Karl Kauffmann

Location 
Giesebrechtstr. 19
District
Charlottenburg
Stone was laid
08 May 2011
Born
24 June 1877 in Gollantsch (Posen) / Gołańcz
Occupation
Kaufmann
Deportation
on 19 January 1942 to Riga
Murdered
in Riga

Karl Kauffmann wurde am 24. Juni 187 in Gollantsch (poln. Golancz), Landkreis Wongrowitz in Posen geboren. Sein Vater war Philipp Kauffmann, die Mutter dessen Ehefrau Henriette (Jette) geb. Horwitz. Karl hatte drei ältere Geschwister, Abraham (*1867), Ernestine (*1873) und Oskar, geboren 1875. Philipp Kauffmann war Handelsmann, wir wissen nicht, in welcher Branche. Er starb 1880 mit 50 Jahren in Gollantsch, als Karl erst 3 Jahre alt war. Spätestens um die Jahrhundertwende zog seine verwitwete Mutter Jette Kauffmann nach Berlin, vermutlich waren ihre Kinder schon vorher in der Hauptstadt. 1900 ist sie erstmalig im Berliner Adressbuch verzeichnet. 1902 heiratete Karls Bruder Abraham (er nannte sich nun Adolf) Hedwig Lasch, 1905 heirateten Oskar und Hedwig Wiesner. Auch Ernestine heiratete, und zwar den Kaufmann Siegmund Rosenbaum - wann wissen wir nicht.

Karl blieb ledig. Dokumentiert ist nur, dass er sich im Januar 1902 als Commis, also Handelsgehilfe oder Kontorist, in Posen anmeldete, nach wenigen Wochen jedoch zurück nach Berlin ging. Vielleicht hatte er, nach einer kaufmännischen Ausbildung, in Posen ein Arbeitsangebot, das ihm dann jedoch nicht zusagte. Ob er in Berlin eine eigene Adresse hatte ist schwer feststellbar, da der Name häufiger vorkommt, möglicherweise wohnte er bei der Mutter in der Nürnberger Str. 49, später in der Neuen Königsstraße 82. Anfang Dezember 1914 starb auch Jette. Ob Karl, inzwischen 37 Jahre alt, am Ersten Weltkrieg teilnahm, wissen wir nicht. Auch sein Aufenthalt und seine Tätigkeit nach dem Krieg waren nicht zu ermitteln. 

Erst mit der Volkszählung vom 17. Mai 1939 gibt es gesicherte Daten zu Karl Kauffmann: Er wurde in der Giesebrechtstraße 19 als Untermieter der Witwe Minna Herzfeld erfasst. Minna wohnte hier seit 1909 und war seit 1928 Witwe. Bei dieser Volkszählung registrierten die NS-Behörden Juden in einer gesonderten Kartei – so hatten sie ihre Daten gebündelt zur Hand. Dies erleichterte wohl die Kontrolle der zahlreichen seit Machtantritt der Nationalsozialisten erfolgten antisemitischen Verordnungen, die die berufliche und soziale Ausgrenzung von Juden zum Ziel hatten. So war Juden z.B. verboten, in Theater, Kinos oder Museen zu gehen, zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen. Alle Wertgegenstände mussten sie abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, ihre Konten wurde zu „Sicherheitskonten“ erklärt, von denen sie nur durch „Sicherungsanordnung“ festgelegte Beträge für ein Existenzminimum abheben durften. Ab September 1939 hatten sie den Judenstern zu tragen, sie wurden auch zu Zwangsarbeit herangezogen. 

Ob Karl Zwangsarbeit leisten musste ist eher unwahrscheinlich, da er über 60 Jahre alt war. In seiner 1941 ausgefüllten „Vermögenserklärung“ gab er als Beruf „Handlungsgehilfe“ an – dies dürfte seiner ursprünglichen Ausbildung entsprochen haben. Er war als Angestellter versichert. Beschäftigt war er aber in der Gemeinschaftsküche der jüdischen Gemeinde in der Pestalozzistraße.

1941 musste Minna Herzfeld ihre Wohnung räumen, um Platz für Nichtjuden zu schaffen. Karl Kauffmann zog am 15. Februar zu seiner Schwägerin Hedwig Kauffman geb. Lasch in die Sybelstraße 27. Sie war die Witwe von Karls Bruder Adolf (Abraham), der im Oktober 1938 im Jüdischen Krankenhaus laut Sterbeurkunde an Herz- und Kreislaufschwäche gestorben war. Adolf war Chefbuchhalter bei der A.-G. für chemische Produkte, vorm. H. Scheidemantel, gewesen.

Im Dezember 1941 mussten Karl und auch Hedwig die „Vermögenserklärung“ unterzeichnen, der Vorbote der Deportation. Ein nennenswertes Vermögen besaß Karl nicht mehr. 225 RM auf einem Sparbuch wurden von der Oberfinanzdirektion eingezogen, ansonsten nannte er noch 2 Koffer, 4 Anzüge, 3 Oberhemden, 3 Krawatten, 2 Paar Schuhe und 2 Frottiertücher sein eigen. 

Im folgenden Januar dann hatten Karl und seine Schwägerin sich in der als Sammelstelle missbrauchten Synagoge in der Levetzowstraße 7-8 einzufinden, um am 19. Januar mit 1000 weiteren Menschen durch die ganze Stadt zum Bahnhof Grunewald gescheucht zu werden. Vom dortigen Gleis 17 aus wurden sie in gedeckten Güterwagen bei frostigen Temperaturen nach Riga deportiert und dort in das Ghetto eingewiesen - falls sie nicht schon während der fünftägigen Fahrt erfroren waren. Die Lebensbedingungen im Ghetto waren besonders erbärmlich. Zu sechst hatten sie sich 2 Zimmer zu teilen, überall sah man noch Spuren der Massenermordung der lettischen Juden, Ernährung und Hygiene waren katastrophal, es gab kein Wasser, da die Rohre eingefroren waren. Zudem wurden die Insassen zu harter Zwangsarbeit herangezogen. Es scheint unwahrscheinlich, dass Karl Kauffmann oder die zwei Jahre ältere Hedwig Kauffmann diese Umstände lange überlebten. Möglicherweise wurden sie auch Opfer der besonders perfiden „Aktion Dünamünde“, die von Februar bis April 1942 stattfand. Die NS-Schergen behaupteten, Arbeitskräfte würden in einer Fischfabrik in Dünamünde benötigt, wo die Arbeit leichter und die Arbeitsbedingungen besser seien. Sogar Freiwillige meldeten sich. „Dünamünde“ aber existierte nicht und die Fischfabrik auch nicht. Nicht oder nicht voll Arbeitsfähige, die dorthin sollten oder wollten, wurden auf einem nahen Gelände ermordet. 

Von den ursprünglich 1002 Menschen dieser Deportation überlebten lediglich 19. Weder Karl noch Hedwig Kauffmann gehörten dazu. 

Auch Karl Kauffmanns Geschwister wurden Opfer der Shoa. Adolf war 1938 gestorben, hatte aber bereits einen Großteil der Judenverfolgung erleben müssen. Ernestine Rosenbach, geb. Kauffmann, war mit dem ersten Deportationszug aus Berlin vom 18. Oktober 1941 in das Ghetto Lodz verbracht worden und kam dort um, ihr Mann Siegmund war um 1935 gestorben. Oskar und seine Frau Hedwig geborene Wiesner wurden am 23. September 1942 nach Theresienstadt deportiert und überlebten die menschenunwürdigen Lebensumstände dort nicht – Oskar starb am 8. Dezember 1942, Hedwig ein halbes Jahr später am 9. Juni 1943.