Vorschulzeit zog die Familie Beer noch zweimal um, zuerst in die Rosenthaler Straße 55 und dann in die Lothringer Straße 82A (heute Torstraße). Ob und wie das kleine Kind in dem engen Arbeiter- und Kleinbürgerviertel spielen konnte, lässt sich nur ahnen. 1884 starb die Schwester Irma.<br />
Die Ehe der Eltern sollte nicht lange halten: 1883/1884 verließ Joseph Beer seine Familie; er findet sich auch nicht mehr im Berliner Adressbuch. 1887 wurde die Ehe der Eltern aufgelöst. So wuchs Alfred Beer die längste Zeit seiner Kindheit und Jugend allein bei der Mutter auf – und er sollte auch bis zu seiner Hochzeit bei ihr bleiben.<br />
Mutter und Sohn wechselten in den folgenden Jahren öfter die Wohnung: Von der Königstraße 57a in der Nähe des Roten Rathauses (d.h. nicht weit vom Alexanderplatz) zogen sie in die Grenadierstraße (heute Almstadtstraße) in der Spandauer Vorstadt, die auch „Scheunenviertel“ genannt wird, und von dort an die Stadtbahn und in die Dircksenstraße: Sie blieben also immer im Zentrum der Stadt Berlin. Das änderte sich erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als die beiden in die Heilbronner Straße 27 in Schöneberg (damals noch bei Berlin) zogen. Flora Beer arbeitete laut Adressbuch zuerst als „geprüfte Masseurin“. (In den 1880er Jahren gab es in Berlin bereits Ärzte, wie zum Beispiel den jüdischen Arzt Dr. Leopold Ewer, die Masseurinnen ausbildeten.) – Später wird sie im Berliner Adressbuch als „verw. Dr.“ notiert. <br />
Alfred Beer wurde Kaufmann und war während seines Berufslebens Prokurist in einer Firma (wohl der Schwiegereltern) und später Vertreter für Stoffe. Details seiner langjährigen Berufstätigkeit bleiben ungenannt. <br />
Am 4. August 1914 heiratete er die 1885 geborene Julia Böhm, die ohne Beruf mit ihrer seit 1909 verwitweten Mutter Rosa Böhm und ihrem Bruder Ernst in der Kaiserallee 20 (seit 1950 Bundesallee) in Wilmersdorf lebte. Das Ehepaar zog im Oktober 1914 in eine 4-Zimmer-Wohnung im Parterre des Hauses Landhausstraße 44. Am 7. Dezember 1922 wurde die Tochter Ursula Margot geboren, sie blieb das einzige Kind. Alfred Beer arbeitete bis in die NS-Diktatur hinein als Kaufmann. Noch 1936 findet er sich als Vertreter für Damenstoffe im Berliner Adressbuch. <br />
In den folgenden Jahren wurde die Familie wie alle anderen jüdischen Berliner von den vielen Maßnahmen der Behörden zur Unterdrückung und Ausgrenzung der Juden getroffen. So durften und konnten sie ihre großzügige Wohnung nicht weiter allein bewohnen und mussten Untermieterinnen aufnehmen: 1939 wohnte die Jüdin Johanna Hirschberg bei ihnen, die 1941 nach Minsk deportiert und ermordet wurde. Als „flüchtig“ wird 1943 in der OFP-Akte die Untermieterin Aniela Hammerschmidt erwähnt: Sie hatte eigentlich In Cottbus gelebt. Wie ihr Ehemann, der Rechtsanwalt Hans Hammerschmidt, und ihre zwei Kinder konnte sie entkommen – aber das ist eine andere Geschichte. <br />
Alfred Beer musste als Zwangsarbeiter für einen Wochenlohn von ca. 25 RM bei der Firma Feinmechanik Weinreich in der Mathieustraße 2 in Berlin-Kreuzberg arbeiten. Die Tochter Ursula Beer wurde zur Arbeit bei Siemens & Halske gezwungen. <br />
Alfred und Julia Beer wurden am 19. Februar 1943 mit dem „29. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert. Eine Woche später traf die Tochter dasselbe Schicksal: Ursula Beer wurde am 26. Februar 1943, einen Tag vor Beginn der „Fabrikaktion“, ebenfalls nach Auschwitz verschleppt. Die ganze Familie Beer wurde dort ermordet. – In die Wohnung in der Landshuter Straße wurde eine ausgebombte Familie mit drei Kindern eingewiesen. <br />
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Julius Alfred Beer kam am 11. August 1878 als Sohn des Arztes Dr. Joseph Beer (*1841) und seiner fünf Jahre jüngeren Ehefrau Flora geb. Goldberg in Berlin auf die Welt. Sein Vater stammte aus Eidlitz in Böhmen (damals Teil der Habsburger Monarchie, heute Údlice in Tschechien), die Mutter war die Tochter einer Berliner Kaufmannsfamilie. Die jüdischen Eltern hatten 1875 in Berlin geheiratet und lebten anfangs in der Anklamer Straße 34 in der Rosenthaler Vorstadt. Dort hatte der Vater auch seine Praxis. 1876 war die Schwester Irma geboren geworden. 1878, zum Zeitpunkt der Geburt von Alfred Beer, wohnte die Familie in einem gerade fertig gestellten Haus in der nicht weit entfernten Fehrbelliner Straße 49. (Es existiert noch heute und steht unter Denkmalschutz.) Die Großeltern in Böhmen und der „Berliner Großvater“ Goldberg waren bereits tot. Die Großmutter Rosalie Goldberg lebte noch bis 1895 – zuletzt im Altersheim der Jüdischen Gemeinde in der Schönhauser Allee. Während Alfreds Vorschulzeit zog die Familie Beer noch zweimal um, zuerst in die Rosenthaler Straße 55 und dann in die Lothringer Straße 82A (heute Torstraße). Ob und wie das kleine Kind in dem engen Arbeiter- und Kleinbürgerviertel spielen konnte, lässt sich nur ahnen. 1884 starb die Schwester Irma.
