Regina Warszawski

Location 
Wielandstr. 30
District
Charlottenburg
Stone was laid
03 April 2009
Born
09 August 1878 in Petrikau / Piotrków
Deportation
on 25 January 1942 to Riga
Murdered
in Riga

Regina Warszawski – sie schrieb sich selber Warschawski – wurde als Regina Bankier am 9. August 1878 in Piotrkow geboren. Piotrkow (deutsch Petrikau) gehört heute zu Polen, liegt in der Nähe von Łódź. Als Regina geboren wurde, gehörte es zu dem sog. Kongresspolen (1815 auf dem Wiener Kongress konstituiert) und unterstand dem zaristischen Russland. Über Regina Bankiers Elternhaus und ihre Kindheit wissen wir nichts. 18- oder 19-jährig heiratete sie den 8 Jahre älteren Noe Warschawski aus dem nicht allzu weit entfernten Ostrowy und ließ sich mit ihm in Łódź nieder. Dort wurde am 9. April 1898 ihre Tochter Stefanie geboren, wahrscheinlich ihr erstes Kind. Weitere Kinder waren Stanislaus, Florentine genannt Florette, Tea und Heinrich. Es ist unwahrscheinlich, dass alle in Łódź geboren wurden, denn 1903 ließ sich Noe Warschawski mit seiner Familie in Charlottenburg als Handelsmann in Textilien nieder. Mit einer eigenen Wohnung finden wir ihn in den Adressbüchern erst 1906, als Kommissionär und Exportkaufmann, in der Leibnizstraße 74 (ein Jahr später in 87 umnummeriert). Aber schon 1908 zog die Familie in die Herderstraße 15. Nach weiteren vier Jahren findet man sie in der Berliner Straße 57 (heute Otto-Suhr-Allee).<br />
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Über zehn Jahre wohnten Warschawskis an dieser Adresse. Die Kinder heirateten, machten sich selbständig, gingen außer Haus. Florette öffnete ein Modeatelier in der Hindersinstraße im Spreebogen (die Straße wurde 1972 eingezogen), Stefi eines für Modellhüte, zunächst in der elterlichen Wohnung, später in der Fasanenstraße. Stanislaus studierte – wahrscheinlich Medizin – , und Heinrich wurde Ingenieur. Tea heiratete den Komponisten und Jazz-Musiker Heinz Lachmann, sie selbst war auch künstlerisch begabt und arbeitete als Illustratorin. <br />
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Mit der Machtübernahme von Adolf Hitler änderte sich vieles für die Familie. Tea und Heinz Lachmann wanderten bereits 1933 in die Niederlande aus. Florette heiratete den Kaufmann Werner Borchardt und verließ mit ihm ebenfalls Deutschland. Auch die Söhne emigrierten, wir wissen nicht genau, wann. Noe selbst kehrte um 1934 nach Łódź zurück. Möglicherweise wurde er, wie andere polnischstämmige Juden, ausgebürgert oder wollte einer Abschiebung zuvorkommen. Unklar bleibt, warum Regina in Berlin blieb. Vielleicht weil auch Stefi noch dort war, die 1936 ihr Hutgeschäft in die Ladenwohnung in der Wielandstraße 30 verlegte und, trotz der vielen Diskriminierungen und Einschränkungen für Juden, weiter betrieb.<br />
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Regina wohnte allerdings zunächst in der Schlüterstraße 69, vermutlich zur Untermiete. Aber 1939, als bei der Volkszählung im Mai alle Juden in einer gesonderten Kartei erfasst wurden, wurde auch sie in der Wielandstraße 30 registriert. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war Stefis Laden zerstört worden, im Juni 1939 wurde sie – als polnische Staatsbürgerin – aufgefordert, binnen zwei Wochen das Land zu verlassen. „Falls Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird gemäß §7Absatz 5 der Ausländerpolizeiverordnung vom 22.8.1938 durch Anwendung unmittelbaren Zwanges Ihre Abschiebung aus dem Reichsgebiete erfolgen.