Helene Cohn

Location 
Czarnikauer Str. 12
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
18 March 2011
Born
23 December 1910 in Berlin
Occupation
Verkäuferin
Deportation
on 29 October 1941 to Łódź / Litzmannstadt
Murdered
05 May 1942 in Chełmno / Kulmhof

Helene Cohn und ihre Zwillingschwester Helga wurden am 23. Dezember 1910 in Berlin geboren. Sie waren die Töchter der 1878 geborenen, aus Czempin (dem heutigen polnischen Czempiń) stammenden Bertha Cohn, geborene Korytowski, und des aus Hamburg stammenden Kaufmanns John Cohn. Bertha und John Cohn hatten 1907 im sächsischen Markneukirchen geheiratet. Ein Jahr später war ihr erstes Kind, Ruth, zur Welt gekommen. Mit dem Kind zog die Familie zunächst nach Frankfurt am Main und dann nach Berlin, wo sie eine Wohnung in der Friesenstraße 13 nahe dem Volkspark Schönholz bezogen. Dort kam nach den Zwillingen 1914 auch der Bruder Harry Cohn zur Welt. 1916 zog die Familie in eine Wohnung in der ersten Etage der Czarnikauer Straße 12 in der Nähe des Arnimplatzes im Prenzlauer Berg. Hier verbrachten Helene und Helga Cohn mit ihren Geschwistern ihre Kindheit. Ob ihr Vater im Ersten Weltkrieg rekrutiert wurde, ist nicht belegt. Aber der Krieg forderte Opfer in der weitverzweigten Familie ihrer Mutter, die das jüngste von acht Kindern des Kaufmanns Leib (Louis oder Ludwig) Korytowski und seiner Frau Rieke, geborene Rotholz, war. Helenes Onkel Isedor wurde 1915 an der Front schwer verletzt, ihr Onkel Hermann geriet 1917 in Gefangenschaft und ihr Cousin Bruno, der Sohn Hermanns, wurde im Mai 1917 bei Kampfhandlungen getötet. Helene und Helga durchlitten mit ihrer Familie den Hunger des sogenannten Steckrübenwinters 1916/1917 in Berlin.<br />
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Nach dem Ende des Krieges verbesserte sich die Situation der Familie. John Cohn arbeitete als kaufmännischer Schreiber, wurde 1920 Bürogehilfe und ein Jahr später Hilfsbeamter in der Berliner Magistratur. 1922/1923 wurde er als Beamter vereidigt, verstarb aber noch im Jahr 1923. Helene Cohn war zu diesem Zeitpunkt 12 Jahre alt. Ihr Vater wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. Nach dem Tod ihres Vaters eröffnete ihre Mutter Mitte der 1920er-Jahre ein kleines Lebensmittelgeschäft in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Wohnung in der Czarnikauer Straße 11. Helene und Helga arbeiteten nach Schulabschluss und Ausbildung als Verkäuferinnen im KaDeWe. 1928 heiratete ihre Schwester Ruth ihren Cousin Alfred Korytowski, den Sohn des Bruders von Bertha Cohn, und zog mit ihm zu seiner Familie nach Breslau. Bruder Harry und seine 1916 geborene Ehefrau Liselotte Bütow emigrierten 1938 nach Belgien. Ihnen folgte 1939 auch Helenes Schwester Ruth Korytowski mit Ehemann und den 1929 und 1931 geborenen Kindern Horst und Renate aus Breslau nach. Auf einer Zwischenstation in Berlin kam sie mit der Familie in der Czarnikauer Straße 12 unter. Hier sahen sich die Schwestern ein letztes Mal. In Berlin blieben die ledigen Zwillingsschwestern Helene und Helga, die sich um ihre verwitwete Mutter Bertha kümmerten.<br />
<br />
Nach Angaben der Familie hatten die drei Frauen ein sehr inniges Verhältnis zueinander Als die Mutter im Herbst 1941 den Deportationsbescheid erhielt, sollen ihre Töchter, die ursprünglich nicht für den Transport vorgesehen gewesen waren, sich selbst gemeldet haben, um ihre Mutter nicht allein zu lassen. Zuvor hatten sie alle Zwangsmaßnahmen erdulden müssen, die mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – einhergingen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Erlasse und Sondergesetze drängte die Cohns in die Position von Rechtlosen. Zuletzt mussten sie in Berlin Zwangsarbeit leisten und konnten sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.<br />
<br />
Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlin mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Für diese ersten Deportationen aus der Hauptstadt hatte man auch Bertha Cohn und ihre Töchter vorgesehen. Im Oktober 1941 wurden Helene, Helga und Bertha Cohn von Polizisten der Stapoleitstelle und der Kriminalpolizei aus ihrer Wohnung in der Czarnikauer Straße in das provisorisch umfunktionierte Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7-8 verbracht. Unter der Kontrolle der Gestapo erfolgte hier die organisatorische Vorbereitung der Transporte sowie der Einzug der Vermögen. Am 29. Oktober 1941 wurden die drei Frauen über den Güterbahnhof Berlin-Grunewald mit dem 3. „Osttransport“ ins Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Im Ghetto wies man ihnen eine Baracke in der Reiterstraße 21/23 zu. Am 5. Mai 1942 verschleppte man sie von dort weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno), wo alle drei – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet wurden.<br />
<br />
Auch die nach Belgien emigrierte Schwester Ruth fiel mit ihrer Familie den Nationalsozialisten zum Opfer. Am 24. Oktober 1942 wurde sie mit ihrem 13-jährigen Sohn und der 11-jährigen Tochter aus Mecheln (Malines) in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Ehemann war zwei Monate zuvor deportiert und in Auschwitz ermordet worden. Als einziger der näheren Familienangehörigen von Helene überlebte ihr jüngerer Bruder Harry die NS-Verfolgung. Ihm gelang vor der bevorstehenden Deportation nach Auschwitz die Flucht aus dem belgischen Internierungslager.

