Gertrud Stern née Baswitz

Location 
Schlüterstr. 53
District
Charlottenburg
Stone was laid
23 September 2010
Born
29 January 1881 in Frankfurt/Oder
Deportation
on 16 June 1943 to Theresienstadt
Murdered
27 June 1943 in Theresienstadt

Gertrud Stern war krank. Schon seit Monaten lag die 62-Jährige im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 in Wedding. Ihre kleine Wohnung im zweiten Stock des Gartenhauses in der Schlüterstraße 53 von Charlottenburg hatte sie Anfang 1943 weitgehend geräumt; die wenigen Möbel für kleines Geld verkauft oder verschenkt. Ahnte sie, dass sie in ihr kleines Refugium im besten Charlottenburg, in dem sie sich so wohl gefühlt hatte, nicht mehr zurückkehren würde?<br />
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Die Ahnung trog nicht. Anfang Juni 1943 wurde Gertrud Stern von der Gestapo eine Urkunde ins Krankenhaus zugestellt, in der ihr mitgeteilt wurde, dass ihr – karges – Vermögen „zugunsten des Deutschen Reiches“ einzuziehen sei. Das war vor der geplanten Deportation der bürokratisch-formal letzte Schritt, den sich die Nationalsozialisten ausgedacht hatten, um ihrer Vernichtungspolitik gegen die Juden einen rechtlich-korrekten Anschein zu verleihen. Außerdem diente er der finanziellen Ausbeutung der Todgeweihten.<br />
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Zuvor hatte Gertrud Stein eine Vermögenserklärung abgeben müssen. Sie unterschrieb dieses 16-seitige Formular mit erstaunlich klarer, fast schwungvoller Signatur. Ansonsten aber strich sie alle Felder, in denen sie ihren Haushalt – von Möbeln über Kleidung bis hin zur Unterwäsche – deklarieren sollte, mit forschem Bleistiftstrich durch. Nur in der Rubrik, in der nach Kindern außerhalb der Wohngemeinschaft gefragt wurde, schrieb sie: „Zwei Söhne, ausgewandert 1936 und 1938“. Vielleicht fühlte sie dabei einen kleinen Triumph darüber, dass ihre Söhne den Nazi-Mördern gerade noch rechtzeitig entkommen waren.<br />
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Die Vermögenserklärung vom 9. Juni 1943 ist eines der wenigen Dokumente, die – karg genug – Aufschluss geben über das Leben von Gertrud Stern. Wir erfahren, dass sie als Gertrud Baswitz am 29. Januar 1881 in Frankfurt/Oder geboren wurde. Ob sie einen Beruf hatte, und wenn welchen, ist nicht festgehalten. Ebenso wenig wissen wir von ihrem Mann und ihrer Ehe. „Verwitwet“ heißt es lediglich in der Sparte „Familienstand“.<br />
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Eine Woche nach Unterschreiben der Vermögenserklärung wurde das Jüdische Krankenhaus Wedding von den „liegend Kranken“ geräumt. Dies betraf auch Gertrud Stern. Im Transport unter der Bezeichnung „I/96“ wurde sie am 16. Juni 1943 zusammen mit den letzten „Volljuden“ der Berliner Jüdischen Gemeinde, die am 10. Juni von der Gestapo als nicht mehr bestehend erklärt wurde, nach Theresienstadt deportiert. Insgesamt umfasste der Transport, der am 17. Juni Theresienstadt erreichte, 430 Personen, von denen 81 den Krieg überlebten. Gertrud Stern war nicht unter ihnen. Aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen im Lager starb sie, zehn Tage nach ihrer Ankunft, am 27. Juni 1943.<br />
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Die Nationalsozialistischen Schreibtischtäter schlossen die Akte Gertrud Stern am 17. September 1943. „Es sind keine Sachen zurückgeblieben“, notierte an diesem Tag der vom Oberfinanzpräsidenten bestellte Gerichtsvollzieher nach einer Besichtigung der Wohnung in der Charlottenburger Schlüterstraße 53. Dafür erstellte er eine Gebührenrechnung: „1,00 RM (Reichsmark) Gebühr; 1,00 RM Fahrkosten; 0,50 RM Schreibgebühr“.

