Dr. Erna Friedländer

Location 
Mommsenstr. 23
District
Charlottenburg
Stone was laid
13 March 2012
Born
24 April 1894 in Kalkberge
Occupation
Chemikerin
Deportation
on 26 October 1942 to Riga
Murdered
29 October 1942 in Riga

Erna Friedländer wurde am 24. April 1894 in Kalkberge/Rüdersdorf bei Berlin (heute Rüdersdorf) geboren und war die Tochter von Ferdinand Friedländer und seiner Frau Bertha geb. Samson. Sie hatte zwei ältere Schwestern: Lina, geboren am 15. Dezember 1890, und Julia, geboren am 29. Januar 1892. Die Mutter Bertha Friedländer stammte aus Bernburg/Anhalt, der Vater Ferdinand war 1859 in Kalkberge geboren worden. Wie sein Vater Salomon war er Kalksteinhändler. Nach Salomons Tod 1889 übernahm Ferdinand Friedländer mit seinem Bruder Isidor das Unternehmen und etablierte eine Zweigstelle in Berlin in der Landsberger Straße 3, das Hauptkontor war weiterhin in Kalkberge/Rüdersdorf.<br />
1901 zog Ferdinand Friedländer mit seiner Familie nach Berlin in die Lessingstraße 13, in die ein Jahr zuvor auch das Geschäft für „Kalk, Kalksteine und Mauersteine“ verlegt worden war. Einige Jahre später, 1906, bezogen Friedländers eine 8-Zimmer-Wohnung in der Joachimsthaler Straße 19, der Betrieb befand sich inzwischen in der Joachimsthaler Straße 35. Am 24. April 1908 starb Bertha Friedländer, sie wurde in Weißensee beigesetzt. Die Töchter blieben mit dem Vater in der Joachimsthaler Straße wohnen.<br />
Die Töchter besuchten in Berlin das Dorotheen-Mädchenlyzeum. Erna setzte ihre Ausbildung am Auguste-Viktoria-Mädchengymnasium fort und bestand 1913 dort das Abitur. Sie zog nach dem Abitur nach Freiburg, um Chemie zu studieren, kehrte aber schon im Oktober 1913 nach Berlin zurück und setzte ihr Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität fort. Dort promovierte sie Anfang 1918, noch im Krieg, mit der Dissertation „Über Heteropolymolybdänate vierwertiger Elemente“. Als Chemikerin fand Erna zunächst Arbeit bei den Auer-Werken in Berlin. In dem von Carl Auer 1892 gegründeten Unternehmen wurden Gasglühstrümpfe und die 1898 patentierten Metallfadenlampen hergestellt. 1906 ließ Auer unter dem Namen Osram elektrische Glüh- und Bogenlichtlampen patentieren. Ab 1906 wurde das Glühlampenwerk an der Warschauer Straße gebaut (später Osram, in der DDR Narwa und heute „Oberbaum City“). Die Osram GmbH wurde mit Beteiligung von Siemens und AEG 1918 gegründet. Erna arbeitete vermutlich im Labor oder in einer Forschungsabteilung.<br />
Wir wissen nicht genau, wie lange Erna bei der Auer-Gesellschaft beschäftig war. Sie ging später nach Hamburg und arbeitete dort im Labor eines Dr. Heymann. In der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre kam sie nach Berlin zurück, Anlass war vermutlich der Tod ihres Vaters. Ferdinand Friedländer war am 27. Juli 1926 in Bad Kissingen gestorben, wo er wahrscheinlich zur Kur war. Er wurde neben seiner Frau in Berlin-Weißensee beigesetzt. Erna und ihre Schwester Lina lösten die Wohnung auf und bezogen eine kleinere in der Augustastraße 63 in Wilmersdorf (heute Blissestraße). Erna hatte nun Arbeit als Büroangestellte bei der Jüdischen Gemeinde gefunden, Lina führte den Haushalt. Diese Wohnung bewohnten Erna und Lina Friedländer noch 1937. Im Adressbuch 1938 ist zwar die Adresse Stenzelstraße 13/15 genannt, es handelt sich jedoch um die gleiche Wohnung. Die Straße wurde 1937 nach einem im Straßenkampf umgekommenen SA-Mann umbenannt, die Häusernummerierung geändert. (1947 erhielt die Straße dann den Namen Blissestraße). <br />
Ernas Schwester Julia, eine ausgebildete Kindergärtnerin, hatte im Mai 1914 den Gynäkologen Kurt Fleischer geheiratet. Sie wanderte mit ihrem Mann im November 1936 nach Palästina aus, da dieser in Berlin nicht mehr arbeiten konnte. Zuvor hatten sie schon ihre beiden Kinder nach Palästina geschickt. Erna besuchte Julia 1937 dort, kehrte jedoch nach Berlin zurück.<br />