Helene Cohn und ihre Zwillingschwester Helga wurden am 23. Dezember 1910 in Berlin geboren. Sie waren die Töchter der 1878 geborenen, aus Czempin (dem heutigen polnischen Czempiń) stammenden Bertha Cohn, geborene Korytowski, und des aus Hamburg stammenden Kaufmanns John Cohn. Bertha und John Cohn hatten 1907 im sächsischen Markneukirchen geheiratet. Ein Jahr später war ihr erstes Kind, Ruth, zur Welt gekommen. Mit dem Kind zog die Familie zunächst nach Frankfurt am Main und dann nach Berlin, wo sie eine Wohnung in der Friesenstraße 13 nahe dem Volkspark Schönholz bezogen. Dort kam nach den Zwillingen 1914 auch der Bruder Harry Cohn zur Welt. 1916 zog die Familie in eine Wohnung in der ersten Etage der Czarnikauer Straße 12 in der Nähe des Arnimplatzes im Prenzlauer Berg. Hier verbrachten Helene und Helga Cohn mit ihren Geschwistern ihre Kindheit. Ob ihr Vater im Ersten Weltkrieg rekrutiert wurde, ist nicht belegt. Aber der Krieg forderte Opfer in der weitverzweigten Familie ihrer Mutter, die das jüngste von acht Kindern des Kaufmanns Leib (Louis oder Ludwig) Korytowski und seiner Frau Rieke, geborene Rotholz, war. Helenes Onkel Isedor wurde 1915 an der Front schwer verletzt, ihr Onkel Hermann geriet 1917 in Gefangenschaft und ihr Cousin Bruno, der Sohn Hermanns, wurde im Mai 1917 bei Kampfhandlungen getötet. Helene und Helga durchlitten mit ihrer Familie den Hunger des sogenannten Steckrübenwinters 1916/1917 in Berlin.

Nach dem Ende des Krieges verbesserte sich die Situation der Familie. John Cohn arbeitete als kaufmännischer Schreiber, wurde 1920 Bürogehilfe und ein Jahr später Hilfsbeamter in der Berliner Magistratur. 1922/1923 wurde er als Beamter vereidigt, verstarb aber noch im Jahr 1923. Helene Cohn war zu diesem Zeitpunkt 12 Jahre alt. Ihr Vater wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. Nach dem Tod ihres Vaters eröffnete ihre Mutter Mitte der 1920er-Jahre ein kleines Lebensmittelgeschäft in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Wohnung in der Czarnikauer Straße 11. Helene und Helga arbeiteten nach Schulabschluss und Ausbildung als Verkäuferinnen im KaDeWe. 1928 heiratete ihre Schwester Ruth ihren Cousin Alfred Korytowski, den Sohn des Bruders von Bertha Cohn, und zog mit ihm zu seiner Familie nach Breslau. Bruder Harry und seine 1916 geborene Ehefrau Liselotte Bütow emigrierten 1938 nach Belgien. Ihnen folgte 1939 auch Helenes Schwester Ruth Korytowski mit Ehemann und den 1929 und 1931 geborenen Kindern Horst und Renate aus Breslau nach. Auf einer Zwischenstation in Berlin kam sie mit der Familie in der Czarnikauer Straße 12 unter. Hier sahen sich die Schwestern ein letztes Mal. In Berlin blieben die ledigen Zwillingsschwestern Helene und Helga, die sich um ihre verwitwete Mutter Bertha kümmerten.

Nach Angaben der Familie hatten die drei Frauen ein sehr inniges Verhältnis zueinander Als die Mutter im Herbst 1941 den Deportationsbescheid erhielt, sollen ihre Töchter, die ursprünglich nicht für den Transport vorgesehen gewesen waren, sich selbst gemeldet haben, um ihre Mutter nicht allein zu lassen. Zuvor hatten sie alle Zwangsmaßnahmen erdulden müssen, die mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – einhergingen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Erlasse und Sondergesetze drängte die Cohns in die Position von Rechtlosen. Zuletzt mussten sie in Berlin Zwangsarbeit leisten und konnten sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlin mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Für diese ersten Deportationen aus der Hauptstadt hatte man auch Bertha Cohn und ihre Töchter vorgesehen. Im Oktober 1941 wurden Helene, Helga und Bertha Cohn von Polizisten der Stapoleitstelle und der Kriminalpolizei aus ihrer Wohnung in der Czarnikauer Straße in das provisorisch umfunktionierte Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7-8 verbracht. Unter der Kontrolle der Gestapo erfolgte hier die organisatorische Vorbereitung der Transporte sowie der Einzug der Vermögen. Am 29. Oktober 1941 wurden die drei Frauen über den Güterbahnhof Berlin-Grunewald mit dem 3. „Osttransport“ ins Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Im Ghetto wies man ihnen eine Baracke in der Reiterstraße 21/23 zu. Am 5. Mai 1942 verschleppte man sie von dort weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno), wo alle drei – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet wurden.

Auch die nach Belgien emigrierte Schwester Ruth fiel mit ihrer Familie den Nationalsozialisten zum Opfer. Am 24. Oktober 1942 wurde sie mit ihrem 13-jährigen Sohn und der 11-jährigen Tochter aus Mecheln (Malines) in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Ehemann war zwei Monate zuvor deportiert und in Auschwitz ermordet worden. Als einziger der näheren Familienangehörigen von Helene überlebte ihr jüngerer Bruder Harry die NS-Verfolgung. Ihm gelang vor der bevorstehenden Deportation nach Auschwitz die Flucht aus dem belgischen Internierungslager.