Hans Arno Steinitz

Location 
Mommsenstr. 34
District
Charlottenburg
Stone was laid
26 September 2006
Born
25 July 1910 in Graudenz (Westpreußen) / Grudziądz
Deportation
on 04 March 1943 from der Fahrzeughalle in der Göring-Kaserne in Reinickendorf (heute Julius-Leber-Kaserne) to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Hans Steinitz wurde am 25. Juli 1910 im westpreußischen Graudenz (heute Grudziądz) geboren. 1939 wohnte er in der Mommsenstraße 34 in Berlin-Charlottenburg. Seit 1941 war er als Bürstenmacher bei Otto Weidt beschäftigt und erhielt 23 Reichsmark Wochenlohn.

Im Oktober 1942 heiratete Hans Steinitz die zehn Jahre ältere Jüdin Else Schartenberg aus Holzminden. Das Ehepaar wohnte zur Untermiete in der Hufelandstraße 22 in Berlin-Prenzlauer Berg.

Im Zuge der „Fabrik-Aktion“ wurden Hans und Else Steinitz festgenommen. Else Steinitz wurde am 1. März 1943, Hans Steinitz am 4. März 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Beide wurden dort ermordet.

Hans Arno Steinitz kam am 15. Juli 1910 in Graudenz (poln. Grudziadz)/Westpreußen auf die Welt. Über ihn ist leider sehr wenig bekannt. Auch die Namen seiner Eltern konnten nicht festgestellt werden. In den Adressbüchern von Graudenz für die Jahre um 1910 und später ist kein Steinitz registriert, die Familie wohnte wohl zur Untermiete.

Es ist gut möglich, dass Steinitzs nach dem Ersten Weltkrieg nach Berlin kamen. Graudenz musste aufgrund des Versailler Vertrages 1920 zu Errichtung des polnischen Korridors an Polen abgetreten werden, obwohl die Bevölkerung mehrheitlich deutsch war. Daraufhin zogen viele jüdische Familien weg, mehrheitlich nach Berlin und Breslau.

Aktenkundig wird Hans Arno Steinitz erst 1939, als er bei der Volksabstimmung vom 17. Mai in der Ergänzungskartei für Juden erfasst wurde. Er wohnte in der Mommsenstraße 34, sein Vermieter, sowie seine Ausbildung werden im Gedenkbuch des Bundesarchivs nicht genannt. Möglicherweise war Hans Arno sehbehindert, denn ab 1941 arbeitete er als Bürstenmacher in der Blindenwerkstatt Otto Weidt, wodurch ihm anderweitige Zwangsarbeit erspart wurde.

Der gelernte Tapezierer und Unternehmer Otto Weidt war selbst erblindet und hatte 1939 eine Besen- und Bürstenbinderei für Blinde gegründet, die er 1940 in die Rosenthaler Straße 39 verlegte. Er beschäftigte über 30 Angestellte, mehrheitlich blinde, seh- und hörbehinderte Jüdinnen und Juden. Vielleicht lernte Hans Arno Steinitz in diesem Zusammenhang Else Schartenberg kennen, deren Mutter Caroline in einem jüdischen Blindenheim lebte. Im Oktober 1942 heirateten Else und Hans Arno.

Else Schartenberg war 10 Jahre älter als ihr Ehemann. Sie war am 16. November 1900 in Dortmund geboren worden. Ihre Eltern waren Eduard Schartenberg und seine Frau Caroline, geb. Lebach. Als Else etwa 5 Jahre alt war, zog die Familie nach Zierenberg bei Kassel. Else hatte eine ältere Schwester, Margarete, und zwei jüngere Brüder, Ludwig und Erich. Sie besuchte die Handelsschule Kassel. Als Kind war sie öfter eine Zeitlang bei ihrer Tante Wilhelmine Kugelmann geb. Schartenberg in Holzminden, eine Schwester ihres Vaters. In den 20er- Jahren arbeitete sie vorübergehend in Holzminden bei Kugelmanns als Haushaltshilfe und Verkäuferin in Sally Kugelmanns Konfektionsgeschäft. Im Oktober 1938, nach dem Tod ihres Vaters, ging sie wieder nach Holzminden zu ihrer Tante, und musste dort erleben, wie die Scheiben von Wohnung und Geschäft ihres Onkels in der Pogromnacht im November 1938 zertrümmert wurden. Im September 1939 zog sie nach Berlin, wo ihre inzwischen verwitwete und erblindete Mutter nunmehr lebte. Else wohnte in der Christburger Straße 26. Nach der Heirat wohnten Hans Arno und Else in der Hufelandstraße 22, zur Untermiete bei Leonhard und Betty Baron.