Der Adressbucheintrag von 1938 ist die letzte Nennung von Erna Friedländer. Wie viele anderen Juden wurden die Schwestern infolge der wachsenden gesetzlichen und sozialen Diskriminierung genötigt, ihre Wohnung aufzugeben und in beengtere Verhältnisse in Untermiete zu wechseln. Die beiden Frauen mussten sich nun trennen. Möglich, dass sie zunächst noch beide in der Mommsenstraße 23 unterkamen, aber schon bei der Volkszählung im Mai 1939 – Juden wurden in einer Sonderkartei erfasst – ist dort nur Lina registriert, für Erna ist die Adresse Tile-Wardenberg-Straße 3-4 in Moabit angegeben. <br />
Erna Friedländer musste erleben, dass ihre Schwester im November 1941 deportiert wurde. Sie hörte nichts mehr von ihr. Als Angestellte der Jüdischen Gemeinde dürfte sie aber über das hoffnungslose Schicksal von Deportierten im Bilde gewesen sein. Sie selber musste am 21. Oktober 1942 die „Vermögenserklärung“ unterschreiben, die der Deportation stets unmittelbar vorausging. Sie hatte abermals umziehen müssen und bewohnte nun ein Zimmer zur Untermiete bei Lane Kadisch in der Solinger Straße 3. Viel Vermögen konnte sie allerdings in der Erklärung nicht mehr angeben. Sie verdiente zwar als Büroangestellte bei der Jüdischen Kultusvereinigung ein bescheidenes, aber festes Gehalt und ihr war die Zwangsarbeit erspart geblieben. Schmuck und Wertgegenstände hatte sie aber schon im Februar 1939 abgeben müssen, über Wertpapiere und Bankkonten durften Juden nicht mehr frei verfügen, lediglich das festgelegte Minimum für die Existenz konnten sie abheben. Die Wohnungseinrichtung in der Augustastraße hatten sie und Lina gezwungenermaßen zu niedrigen Preisen verkaufen müssen, da sie die Möbel nicht in ihre Zimmer mitnehmen konnten. In dem Formular gab Erna noch an, dass aus dem gemeinsamen Haushalt „alle aus- oder abgewandert“ seien – „Abwanderung“ war einer der verschleiernden NS-Euphemismen für die Deportation.<br />
Erna Friedländer wurde am 24. Oktober 1942 in die als Sammelstelle missbrauchte Synagoge Levetzowstraße 7–8 gebracht und zwei Tage darauf vom Güterbahnhof Moabit aus mit 797 weiteren Opfern nach Riga deportiert. Unter ihnen waren außer Erna mindestens noch 203 Angestellte der Jüdischen Gemeinde (nach anderer Quelle 354) mit ihren Angehörigen, weswegen die Gestapo auch von der „Gemeindeaktion“ sprach. Bei Ankunft in Riga am 29. Oktober wurden alle Insassen des Zuges in den umliegenden Wäldern ermordet.<br />
Ernas letzte Vermieterin, Lane Kadisch geb. Klein, wurde am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.<br />
Julia Fleischer geb. Friedländer, Ernas Schwester, stellte in den 1950er-Jahren mehrere Wiedergutmachungs- und Entschädigungsanträge gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Verfahren zogen sich jahrelang hin, wurden teilweise eingestellt bzw. endeten mit der Auszahlung geringer Beträge.<br />
Frank Fleischer, der Sohn von Julia, widmete 1999 seiner Tante Erna Friedländer ein Gedenkblatt bei Yad Vashem.<br />
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Erna Friedländer wurde am 24. April 1894 in Kalkberge/Rüdersdorf bei Berlin (heute Rüdersdorf) geboren und war die Tochter von Ferdinand Friedländer und seiner Frau Bertha geb. Samson. Sie hatte zwei ältere Schwestern: Lina, geboren am 15. Dezember 1890, und Julia, geboren am 29. Januar 1892. Die Mutter Bertha Friedländer stammte aus Bernburg/Anhalt, der Vater Ferdinand war 1859 in Kalkberge geboren worden. Wie sein Vater Salomon war er Kalksteinhändler. Nach Salomons Tod 1889 übernahm Ferdinand Friedländer mit seinem Bruder Isidor das Unternehmen und etablierte eine Zweigstelle in Berlin in der Landsberger Straße 3, das Hauptkontor war weiterhin in Kalkberge/Rüdersdorf.