Gertrud Stern war krank. Schon seit Monaten lag die 62-Jährige im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 in Wedding. Ihre kleine Wohnung im zweiten Stock des Gartenhauses in der Schlüterstraße 53 von Charlottenburg hatte sie Anfang 1943 weitgehend geräumt; die wenigen Möbel für kleines Geld verkauft oder verschenkt. Ahnte sie, dass sie in ihr kleines Refugium im besten Charlottenburg, in dem sie sich so wohl gefühlt hatte, nicht mehr zurückkehren würde?

Die Ahnung trog nicht. Anfang Juni 1943 wurde Gertrud Stern von der Gestapo eine Urkunde ins Krankenhaus zugestellt, in der ihr mitgeteilt wurde, dass ihr – karges – Vermögen „zugunsten des Deutschen Reiches“ einzuziehen sei. Das war vor der geplanten Deportation der bürokratisch-formal letzte Schritt, den sich die Nationalsozialisten ausgedacht hatten, um ihrer Vernichtungspolitik gegen die Juden einen rechtlich-korrekten Anschein zu verleihen. Außerdem diente er der finanziellen Ausbeutung der Todgeweihten.

Zuvor hatte Gertrud Stein eine Vermögenserklärung abgeben müssen. Sie unterschrieb dieses 16-seitige Formular mit erstaunlich klarer, fast schwungvoller Signatur. Ansonsten aber strich sie alle Felder, in denen sie ihren Haushalt – von Möbeln über Kleidung bis hin zur Unterwäsche – deklarieren sollte, mit forschem Bleistiftstrich durch. Nur in der Rubrik, in der nach Kindern außerhalb der Wohngemeinschaft gefragt wurde, schrieb sie: „Zwei Söhne, ausgewandert 1936 und 1938“. Vielleicht fühlte sie dabei einen kleinen Triumph darüber, dass ihre Söhne den Nazi-Mördern gerade noch rechtzeitig entkommen waren.

Die Vermögenserklärung vom 9. Juni 1943 ist eines der wenigen Dokumente, die – karg genug – Aufschluss geben über das Leben von Gertrud Stern. Wir erfahren, dass sie als Gertrud Baswitz am 29. Januar 1881 in Frankfurt/Oder geboren wurde. Ob sie einen Beruf hatte, und wenn welchen, ist nicht festgehalten. Ebenso wenig wissen wir von ihrem Mann und ihrer Ehe. „Verwitwet“ heißt es lediglich in der Sparte „Familienstand“.

Eine Woche nach Unterschreiben der Vermögenserklärung wurde das Jüdische Krankenhaus Wedding von den „liegend Kranken“ geräumt. Dies betraf auch Gertrud Stern. Im Transport unter der Bezeichnung „I/96“ wurde sie am 16. Juni 1943 zusammen mit den letzten „Volljuden“ der Berliner Jüdischen Gemeinde, die am 10. Juni von der Gestapo als nicht mehr bestehend erklärt wurde, nach Theresienstadt deportiert. Insgesamt umfasste der Transport, der am 17. Juni Theresienstadt erreichte, 430 Personen, von denen 81 den Krieg überlebten. Gertrud Stern war nicht unter ihnen. Aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen im Lager starb sie, zehn Tage nach ihrer Ankunft, am 27. Juni 1943.

Die Nationalsozialistischen Schreibtischtäter schlossen die Akte Gertrud Stern am 17. September 1943. „Es sind keine Sachen zurückgeblieben“, notierte an diesem Tag der vom Oberfinanzpräsidenten bestellte Gerichtsvollzieher nach einer Besichtigung der Wohnung in der Charlottenburger Schlüterstraße 53. Dafür erstellte er eine Gebührenrechnung: „1,00 RM (Reichsmark) Gebühr; 1,00 RM Fahrkosten; 0,50 RM Schreibgebühr“.