Martha Grohnem née Deutschmann

Location 
Niebuhrstr. 66
District
Charlottenburg
Stone was laid
07 April 2010
Born
09 March 1898 in Pakosch (Posen) / Pakość
Deportation
on 19 October 1942 to Riga
Murdered
22 October 1942 in Riga

Martha Deutschmann wurde geboren am 9. März 1898 in Pakosch (poln. Pakosc)/Posen als Tochter von Josef Deutschmann und seiner Frau Helene, geb. Jacobsohn. Sie hatte einen zwei Jahre älteren Bruder, Siegfried. Ob sie noch mehr Geschwister hatte, wissen wir nicht genau. Möglicherweise war Hildegard Liebermann geb. Deutschmann eine Schwester, da sie in den 30er- Jahren die gleiche Adresse wie Siegfried hatte. Hildegard war 1909 in Hohensalza geboren worden – 15 km von Pakosch entfernt. Im Adressbuch für Hohensalza für 1903 findet sich ein Josef Deutschmann, Glaser, in der Synagogenstraße 29. Wenn es sich um Marthas Vater handelt, so zog die Familie vor 1903 nach Hohensalza um, wo dann Marthas Schwester Hildegard zur Welt kam. 

Wir wissen nicht, wann Martha nach Berlin kam, ob die ganze Familie in die Hauptstadt zog oder nur Martha. Als sie 1929 heiratete, hatte sie eine Ausbildung zur Schneiderin absolviert und bezeichnete sich als Modistin. Sie heiratete am am 24. Oktober 1929 den Kaufmann Walter Grohnem, der zu diesem Zeitpunkt bei seinen Eltern in der Kaiser-Wilhelm-Straße 1 lebte. Martha wohnte zur Untermiete in der Leibnizstraße 70 und betrieb einen Modesalon in der Knesebeckstraße 91. Nach Aussage ihres Mannes beschäftigte sie dort zwei Helferinnen. Walter Grohnem war Vertreter bei der Firma Wilhelm Bursch, Betten- und Möbelstoffe. Mitte 1931 musste er allerdings die Firma verlassen, vermutlich eine Folge der Weltwirtschaftskrise, und fand aus dem gleichen Grund keine neue Anstellung. Das Paar, das bis dahin nahe des Modesalons in der Knesebeckstraße 94 gewohnt hatte, zog einige Häuser entfernt in die Nr. 80/81, und führte dort den Modesalon weiter. Marthas Ehemann, immer noch arbeitslos, half im Außendienst des Geschäftes und bei der Buchführung.

Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 begann die offizielle Judendiskriminierung. Schon im April des Jahres gab es die ersten Judenboykotte. Man kann vermuten, dass auch Marthas Modesalon Kundinnen verlor. Offenbar hatte sie aber eine Stammkundschaft, denn noch 1938 betrieb sie ihr Geschäft. Walter war allerdings schon 1935 vom Charlottenburger Garten- und Straßenbauamt zur Zwangsarbeit herangezogen worden, er musste beim Straßenbau und zu der Olympiade im Stadion arbeiten.

Ob Martha nach den Pogromen vom November 1938 noch in ihrem Beruf arbeiten konnte scheint unwahrscheinlich. Kurz nach diesem Auftakt zur verschärften Diskriminierung von Juden, im Dezember des Jahres, bemühte sich Walter um die Auswanderung. Als dies nicht gelang, oder sich zu lang hinzog, ging er illegal nach Holland, sicherlich wollte er auch die Flucht Marthas vorbereiten. Er wurde jedoch nach zwei Tagen aufgegriffen und an die deutsche Polizei ausgeliefert. 9 Polizeigefängnisse in verschiedenen Städten musste er passieren, bevor er am 25. Januar 1939 in das KZ Dachau eingeliefert wurde.