1901 zog Ferdinand Friedländer mit seiner Familie nach Berlin in die Lessingstraße 13, in die ein Jahr zuvor auch das Geschäft für „Kalk, Kalksteine und Mauersteine“ verlegt worden war. Einige Jahre später, 1906, bezogen Friedländers eine 8-Zimmer-Wohnung in der Joachimsthaler Straße 19, der Betrieb befand sich inzwischen in der Joachimsthaler Straße 35. Am 24. April 1908 starb Bertha Friedländer, sie wurde in Weißensee beigesetzt. Die Töchter blieben mit dem Vater in der Joachimsthaler Straße wohnen.
Die Töchter besuchten in Berlin das Dorotheen-Mädchenlyzeum. Erna setzte ihre Ausbildung am Auguste-Viktoria-Mädchengymnasium fort und bestand 1913 dort das Abitur. Sie zog nach dem Abitur nach Freiburg, um Chemie zu studieren, kehrte aber schon im Oktober 1913 nach Berlin zurück und setzte ihr Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität fort. Dort promovierte sie Anfang 1918, noch im Krieg, mit der Dissertation „Über Heteropolymolybdänate vierwertiger Elemente“. Als Chemikerin fand Erna zunächst Arbeit bei den Auer-Werken in Berlin. In dem von Carl Auer 1892 gegründeten Unternehmen wurden Gasglühstrümpfe und die 1898 patentierten Metallfadenlampen hergestellt. 1906 ließ Auer unter dem Namen Osram elektrische Glüh- und Bogenlichtlampen patentieren. Ab 1906 wurde das Glühlampenwerk an der Warschauer Straße gebaut (später Osram, in der DDR Narwa und heute „Oberbaum City“). Die Osram GmbH wurde mit Beteiligung von Siemens und AEG 1918 gegründet. Erna arbeitete vermutlich im Labor oder in einer Forschungsabteilung.
Wir wissen nicht genau, wie lange Erna bei der Auer-Gesellschaft beschäftig war. Sie ging später nach Hamburg und arbeitete dort im Labor eines Dr. Heymann. In der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre kam sie nach Berlin zurück, Anlass war vermutlich der Tod ihres Vaters. Ferdinand Friedländer war am 27. Juli 1926 in Bad Kissingen gestorben, wo er wahrscheinlich zur Kur war. Er wurde neben seiner Frau in Berlin-Weißensee beigesetzt. Erna und ihre Schwester Lina lösten die Wohnung auf und bezogen eine kleinere in der Augustastraße 63 in Wilmersdorf (heute Blissestraße). Erna hatte nun Arbeit als Büroangestellte bei der Jüdischen Gemeinde gefunden, Lina führte den Haushalt. Diese Wohnung bewohnten Erna und Lina Friedländer noch 1937. Im Adressbuch 1938 ist zwar die Adresse Stenzelstraße 13/15 genannt, es handelt sich jedoch um die gleiche Wohnung. Die Straße wurde 1937 nach einem im Straßenkampf umgekommenen SA-Mann umbenannt, die Häusernummerierung geändert. (1947 erhielt die Straße dann den Namen Blissestraße).
