Julia Beer née Böhm

Location 
Landhausstr. 44
District
Wilmersdorf
Stone was laid
17 July 2007
Born
09 August 1885 in Berlin
Deportation
on 19 February 1943 to Auschwitz
Murdered

Julia Beer kam am 9. August 1885 in Berlin als Tochter des jüdischen Kaufmanns Salo Boehm (Böhm) und seiner Ehefrau Rosa geb. Friedländer auf die Welt. Die Mitte des 19. Jahrhunderts geborenen Eltern stammten aus Beuthen O.S., dem Zentrum des oberschlesischen Steinkohlebergbaus (damals im Königreich Preußen, heute Bytom in Polen). Die Mehrzahl der Bewohner war damals katholisch, es gab mehr Juden als Protestanten. Die Familien Böhm und Friedländer gehörten zu den Kaufleuten der Stadt. <br />
1871 taucht der Vater von Julia Böhm das erste Mal Im Berliner Adressbuch auf: Er (oder die ganze Familie) wohnte in der Königstraße 22 in Berlin-Mitte. Gemeinsam mit Isidor Wolfsohn besaß er einen Großhandel für Weißwaren in derselben Straße. 1874 wurde seine Firma im Handelsregister von Beuthen gelöscht. Aus der Berliner Firma wurde eine Wäsche- und Krawattenfabrik. Salo Böhm führte die Firma nach Isidor Wolfsohns Tod im Jahr 1880 zuerst mit einem anderen Teilhaber, 1889 wurde er Alleininhaber. Die Firma zog von der Weinmeisterstraße 14 zur Straßburgerstraße 53. <br />
Auch die Familie zog des Öfteren um, blieb aber über lange Jahre im „alten“ Berlin, vor allem in der historischen Spandauer Vorstadt, in der viele aus dem „Osten“ stammende Juden wohnten. Wie viele Geschwister Julia hatte, bleibt unklar, es gab einen 1882 geborenen Bruder Georg und einen Bruder Ernst. Als Julia auf die Welt kam, lebte die Familie in der Oranienburger Straße 54, schon damals eine lebendige Straße, in der seit 1875 die „Straßenbahn“ fuhr. Noch während Julias Kindheit zogen die Eltern weiter in die Auguststraße 93 und dann in die Hannoversche Straße 2 am Oranienburger Tor – alle Wohnungen lagen nicht weit voneinander entfernt.<br />
Der Vater scheint gut verdient zu haben, denn dann ging es nach „Westen“, zuerst in die Kurfürstenstraße149. Julia Böhm erlernte keinen Beruf. Sie und ihr Bruder Ernst lebten bei den Eltern. 1909 starb der Vater, und der Bruder scheint die Firma übernommen zu haben. Die erwachsenen Kinder blieben weiter bei der verwitweten Mutter, nun in der Kaiserallee 20 in Wilmersdorf (heute Bundesallee). <br />
Am 4. August 1914 heiratete Julia Böhm den 1878 in Berlin geborenen Kaufmann Alfred Beer. Dessen Vater, der Arzt Dr. Joseph Beer, stammte aus Eidlitz in Böhmen (damals Teil der Habsburger Monarchie, heute Údlice in Tschechien). Die Mutter Flora Beer geb. Goldberg war die Tochter einer Berliner Kaufmannsfamilie. Der Vater hatte die Familie früh verlassen, und ihr Ehemann war mit seiner alleinerziehenden Mutter ebenfalls im „alten“ Berlin aufgewachsen. Auch er lebte noch bei der Mutter, auch er war weiter nach „Westen“ gezogen: nach Schöneberg (damals noch bei Berlin) in die Heilbronner Straße 27.<br />
Das Ehepaar zog gleich nach der Hochzeit in eine 4-Zimmer-Wohnung im Parterre des Hauses Landhausstraße 44. Am 7. Dezember 1922 wurde die Tochter Margot Ursula geboren. Sie blieb das einzige Kind. Alfred Beer arbeitete bis in die NS-Diktatur hinein als Kaufmann. <br />
In den folgenden Jahren wurde die Familie Beer wie alle anderen jüdischen Berliner von den vielen Maßnahmen der Behörden zur Unterdrückung und Ausgrenzung der Juden getroffen. So durfte und konnte sie ihre großzügige Wohnung nicht weiter allein bewohnen und musste Untermieterinnen aufnehmen: 1939 wohnte die Jüdin Johanna Hirschberg bei ihnen, die später nach Minsk deportiert und ermordet wurde. Als „flüchtig“ wird 1943 in der OFP-Akte die Untermieterin Aniela Hammerschmidt erwähnt: Sie hatte eigentlich In Cottbus gelebt. Wie ihr Ehemann, der Rechtsanwalt Hans Hammerschmidt, und die zwei Kinder konnte sie entkommen – aber das ist eine Geschichte, über die in Cottbus berichtet wird. <br />
Julia Beer scheint nicht zur Zwangsarbeit eingesetzt worden zu sein. Ihr Ehemann Alfred Beer musste bei der Firma Feinmechanik Weinreich in der Mathieustraße 2 in Berlin-Kreuzberg Zwangsarbeit leisten, die Tochter Ursula bei Siemens & Halske. <br />
Nachdem sie in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße geschafft worden waren, wurden Julia Beer und ihr Ehemann Alfred am 19. Februar 1943 mit fast 1000 anderen Menschen nach Auschwitz deportiert. <br />
Eine Woche später traf die Tochter dasselbe Schicksal: Ursula Beer wurde am 26. Februar 1943, einen Tag vor Beginn der „Fabrikaktion“, ebenfalls nach Auschwitz verschleppt. Die ganze Familie Beer wurde dort ermordet. – In die Wohnung in der Landshuter Straße wurde eine ausgebombte Familie mit drei Kindern eingewiesen. <br />
<br />
<br />