“ Stefi gelangte auf Umwegen nach Belgien. Regina Warschawski aber sah sich gezwungen, nochmal umzuziehen, diesmal in die Wielandstraße 17. Im Januar 1942 wurde Regina von dort abgeholt und in die als Sammellager umfunktionierte Synagoge in der Levetzowstraße 7-8 gebracht. Am 25. Januar wurde sie dann vom Gleis 17 am Bahnhof Grunewald mit 1043 anderen Opfern nach Riga deportiert. Wir wissen nicht, ob Regina dort überhaupt lebend ankam, denn der Zug bestand aus ungeheizten Güterwagen und viele Insassen erfroren bereits auf der Fahrt. Die meisten anderen wurden bei Ankunft erschossen. Einige Deportierte wurden zur Zwangsarbeit bestimmt, nur 13 überlebten den Krieg. Regina Warschawski war nicht unter ihnen. Sie wurde 63 Jahre alt.<br />
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Auch Noe überlebte nicht. Wie ein Sohn seiner Schwester später berichtete, ging er 1939 wegen des deutschen Truppenvormarsches von Łódź nach Warschau, wo er, wie seine Schwester auch, im Ghetto lebte. Nachdem 1942 die SS beschlossen hatte, das Ghetto aufzulösen, soll Noe bei der ersten Deportationswelle im Juli 1942 nach Treblinka verschleppt und dort ermordet worden sein. Seine und Reginas Kinder indes überlebten alle. Florette und Werner Borchardt wanderten nach Palästina aus, Stanislaus flüchtete nach England, Heinrich – Henry - in die USA. Stefi musste in Belgien nach dem Einmarsch der Deutschen versteckt leben, nach dem Krieg heiratete sie einen Belgier, verwitwete jedoch schon 1949 und kehrte nach Berlin zurück. Tea und Heinz Lachmann (der sich nach dem Krieg in Hans Lachman umnannte), tauchten 1941 in den Niederlanden unter, als es nun auch dort für sie gefährlich wurde. Dabei wurden sie von einem holländischen Pastor unterstützt, Henri Vullinghs, der selber später in Bergen-Belsen umkam. Zum Dank komponierte Hans Lachman nach dem Krieg ein Requiem für ihn.<br />
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Regina Warszawski – sie schrieb sich selber Warschawski – wurde als Regina Bankier am 9. August 1878 in Piotrkow geboren. Piotrkow (deutsch Petrikau) gehört heute zu Polen, liegt in der Nähe von Łódź. Als Regina geboren wurde, gehörte es zu dem sog. Kongresspolen (1815 auf dem Wiener Kongress konstituiert) und unterstand dem zaristischen Russland. Über Regina Bankiers Elternhaus und ihre Kindheit wissen wir nichts. 18- oder 19-jährig heiratete sie den 8 Jahre älteren Noe Warschawski aus dem nicht allzu weit entfernten Ostrowy und ließ sich mit ihm in Łódź nieder. Dort wurde am 9. April 1898 ihre Tochter Stefanie geboren, wahrscheinlich ihr erstes Kind. Weitere Kinder waren Stanislaus, Florentine genannt Florette, Tea und Heinrich. Es ist unwahrscheinlich, dass alle in Łódź geboren wurden, denn 1903 ließ sich Noe Warschawski mit seiner Familie in Charlottenburg als Handelsmann in Textilien nieder. Mit einer eigenen Wohnung finden wir ihn in den Adressbüchern erst 1906, als Kommissionär und Exportkaufmann, in der Leibnizstraße 74 (ein Jahr später in 87 umnummeriert). Aber schon 1908 zog die Familie in die Herderstraße 15. Nach weiteren vier Jahren findet man sie in der Berliner Straße 57 (heute Otto-Suhr-Allee).

