Simon Chaim

Location 
Trautenaustr. 20
District
Wilmersdorf
Stone was laid
29 April 2012
Born
05 August 1879 in Posen / Poznań
Occupation
Schneidermeister
Deportation
on 03 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz
Edgar Chaim Brief (50.79 KB)

Am 5. August 1879 wurde Simon Chaim in Posen (polnisch Poznan) geboren. Die Eltern waren der Glasermeister Lewin Chaim und Berta Chaim geb.Licht. Simon hatte einen älteren Bruder, David, der am 12. März 1875 auf die Welt gekommen war. Bei Davids Geburt war der Vater als Bäckermeister in der Geburtsurkunde eingetragen.

Die Söhne David und Simon zogen nach Berlin, beide wohnten in Wilmersdorf, Simon in der Trautenaustraße 1 und sein Bruder in der Kaiserallee 48a (heute Bundesallee).

Simon erlernte das Schneiderhandwerk, als Schneidermeister war er im Kaufhaus Hermann Tietz in der Leipziger Straße in der Damenkonfektion tätig. 

Im Hause seines Bruders David lernte er Betty Becker kennen, sie war die Schwester von Davids Ehefrau Else und wohnte im selben Haushalt. Betty war damals als Haushaltshilfe und Kinderfrau des Ehepaares Julius und Jenny Philippi tätig. Der Fabrikant Julius Philippi war Eigentümer des Hauses Trautenaustraße 20 und wohnte mit Frau und den beiden Kindern Edgar und Marcelle in einer repräsentativen 10- Zimmerwohnung im 3. Stock. Offenbar fühlte sich das Ehepaar Philippi Betty Becker in Dankbarkeit für ihre 22 Jahre währende Arbeit verbunden, denn nach der Hochzeit von Simon und Betty am 10. April 1919 teilten sie von ihren zehn Zimmern zwei Zimmer mit einer großen Küche ab und stellten sie ihnen als Wohnung zur Verfügung. Auch bei der Einrichtung griff ihnen Jenny Philippi unter die Arme.

Am 20. Juli 1923 wurde das einzige Kind Edgar geboren, die Eltern waren bei der Geburt schon 45 bzw. 44 Jahre alt. 

1933 verlor Simon seine Anstellung bei der Firma Hermann Tietz. Im Rahmen des Boykotts jüdischer Geschäfte erlitt das Kaufhaus Tietz einen Niedergang und musste einen großen Teil seiner Mitarbeiter entlassen. 

Simon Chaim hatte zunächst Glück im Unglück. Er richtete in der großen Küche seiner Wohnung seine eigene Schneiderwerkstatt ein und baute so seinen eigenen Kundenkreis auf.

1938 musste sein Sohn Edgar die Schule verlassen und nach kurzem Besuch der berufsbildenden Schule ORT war für ihn eine weitere Ausbildung zum Werkzeugschlosser nicht mehr möglich. Die Eltern Chaim schickten ihn mit einem Kindertransport zunächst nach Köln. Für den 15-Jährigen begann eine Odyssee durch Belgien und Frankreich, die er selbst in einem Brief an die Entschädigungsbehörde ausführlich beschreibt.

Simon Chaim wurde in der darauffolgenden Zeit zur Zwangsarbeit herangezogen. Er musste in der „Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik“ für einen mageren Wochenlohn von 25 RM schuften. Für eine weitere Heimarbeit als Schneider dürften seine Kräfte nicht ausgereicht haben.

Am 27. Februar 1943 begann die „Fabrikaktion“, bei der die Gestapo und die SS jüdische Zwangsarbeiter aus den Fabriken holten und in Sammellager in der ganzen Stadt brachten. Simon Chaim wurde im Zuge dieser Verhaftungsaktion in die Synagoge Levetzowstraße verbracht, wo er bis zu seiner Deportation am 3. März ausharren musste. 

Noch während dieser Tage zwang ihn die Gestapo, die vor der Deportation obligatorische „Vermögenserklärung“ auszufüllen. Simon unterschrieb diese Erklärung, in der er Seite für Seite durchstrich, am 1. März 1943. Noch am selben Tag erreichte ihn die vom Obergerichtsvollzieher unterzeichnete Zustellungsurkunde mit Adresse Levetzowstraße 8 über die Einziehung seines gesamten Vermögens zugunsten des Deutschen Reiches, obwohl er keinerlei Vermögen angegeben hatte. Erst im Mai 1943 wurde das Wohnungsinventar der Familie Chaim beschlagnahmt und der Wert vom Obergerichtsvollzieher auf 241,- RM taxiert.

Simon Chaim wurde mit einem 1726 Menschen umfassenden Transport am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Es war der dritte Transport aus Berlin nach der Fabrikaktion.

Es ist unklar, wo sich seine Frau in den Tagen der Ungewissheit über Simons Verbleib aufhielt. Sie selbst wurde 3 Tage später, am 6. März ebenfalls nach Auschwitz verschleppt und ermordet.