Die Ehe der Eltern sollte nicht lange halten: 1883/1884 verließ Joseph Beer seine Familie; er findet sich auch nicht mehr im Berliner Adressbuch. 1887 wurde die Ehe der Eltern aufgelöst. So wuchs Alfred Beer die längste Zeit seiner Kindheit und Jugend allein bei der Mutter auf – und er sollte auch bis zu seiner Hochzeit bei ihr bleiben.
Mutter und Sohn wechselten in den folgenden Jahren öfter die Wohnung: Von der Königstraße 57a in der Nähe des Roten Rathauses (d.h. nicht weit vom Alexanderplatz) zogen sie in die Grenadierstraße (heute Almstadtstraße) in der Spandauer Vorstadt, die auch „Scheunenviertel“ genannt wird, und von dort an die Stadtbahn und in die Dircksenstraße: Sie blieben also immer im Zentrum der Stadt Berlin. Das änderte sich erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als die beiden in die Heilbronner Straße 27 in Schöneberg (damals noch bei Berlin) zogen. Flora Beer arbeitete laut Adressbuch zuerst als „geprüfte Masseurin“. (In den 1880er Jahren gab es in Berlin bereits Ärzte, wie zum Beispiel den jüdischen Arzt Dr. Leopold Ewer, die Masseurinnen ausbildeten.) – Später wird sie im Berliner Adressbuch als „verw. Dr.“ notiert.
Alfred Beer wurde Kaufmann und war während seines Berufslebens Prokurist in einer Firma (wohl der Schwiegereltern) und später Vertreter für Stoffe. Details seiner langjährigen Berufstätigkeit bleiben ungenannt.
Am 4. August 1914 heiratete er die 1885 geborene Julia Böhm, die ohne Beruf mit ihrer seit 1909 verwitweten Mutter Rosa Böhm und ihrem Bruder Ernst in der Kaiserallee 20 (seit 1950 Bundesallee) in Wilmersdorf lebte. Das Ehepaar zog im Oktober 1914 in eine 4-Zimmer-Wohnung im Parterre des Hauses Landhausstraße 44. Am 7. Dezember 1922 wurde die Tochter Ursula Margot geboren, sie blieb das einzige Kind. Alfred Beer arbeitete bis in die NS-Diktatur hinein als Kaufmann. Noch 1936 findet er sich als Vertreter für Damenstoffe im Berliner Adressbuch.
In den folgenden Jahren wurde die Familie wie alle anderen jüdischen Berliner von den vielen Maßnahmen der Behörden zur Unterdrückung und Ausgrenzung der Juden getroffen. So durften und konnten sie ihre großzügige Wohnung nicht weiter allein bewohnen und mussten Untermieterinnen aufnehmen: 1939 wohnte die Jüdin Johanna Hirschberg bei ihnen, die 1941 nach Minsk deportiert und ermordet wurde. Als „flüchtig“ wird 1943 in der OFP-Akte die Untermieterin Aniela Hammerschmidt erwähnt: Sie hatte eigentlich In Cottbus gelebt. Wie ihr Ehemann, der Rechtsanwalt Hans Hammerschmidt, und ihre zwei Kinder konnte sie entkommen – aber das ist eine andere Geschichte.
Alfred Beer musste als Zwangsarbeiter für einen Wochenlohn von ca. 25 RM bei der Firma Feinmechanik Weinreich in der Mathieustraße 2 in Berlin-Kreuzberg arbeiten. Die Tochter Ursula Beer wurde zur Arbeit bei Siemens & Halske gezwungen.
Alfred und Julia Beer wurden am 19. Februar 1943 mit dem „29. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert. Eine Woche später traf die Tochter dasselbe Schicksal: Ursula Beer wurde am 26. Februar 1943, einen Tag vor Beginn der „Fabrikaktion“, ebenfalls nach Auschwitz verschleppt. Die ganze Familie Beer wurde dort ermordet. – In die Wohnung in der Landshuter Straße wurde eine ausgebombte Familie mit drei Kindern eingewiesen.