Ernas Schwester Julia, eine ausgebildete Kindergärtnerin, hatte im Mai 1914 den Gynäkologen Kurt Fleischer geheiratet. Sie wanderte mit ihrem Mann im November 1936 nach Palästina aus, da dieser in Berlin nicht mehr arbeiten konnte. Zuvor hatten sie schon ihre beiden Kinder nach Palästina geschickt. Erna besuchte Julia 1937 dort, kehrte jedoch nach Berlin zurück.
Der Adressbucheintrag von 1938 ist die letzte Nennung von Erna Friedländer. Wie viele anderen Juden wurden die Schwestern infolge der wachsenden gesetzlichen und sozialen Diskriminierung genötigt, ihre Wohnung aufzugeben und in beengtere Verhältnisse in Untermiete zu wechseln. Die beiden Frauen mussten sich nun trennen. Möglich, dass sie zunächst noch beide in der Mommsenstraße 23 unterkamen, aber schon bei der Volkszählung im Mai 1939 – Juden wurden in einer Sonderkartei erfasst – ist dort nur Lina registriert, für Erna ist die Adresse Tile-Wardenberg-Straße 3-4 in Moabit angegeben.
Erna Friedländer musste erleben, dass ihre Schwester im November 1941 deportiert wurde. Sie hörte nichts mehr von ihr. Als Angestellte der Jüdischen Gemeinde dürfte sie aber über das hoffnungslose Schicksal von Deportierten im Bilde gewesen sein. Sie selber musste am 21. Oktober 1942 die „Vermögenserklärung“ unterschreiben, die der Deportation stets unmittelbar vorausging. Sie hatte abermals umziehen müssen und bewohnte nun ein Zimmer zur Untermiete bei Lane Kadisch in der Solinger Straße 3. Viel Vermögen konnte sie allerdings in der Erklärung nicht mehr angeben. Sie verdiente zwar als Büroangestellte bei der Jüdischen Kultusvereinigung ein bescheidenes, aber festes Gehalt und ihr war die Zwangsarbeit erspart geblieben. Schmuck und Wertgegenstände hatte sie aber schon im Februar 1939 abgeben müssen, über Wertpapiere und Bankkonten durften Juden nicht mehr frei verfügen, lediglich das festgelegte Minimum für die Existenz konnten sie abheben. Die Wohnungseinrichtung in der Augustastraße hatten sie und Lina gezwungenermaßen zu niedrigen Preisen verkaufen müssen, da sie die Möbel nicht in ihre Zimmer mitnehmen konnten. In dem Formular gab Erna noch an, dass aus dem gemeinsamen Haushalt „alle aus- oder abgewandert“ seien – „Abwanderung“ war einer der verschleiernden NS-Euphemismen für die Deportation.
Erna Friedländer wurde am 24. Oktober 1942 in die als Sammelstelle missbrauchte Synagoge Levetzowstraße 7–8 gebracht und zwei Tage darauf vom Güterbahnhof Moabit aus mit 797 weiteren Opfern nach Riga deportiert. Unter ihnen waren außer Erna mindestens noch 203 Angestellte der Jüdischen Gemeinde (nach anderer Quelle 354) mit ihren Angehörigen, weswegen die Gestapo auch von der „Gemeindeaktion“ sprach. Bei Ankunft in Riga am 29. Oktober wurden alle Insassen des Zuges in den umliegenden Wäldern ermordet.
Ernas letzte Vermieterin, Lane Kadisch geb. Klein, wurde am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Julia Fleischer geb. Friedländer, Ernas Schwester, stellte in den 1950er-Jahren mehrere Wiedergutmachungs- und Entschädigungsanträge gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Verfahren zogen sich jahrelang hin, wurden teilweise eingestellt bzw. endeten mit der Auszahlung geringer Beträge.
Frank Fleischer, der Sohn von Julia, widmete 1999 seiner Tante Erna Friedländer ein Gedenkblatt bei Yad Vashem.