Gerhard Wolff

Location 
Niebuhrstr. 66
District
Charlottenburg
Stone was laid
27 October 2009
Born
13 August 1912 in Stallupönen / Nesterow
Deportation
on 27 November 1941 to Riga
Murdered
30 November 1941 in Riga

Gerhard Wolff war das jüngste Kind von Richard Wolff und Helene Wolff geb. Meyerhardt. Er kam 13. August 1912 in Stallupönen/Ostpreußen zur Welt. Seine älteren Geschwister Leo, Charlotte, Martin und Alfred waren 1900, 1903, 1905 und 1910 geboren worden. Stallupönen war damals eine Kreisstadt von 5 ½ Tausend Einwohnern am Ostrand von Ostpreußen. Kurz nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde sie bei einem Gefecht mit Russland stark zerstört und ab 1915 wieder aufgebaut. Heute heißt die Stadt Nesterow und liegt am Ostrand der russischen Exklave Kaliningrad.

Gerhards Familie zog um 1920 nach Berlin, der Vater war Getreidegroßhändler und an der Börse als Getreidemakler zugelassen. Er war vermögend und konnte seinen Kindern ein Leben in Wohlstand ermöglichen. In Berlin ging Gerhard bis zur Mittleren Reife auf die Oberrealschule. Danach arbeitete er als Vertreter für Papierwaren bei verschiedenen Firmen. Etwa 1932 machte er sich selbstständig, indem er ein Unternehmen für Papier- und Tütengroßhandel gründete. Geschäfts- und Lagerräume waren im Keller des Hauses Niebuhrstraße 66, das seinem Vater gehörte. Wahrscheinlich wohnte er bei seinen Eltern, zunächst noch am Karolingerplatz 3, dann in der Niebuhrstraße. Der Mann von Gerhards Schwester Charlotte, Kurt Blaschkauer, betrieb ebenfalls eine Papiergroßhandlung in der Niebuhrstraße 66 und wohnte auch dort.  

Als Gerhard am 10. April 1936 Paula Treitel heiratete, wohnte er zur Untermiete in der Kantstraße 33. Paula stammte aus Obersitzko/Kreis Samter (heute Obrzycko), sie war dort am 21. Februar 1912 geboren worden. Ihre Eltern waren der Bäckermeister Lippmann Treitel und seine Ehefrau Hedwig, geb. Deworesohn. Paulas Schwester Marga war ein Jahr älter als sie. Die Kleinstadt Obersitzko kam nach dem Ersten Weltkrieg durch den Versailler Vertrag zu Polen, und viele Deutsche verließen die Stadt, auch Lippmann Treitel. Er kaufte in Berlin das Haus Tilsiter Straße 34 (heute Richard-Sorge-Straße in Friedrichshain), in dem er bis zu seiner Deportation lebte. 

Paula und Gerhard bezogen eine Wohnung in der Weimarer Straße 18. Am 25. April 1937 brachte Paula einen Sohn zur Welt, Joachim. Gerhards Papierhandlung blieb weiterhin in der Niebuhrstraße. Die Geschäfte liefen seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten allerdings nicht mehr so gut, da die nichtjüdischen Kunden wegblieben und die jüdischen nach und nach auswanderten. Auch Gerhards Geschwister waren nach Brasilien und Palästina emigriert. Gerhard musste um 1938 das Geschäft aufgeben und auch die Wohnung. Er zog mit Paula und Joachim zu seinen Eltern in die Niebuhrstraße. Wie sein Vater hoffte auch Gerhard darauf, dass der Bruder Leo sie von Palästina aus anfordern würde, um auch ausreisen zu können. Tatsächlich erhielt er einen Brief von Leo, mit dem er zum Palästinaamt ging. Dort hieß es aber, er müsse zur Sicherung eine Summe Geld hinterlegen, die er nicht besaß. Wahlweise solle er erst mal auf Hachschara gehen, d.h. eine Ausbildung in einer für die Besiedlung Palästinas nötigen Fähigkeit machen. Schließlich musste er ganz auf die Auswanderung verzichten, nach Kriegsausbruch wurde eine Ausreise sowieso fast unmöglich.

Als 1939 Gerhards Eltern die Wohnung in der Niebuhrstraße aufgeben mussten, fanden Gerhard, Paula und Joachim Unterschlupf bei Paulas Vater in der Tilsiter Straße 34. Dort lebten schon – außer Paulas Mutter Hedwig - Paulas Schwester Marga und zwei Schwestern Hedwigs, Liese und Bertha, wahrscheinlich alle in einer 2-Zimmer Wohnung. Möglicherweise mussten Wolffs auch dort unterkommen.

Etwa zwei Jahre konnten Gerhard, Paula und Joachim bei Lippmann Treitel bleiben. Sie wurden am 27. November 1941 mit dem ersten Sonderzug nach Riga deportiert. Eigentlich sollten die 1053 Insassen dieses Zuges - soweit arbeitsfähig – in das erst kürzlich eingerichtete Rigaer Ghetto gelangen. Doch der SS-Führer Friedrich Jeckeln entschied eigenmächtig, sie auf Ankunft am 30. November sofort und ohne Ausnahme in den nahen Wäldern von Rumbula erschießen zu lassen. Noch am gleichen Tag wurden dort auch mehrere Tausend lettische Juden ermordet. Der 30. November 1941 ging als „Rigaer Blutsonntag“ in die Geschichte ein.

Sowohl Gerhard wie Paula Wolff wurden nur 29 Jahre alt, ihr Sohn Joachim vier. Friedrich Jeckeln wurde am 3. Februar 1946 von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet.

Paulas Eltern Lippmann und Hedwig Treitel, sowie ihre Tante Liese Deworesohn wurden am 5. September 1942 ebenfalls nach Riga deportiert, Paulas Schwester Marga und ihre Tante Bertha Deworesohn am 1. März 1943 nach Auschwitz. Alle wurden ermordet. Für sie liegen Stolpersteine vor der Richard-Sorge-Straße 34 (ehemals Tilsiter Straße). Gerhards Mutter Helene Wolff wurde zwei Monate nach ihm, am 25. Januar 1942, auch nach Riga deportiert und kam dort bald ums Leben. Gerhards Vater war vorher, am 3. Juli 1941, in Berlin gestorben.