Julia Beer kam am 9. August 1885 in Berlin als Tochter des jüdischen Kaufmanns Salo Boehm (Böhm) und seiner Ehefrau Rosa geb. Friedländer auf die Welt. Die Mitte des 19. Jahrhunderts geborenen Eltern stammten aus Beuthen O.S., dem Zentrum des oberschlesischen Steinkohlebergbaus (damals im Königreich Preußen, heute Bytom in Polen). Die Mehrzahl der Bewohner war damals katholisch, es gab mehr Juden als Protestanten. Die Familien Böhm und Friedländer gehörten zu den Kaufleuten der Stadt.
1871 taucht der Vater von Julia Böhm das erste Mal Im Berliner Adressbuch auf: Er (oder die ganze Familie) wohnte in der Königstraße 22 in Berlin-Mitte. Gemeinsam mit Isidor Wolfsohn besaß er einen Großhandel für Weißwaren in derselben Straße. 1874 wurde seine Firma im Handelsregister von Beuthen gelöscht. Aus der Berliner Firma wurde eine Wäsche- und Krawattenfabrik. Salo Böhm führte die Firma nach Isidor Wolfsohns Tod im Jahr 1880 zuerst mit einem anderen Teilhaber, 1889 wurde er Alleininhaber. Die Firma zog von der Weinmeisterstraße 14 zur Straßburgerstraße 53.
Auch die Familie zog des Öfteren um, blieb aber über lange Jahre im „alten“ Berlin, vor allem in der historischen Spandauer Vorstadt, in der viele aus dem „Osten“ stammende Juden wohnten. Wie viele Geschwister Julia hatte, bleibt unklar, es gab einen 1882 geborenen Bruder Georg und einen Bruder Ernst. Als Julia auf die Welt kam, lebte die Familie in der Oranienburger Straße 54, schon damals eine lebendige Straße, in der seit 1875 die „Straßenbahn“ fuhr. Noch während Julias Kindheit zogen die Eltern weiter in die Auguststraße 93 und dann in die Hannoversche Straße 2 am Oranienburger Tor – alle Wohnungen lagen nicht weit voneinander entfernt.
Der Vater scheint gut verdient zu haben, denn dann ging es nach „Westen“, zuerst in die Kurfürstenstraße149. Julia Böhm erlernte keinen Beruf. Sie und ihr Bruder Ernst lebten bei den Eltern. 1909 starb der Vater, und der Bruder scheint die Firma übernommen zu haben. Die erwachsenen Kinder blieben weiter bei der verwitweten Mutter, nun in der Kaiserallee 20 in Wilmersdorf (heute Bundesallee).
Am 4. August 1914 heiratete Julia Böhm den 1878 in Berlin geborenen Kaufmann Alfred Beer. Dessen Vater, der Arzt Dr. Joseph Beer, stammte aus Eidlitz in Böhmen (damals Teil der Habsburger Monarchie, heute Údlice in Tschechien). Die Mutter Flora Beer geb. Goldberg war die Tochter einer Berliner Kaufmannsfamilie. Der Vater hatte die Familie früh verlassen, und ihr Ehemann war mit seiner alleinerziehenden Mutter ebenfalls im „alten“ Berlin aufgewachsen. Auch er lebte noch bei der Mutter, auch er war weiter nach „Westen“ gezogen: nach Schöneberg (damals noch bei Berlin) in die Heilbronner Straße 27.
Das Ehepaar zog gleich nach der Hochzeit in eine 4-Zimmer-Wohnung im Parterre des Hauses Landhausstraße 44. Am 7. Dezember 1922 wurde die Tochter Margot Ursula geboren. Sie blieb das einzige Kind. Alfred Beer arbeitete bis in die NS-Diktatur hinein als Kaufmann.
In den folgenden Jahren wurde die Familie Beer wie alle anderen jüdischen Berliner von den vielen Maßnahmen der Behörden zur Unterdrückung und Ausgrenzung der Juden getroffen. So durfte und konnte sie ihre großzügige Wohnung nicht weiter allein bewohnen und musste Untermieterinnen aufnehmen: 1939 wohnte die Jüdin Johanna Hirschberg bei ihnen, die später nach Minsk deportiert und ermordet wurde. Als „flüchtig“ wird 1943 in der OFP-Akte die Untermieterin Aniela Hammerschmidt erwähnt: Sie hatte eigentlich In Cottbus gelebt. Wie ihr Ehemann, der Rechtsanwalt Hans Hammerschmidt, und die zwei Kinder konnte sie entkommen – aber das ist eine Geschichte, über die in Cottbus berichtet wird.
Julia Beer scheint nicht zur Zwangsarbeit eingesetzt worden zu sein. Ihr Ehemann Alfred Beer musste bei der Firma Feinmechanik Weinreich in der Mathieustraße 2 in Berlin-Kreuzberg Zwangsarbeit leisten, die Tochter Ursula bei Siemens & Halske.
Nachdem sie in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße geschafft worden waren, wurden Julia Beer und ihr Ehemann Alfred am 19. Februar 1943 mit fast 1000 anderen Menschen nach Auschwitz deportiert.
Eine Woche später traf die Tochter dasselbe Schicksal: Ursula Beer wurde am 26. Februar 1943, einen Tag vor Beginn der „Fabrikaktion“, ebenfalls nach Auschwitz verschleppt. Die ganze Familie Beer wurde dort ermordet. – In die Wohnung in der Landshuter Straße wurde eine ausgebombte Familie mit drei Kindern eingewiesen.