Marie Berkelmann née Simon

Location 
Giesebrechtstr. 21
District
Charlottenburg
Stone was laid
08 May 2011
Born
18 May 1888 in Berlin
Deportation
on 14 April 1942 to Warschau
Murdered
im Ghetto Warschau

Marie Olga Simon kam am 18. Mai 1888 in Berlin als Tochter des 1844 geborenen jüdischen Kaufmanns Max Hugo Simon und seiner zwei Jahre jüngeren Ehefrau Olga geb. Rosenstiel auf die Welt. Ihre Eltern stammten aus (Nieder-)Schlesien, der Vater aus Klein Eulau (heute Iława/Polen), einer Landgemeinde im Kreis Sprottau (heute Szprotawa/Polen), die Mutter aus dem nahen Glogau (heute Głogów/Polen). Die Großeltern Rosenstiel waren um 1860 mit ihren Kindern nach Berlin gezogen, und die Eltern von Marie Simon hatten dort 1869 geheiratet. Nach zehn Jahren in der Heimat des Vaters zogen sie 1879 nach Berlin. <br />
Marie Simon war das jüngste von (nach dem Stand der Recherche) neun Kindern: Noch im Kreis Sprottau auf die Welt gekommen waren die Schwestern Franziska (1874–1939), Gertrud (1875–1943), Katharina Martha (*1876) und Marianne Elsbeth (1878–1881). In Berlin geboren wurden die Schwestern Luise Alice (*1879), Margarethe (1880–1942), Charlotte Rosina (*1882) und schließlich der Bruder Max Julius (*1884).<br />
Vater Max Simon arbeitete in Berlin als angestellter Kaufmann, war Buchhalter und zuletzt laut Berliner Adressbuch „Bürochef“. Die Eltern wechselten oft die Wohnung: In den ersten Jahren lebte die Familie im Zentrum der Stadt, in der Schönhauser Allee und der Invalidenstraße. Zum Zeitpunkt der Geburt von Marie Simon wohnte die Familie Simon bereits einige Jahre in der Lichterfelder Straße 11, der heutigen Methfesselstraße, am „grünen“ Kreuzberg. Hinter dieser Hausnummer verbarg sich das „Tivoli“, in Berlin eine bekannte Brauerei mit Gartenlokal und (politischem) Versammlungssaal. Hier gab es auch Wohnungen für „Betriebsbeamte“, zu denen Max Simon wohl gehört hat. Danach ging es zurück in das Zentrum von Berlin, in die Burgstraße nahe der Berliner Börse. Hier wuchs Marie Simon auf. Als 1906 ihre Mutter starb, war sie fast erwachsen. <br />
Die Familie war kleiner geworden, die Schwestern Franziska, Luise Alice und Margarethe hatten geheiratet. Die unverheiratet gebliebene Schwester Gertrud war Inhaberin einer Pension in Berlin-Schöneberg. Und auch Marie Simon war berufstätig: Als die 1913 den Drogisten Johannes Ernst (genannt Hans) Berkelmann heiratete, wohnte sie zwar noch bei ihrem Vater in der Landshuter Straße in Schöneberg, war aber laut Heiratsurkunde „Erzieherin“ von Beruf. (Das heißt, dass sie Hauslehrerin oder Gouvernante war, keine „Kindergärtnerin“.) Ihr 1884 geborener Ehemann stammte aus Lehe, heute zu Bremerhaven gehörend, und war (auch nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten) kein Jude. Johannes Berkelmann gab zum Zeitpunkt der Hochzeit als Anschrift die Ansbacher Straße 38 an – dies war die Anschrift der Pension seiner Schwägerin Gertrud Simon. <br />
Am 20. Oktober 1914, wenige Monate nach Beginn des Ersten Weltkrieges, wurde der Sohn Adolf geboren – da war der Ehemann und Vater Hans Berkelmann schon „im Felde“, wie es in der Geburtsanzeige im Berliner Tageblatt hieß. Die Eltern wohnten für kurze Zeit in Teltow am südwestlichen Stadtrand von Berlin. Hans Berkelmann fiel im Krieg. In Teltow findet sich auf einer Gedenktafel für die Toten des Ersten Weltkriegs in der Kirche St. Andreas sein Name. <br />