Da die Blindenwerkstatt die Wehrmacht belieferte, galt der Betrieb als kriegswichtig, und so konnte Otto Weidt Juden und Jüdinnen vor der Deportation schützen. Mit der sogenannten „Fabrik-Aktion“ ab dem 27. Februar 1943 wurde dies jedoch nahezu unmöglich. Ziel der Gestapo war es, alle im Reichsgebiet verbliebenen jüdischen Arbeiter und Arbeiterinnen ohne Vorankündigung direkt am Arbeitsplatz oder in ihren Wohnungen festzunehmen, um sie anschließend zu deportieren. Im Zuge dieser Razzia wurde auch Hans Arno Steinitz festgenommen.

Rund 8000 der ca 15000 noch in Berlin verbliebenen Juden und Jüdinnen wurden bei der Aktion verhaftet. Das bis dahin eingerichtete Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 reichte bei weitem nicht aus und die Stapo Leitstelle musste weitere provisorische Sammellager einrichten. Hans Arno Steinitz wurde mit ziemlicher Sicherheit in eine Fahrzeughalle in der Göring-Kaserne in Reinickendorf (heute Julius-Leber-Kaserne) eingeliefert. Darauf deutet die ihm zugeordnete III auf der Transportliste. In dem Sammellager wurde er am 1. März 1943 angehalten, die obligatorische 16-seitige „Vermögenserklärung“ auszufüllen, in der er allerdings nur die Fragen zur Person in den ersten zwei Seiten beantwortete. Am 2. März wurde ihm per Zustellungsurkunde mitgeteilt, dass sein Vermögen zugunsten des Reiches eingezogen werde. Das „Vermögen“ bestand lediglich aus Kautionsrückerstattungen der Gasag und Bewag in Höhe von zusammen 38,96 RM.

Am 4. März 1943 wurde Hans Arno Steinitz dann in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Der „Transport“ mit 1120 Menschen kam dort zwei Tage später an. 389 Männer (und 96 Frauen) wurden zur Zwangsarbeit in das Lager eingewiesen. Dass der vermutlich sehbehinderte Hans Arno Steinitz dazugehörte ist höchst unwahrscheinlich. Alle nicht „selektierten“ Menschen wurden sofort in den Gaskammern ermordet.

Seine Frau hat Hans Arno wohl kaum noch einmal gesehen. Else Steinitz war drei Tage früher, am 1. März 1943, vom Sammellager Große Hamburger Straße 26 aus ebenfalls nach Auschwitz verschleppt worden. Da dies der erste „Transport“ mit Opfern der „Fabrik-Aktion“ war, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Else Zwangsarbeit hatte leisten müssen. In Auschwitz wurden zunächst 385 Frauen in das Lager eingewiesen. Ob Else dazu gehörte oder gleich ermordet wurde, ist nicht bekannt. Überlebt hat sie nicht. Für sie wurde 2022 ein Stolperstein in Zierenberg verlegt (https://www.stadt-zierenberg.de/stadt-buergerservice/stadtportraet/stolpersteine-erinnerungskultur/stolpersteinverlegungen/stolpersteinverlegung-2022/).

Elses Mutter Caroline Schartenberg war schon am 14. September 1942, noch vor Elses Heirat mit Hans Arno nach Theresienstadt deportiert worden und dort am darauffolgenden 18. Oktober an den unmenschlichen Lebensumständen im Lager gestorben. Für sie liegt auch ein Stolperstein in Zierenberg und ein weiterer in Steglitz, vor der Wrangelstraße 6/7. (https://www.stolpersteine-berlin.de/de/wrangelstr/6-7/caroline-schartenberg). Hans Arnos Vermieter in der Hufelandstraße, Leonhard und Betty Baron, waren ebenfalls vor ihm am 15. Dezember 1942 nach Theresienstadt verschleppt worden und kurz darauf dort ums Leben gekommen.

Elses Geschwister Grete, Ludwig und Erich konnten rechtzeitig in die USA auswandern.