Martha musste die Wohnung in der Knesebeckstraße aufgeben und zog in die Niebuhrstraße 66, wo auch ihre Schwiegereltern Salomon und Hulda Grohnem wohnten. Walter wurde am 1. März 1939 aus Dachau entlassen, wohl mit der Auflage, Deutschland schnellstmöglich zu verlassen. Bei der Volkszählung am 17. Juni wurde er auch in der Niebuhrstraße erfasst. Möglicherweise hatte Walter schon in Dachau einen Antrag für sich und Martha bei der Reichsvereinigung der Deutschen Juden gestellt auf Aufnahme im kürzlich eröffneten Flüchtlingslager in der englischen Grafschaft Kent, das Kitchener Camp. Wahrscheinlich aufgrund der großen Anzahl der Anträge bekam nur Walter die Bewilligung. Am 13. Juli 1939 kam er in England an und am 14. im Kitchener Camp, wo er in der Folgezeit als Bauarbeiter und Gärtner tätig war.

Martha konnte nicht nachkommen. Sie konnte auch nicht lange in der Niebuhrstraße bleiben, noch im Jahr 1939 wurden Grohnems genötigt, die Wohnung zu räumen. Martha konnte in der Saarbrücker Straße 26 unterkommen, wo ihr Bruder Siegfried und auch Hildegard Liebermann geb. Deutschmann gemeldet waren, Marthas Schwiegereltern kamen in das jüdische Altersheim in der Iranischen Straße 3.

Siegfried Deutschmann war Opfer der sog. „Juni-Aktion“ im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ gewesen. Hierbei sollten (angebliche) Arbeitsscheue verhaftet und zu Zwangsarbeiten in Konzentrationslagern gezwungen werden. Zunächst ging es um Menschen, die Arbeitsangebote der Arbeitsämter abgelehnt hatten oder um sog. „Asoziale“, wie etwa Bettler oder Landstreicher. Auf Hitlers Anweisung wurden im Juni 1938 auch vorbestrafte Juden einbezogen, wobei die Vorstrafen oft auf „Devisenvergehen“ oder auch geringe Verkehrsdelikte zurückgingen. 2300 jüdische Männer wurden im Mai/Juni festgenommen, 1256 davon in Buchenwald eingeliefert. Siegfried Deutschmann kam am 14. Juni 1938 in das KZ Buchenwald. Nach 6 Monaten, am 13. Dezember, wurde er entlassen. Im Mai 1939 lebte er in der Saarbrücker Straße, aber schon einen Monat nach der Volkszählung, am 15. Juni 1939, emigrierte er nach Shanghai. Möglicherweise konnte Martha daraufhin seine Unterkunft übernehmen. 

Zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt musste Martha dann abermals umziehen, zur Untermiete in die Treskowstraße 43 in Prenzlauer Berg. Von dort wurde sie im Oktober 1942 in das Sammellager Levetzowstraße verbracht, eine von der Gestapo missbrauchte Synagoge, um am 19. Oktober mit über 950 weiteren Menschen vom Güterbahnhof Moabit aus nach Riga deportiert zu werden. 81 Männer wurden in Riga zur Zwangsarbeit ausgesucht, alle anderen, auch Martha Grohnem, wurden in den umliegenden Wäldern an vorbereiteten Gruben ermordet.

Marthas Schwiegermutter Hulda Grohnem starb im jüdischen Krankenhaus Anfang Dezember 1940, ihr Schwiegervater Salomon Grohnem wurde am 23. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er nach rund sechs Wochen infolge der unsäglichen Lebensbedingungen starb. 

Hildegard Liebermann geb. Deutschmann, Marthas mutmaßliche Schwester, wurde am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Marthas Bruder Siegfried Deutschmann kehrte im November 1950 nach Deutschland zurück, um von dort die Emigration in die USA zu betreiben. Er lebte zunächst in Wildflecken und Föhrenwald, beides Lager für „Displaced Persons“. Dank der Vermittlung des American Jewish Joint Distribution Committee (AJDC) konnte er am 21. August 1951 in Bremerhaven ein Schiff nach New York besteigen.

Walter Grohnem blieb nach dem Krieg in England und nannte sich in Walter Grant um. 1947, nachdem Martha offiziell für tot erklärt worden war, heiratete er erneut. Er starb 1960 in Liverpool.