Als Kriegerwitwe zog Marie Berkelmann in das Erdgeschoss des Gartenhauses der Ansbacher Straße 38. Sie eröffnete ein „Schreibmaschinenbüro“: Die Schreibmaschine, ein relativ neues Arbeitsmittel, war eine „weibliche Maschine“ geworden, die nach einer kurzen Ausbildung auch einer alleinstehenden Frau die Berufstätigkeit möglich machte. <br />
Marie Berkelmann heiratete nicht wieder. Bis zum Ende der Weimarer Republik lebten und arbeiteten sie und ihre Schwester Gertrud Simon in der Ansbacher Straße. Marie Berkelmann zog als berufstätige Frau ihr Kind groß. Ihr Sohn Adolf wurde Drogist wie sein Vater. Er blieb ledig und scheint in Berlin bei seiner Mutter gelebt zu haben. Im Mai 1939 wohnte Marie Berkelmann mit ihrem Sohn in einer Erdgeschosswohnung im Hinterhaus der Giesebrechtstraße 21. Dies war auch ihre letzte Anschrift vor der Deportation. <br />
Am 14. April 1942 wurde Marie Berkelmann in das Ghetto von Warschau verschleppt. In dem Transport mit über 900 Menschen befanden sich neben Juden aus den Regierungsbezirken Potsdam und Magdeburg auch 65 Berliner Jüdinnen und Juden – zu ihnen gehörte Marie Berkelmann. Sie kehrte nicht zurück.<br />
Ihr Sohn Adolf lebte zuletzt in Rostock. Im Sommer 1942 wurde er in das KZ Sachsenhausen eingeliefert, am 5. Oktober 1942 kam er dort um. Ihre Schwester Margarete (verh. Feuchtwanger) wurde Ende September 1942 in Raasiku bei Reval erschossen, ihre Schwester Gertrud am 3. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ihre Schwester Luise Alice (verh. Recanati) überlebte: Sie stellte 1959 in Berlin den Wiedergutmachungsantrag für Marie Berkelmann, ihr Wohnort war der von Überlebenden des Holocaust gegründete Kibbuz Netzer Sereni.<br />

Marie Olga Simon kam am 18. Mai 1888 in Berlin als Tochter des 1844 geborenen jüdischen Kaufmanns Max Hugo Simon und seiner zwei Jahre jüngeren Ehefrau Olga geb. Rosenstiel auf die Welt. Ihre Eltern stammten aus (Nieder-)Schlesien, der Vater aus Klein Eulau (heute Iława/Polen), einer Landgemeinde im Kreis Sprottau (heute Szprotawa/Polen), die Mutter aus dem nahen Glogau (heute Głogów/Polen). Die Großeltern Rosenstiel waren um 1860 mit ihren Kindern nach Berlin gezogen, und die Eltern von Marie Simon hatten dort 1869 geheiratet. Nach zehn Jahren in der Heimat des Vaters zogen sie 1879 nach Berlin.
Marie Simon war das jüngste von (nach dem Stand der Recherche) neun Kindern: Noch im Kreis Sprottau auf die Welt gekommen waren die Schwestern Franziska (1874–1939), Gertrud (1875–1943), Katharina Martha (*1876) und Marianne Elsbeth (1878–1881). In Berlin geboren wurden die Schwestern Luise Alice (*1879), Margarethe (1880–1942), Charlotte Rosina (*1882) und schließlich der Bruder Max Julius (*1884).
Vater Max Simon arbeitete in Berlin als angestellter Kaufmann, war Buchhalter und zuletzt laut Berliner Adressbuch „Bürochef“. Die Eltern wechselten oft die Wohnung: In den ersten Jahren lebte die Familie im Zentrum der Stadt, in der Schönhauser Allee und der Invalidenstraße. Zum Zeitpunkt der Geburt von Marie Simon wohnte die Familie Simon bereits einige Jahre in der Lichterfelder Straße 11, der heutigen Methfesselstraße, am „grünen“ Kreuzberg. Hinter dieser Hausnummer verbarg sich das „Tivoli“, in Berlin eine bekannte Brauerei mit Gartenlokal und (politischem) Versammlungssaal. Hier gab es auch Wohnungen für „Betriebsbeamte“, zu denen Max Simon wohl gehört hat. Danach ging es zurück in das Zentrum von Berlin, in die Burgstraße nahe der Berliner Börse. Hier wuchs Marie Simon auf. Als 1906 ihre Mutter starb, war sie fast erwachsen.