Über zehn Jahre wohnten Warschawskis an dieser Adresse. Die Kinder heirateten, machten sich selbständig, gingen außer Haus. Florette öffnete ein Modeatelier in der Hindersinstraße im Spreebogen (die Straße wurde 1972 eingezogen), Stefi eines für Modellhüte, zunächst in der elterlichen Wohnung, später in der Fasanenstraße. Stanislaus studierte – wahrscheinlich Medizin – , und Heinrich wurde Ingenieur. Tea heiratete den Komponisten und Jazz-Musiker Heinz Lachmann, sie selbst war auch künstlerisch begabt und arbeitete als Illustratorin.

Mit der Machtübernahme von Adolf Hitler änderte sich vieles für die Familie. Tea und Heinz Lachmann wanderten bereits 1933 in die Niederlande aus. Florette heiratete den Kaufmann Werner Borchardt und verließ mit ihm ebenfalls Deutschland. Auch die Söhne emigrierten, wir wissen nicht genau, wann. Noe selbst kehrte um 1934 nach Łódź zurück. Möglicherweise wurde er, wie andere polnischstämmige Juden, ausgebürgert oder wollte einer Abschiebung zuvorkommen. Unklar bleibt, warum Regina in Berlin blieb. Vielleicht weil auch Stefi noch dort war, die 1936 ihr Hutgeschäft in die Ladenwohnung in der Wielandstraße 30 verlegte und, trotz der vielen Diskriminierungen und Einschränkungen für Juden, weiter betrieb.

Regina wohnte allerdings zunächst in der Schlüterstraße 69, vermutlich zur Untermiete. Aber 1939, als bei der Volkszählung im Mai alle Juden in einer gesonderten Kartei erfasst wurden, wurde auch sie in der Wielandstraße 30 registriert. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war Stefis Laden zerstört worden, im Juni 1939 wurde sie – als polnische Staatsbürgerin – aufgefordert, binnen zwei Wochen das Land zu verlassen. „Falls Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird gemäß §7Absatz 5 der Ausländerpolizeiverordnung vom 22.8.1938 durch Anwendung unmittelbaren Zwanges Ihre Abschiebung aus dem Reichsgebiete erfolgen.“ Stefi gelangte auf Umwegen nach Belgien. Regina Warschawski aber sah sich gezwungen, nochmal umzuziehen, diesmal in die Wielandstraße 17. Im Januar 1942 wurde Regina von dort abgeholt und in die als Sammellager umfunktionierte Synagoge in der Levetzowstraße 7-8 gebracht. Am 25. Januar wurde sie dann vom Gleis 17 am Bahnhof Grunewald mit 1043 anderen Opfern nach Riga deportiert. Wir wissen nicht, ob Regina dort überhaupt lebend ankam, denn der Zug bestand aus ungeheizten Güterwagen und viele Insassen erfroren bereits auf der Fahrt. Die meisten anderen wurden bei Ankunft erschossen. Einige Deportierte wurden zur Zwangsarbeit bestimmt, nur 13 überlebten den Krieg. Regina Warschawski war nicht unter ihnen. Sie wurde 63 Jahre alt.

Auch Noe überlebte nicht. Wie ein Sohn seiner Schwester später berichtete, ging er 1939 wegen des deutschen Truppenvormarsches von Łódź nach Warschau, wo er, wie seine Schwester auch, im Ghetto lebte. Nachdem 1942 die SS beschlossen hatte, das Ghetto aufzulösen, soll Noe bei der ersten Deportationswelle im Juli 1942 nach Treblinka verschleppt und dort ermordet worden sein. Seine und Reginas Kinder indes überlebten alle. Florette und Werner Borchardt wanderten nach Palästina aus, Stanislaus flüchtete nach England, Heinrich – Henry - in die USA. Stefi musste in Belgien nach dem Einmarsch der Deutschen versteckt leben, nach dem Krieg heiratete sie einen Belgier, verwitwete jedoch schon 1949 und kehrte nach Berlin zurück. Tea und Heinz Lachmann (der sich nach dem Krieg in Hans Lachman umnannte), tauchten 1941 in den Niederlanden unter, als es nun auch dort für sie gefährlich wurde. Dabei wurden sie von einem holländischen Pastor unterstützt, Henri Vullinghs, der selber später in Bergen-Belsen umkam. Zum Dank komponierte Hans Lachman nach dem Krieg ein Requiem für ihn.