Die Familie war kleiner geworden, die Schwestern Franziska, Luise Alice und Margarethe hatten geheiratet. Die unverheiratet gebliebene Schwester Gertrud war Inhaberin einer Pension in Berlin-Schöneberg. Und auch Marie Simon war berufstätig: Als die 1913 den Drogisten Johannes Ernst (genannt Hans) Berkelmann heiratete, wohnte sie zwar noch bei ihrem Vater in der Landshuter Straße in Schöneberg, war aber laut Heiratsurkunde „Erzieherin“ von Beruf. (Das heißt, dass sie Hauslehrerin oder Gouvernante war, keine „Kindergärtnerin“.) Ihr 1884 geborener Ehemann stammte aus Lehe, heute zu Bremerhaven gehörend, und war (auch nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten) kein Jude. Johannes Berkelmann gab zum Zeitpunkt der Hochzeit als Anschrift die Ansbacher Straße 38 an – dies war die Anschrift der Pension seiner Schwägerin Gertrud Simon.
Am 20. Oktober 1914, wenige Monate nach Beginn des Ersten Weltkrieges, wurde der Sohn Adolf geboren – da war der Ehemann und Vater Hans Berkelmann schon „im Felde“, wie es in der Geburtsanzeige im Berliner Tageblatt hieß. Die Eltern wohnten für kurze Zeit in Teltow am südwestlichen Stadtrand von Berlin. Hans Berkelmann fiel im Krieg. In Teltow findet sich auf einer Gedenktafel für die Toten des Ersten Weltkriegs in der Kirche St. Andreas sein Name.
Als Kriegerwitwe zog Marie Berkelmann in das Erdgeschoss des Gartenhauses der Ansbacher Straße 38. Sie eröffnete ein „Schreibmaschinenbüro“: Die Schreibmaschine, ein relativ neues Arbeitsmittel, war eine „weibliche Maschine“ geworden, die nach einer kurzen Ausbildung auch einer alleinstehenden Frau die Berufstätigkeit möglich machte.
Marie Berkelmann heiratete nicht wieder. Bis zum Ende der Weimarer Republik lebten und arbeiteten sie und ihre Schwester Gertrud Simon in der Ansbacher Straße. Marie Berkelmann zog als berufstätige Frau ihr Kind groß. Ihr Sohn Adolf wurde Drogist wie sein Vater. Er blieb ledig und scheint in Berlin bei seiner Mutter gelebt zu haben. Im Mai 1939 wohnte Marie Berkelmann mit ihrem Sohn in einer Erdgeschosswohnung im Hinterhaus der Giesebrechtstraße 21. Dies war auch ihre letzte Anschrift vor der Deportation.
Am 14. April 1942 wurde Marie Berkelmann in das Ghetto von Warschau verschleppt. In dem Transport mit über 900 Menschen befanden sich neben Juden aus den Regierungsbezirken Potsdam und Magdeburg auch 65 Berliner Jüdinnen und Juden – zu ihnen gehörte Marie Berkelmann. Sie kehrte nicht zurück.
Ihr Sohn Adolf lebte zuletzt in Rostock. Im Sommer 1942 wurde er in das KZ Sachsenhausen eingeliefert, am 5. Oktober 1942 kam er dort um. Ihre Schwester Margarete (verh. Feuchtwanger) wurde Ende September 1942 in Raasiku bei Reval erschossen, ihre Schwester Gertrud am 3. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ihre Schwester Luise Alice (verh. Recanati) überlebte: Sie stellte 1959 in Berlin den Wiedergutmachungsantrag für Marie Berkelmann, ihr Wohnort war der von Überlebenden des Holocaust gegründete Kibbuz Netzer Sereni.