Vera Seidel

Location 
Isländische Str. 17
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
18 March 2011
Born
23 July 1930 in Berlin
Deportation
on 19 October 1942 to Riga
Murdered
22 October 1942 in Riga

Vera Seidel wurde am 23. Juli 1930 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Berliner Kaufmanns Alfred Seidel und seiner aus dem schlesischen Oppeln (dem heutigen Opole) stammenden Ehefrau Johanna, geborene Juliusberger. Ihre Eltern hatten im Juni 1926 in Oppeln geheiratet, wo sich Alfred vermutlich geschäftlich aufgehalten und Johanna kennengelernt hatte. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes Horst Wolfgang, 1927, zogen die Seidels nach Berlin, wo die Schwestern Inge und Vera Seidel 1929 und 1930 geboren wurden. In der Hauptstadt war der größte Teil des Familienzweigs von Veras Vater ansässig. Ihr Großvater Joseph Seidel war Kaufmann und lebte mit seiner Frau Bertha, geborene Itzig, in der Eberswalder Straße 30/31, wo er in den 1920er-Jahren einen Reifendienst unterhalten hatte, bevor er 1931 in die Lychener Straße 70 umzog. Ihr Onkel Hans Seidel war Polizeibeamter und auch ihre Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, lebte mit ihrem Ehemann in Berlin. Vera wuchs im Kreis ihrer beiden Geschwister im Prenzlauer Berg auf. Ihre Eltern hatten nach der Ankunft in Berlin zunächst in der Wisbyer Straße 26e gelebt, bevor die größer gewordene Familie 1932 in die Isländische Straße 17 umzog. Über die ersten Kindheitsjahre von Vera Seidel und ihrer Geschwister im Berlin der letzten Jahre der Weimarer Republik haben sich kaum Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde Berlins.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seidel. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Für die Kinder waren die Diskriminierungen zunächst vor allem im Schulalltag und im Bildungswesen spürbar. Horst Wolfgang ist 1933 eingeschult worden, Inge 1935 und Vera zu Ostern 1936. Bereits 1933 hatte das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Möglichkeiten einer höheren Bildung für jüdische Schüler und Schülerinnen eingeschränkt. Ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor und nach den Pogromen im November 1938 wurde jüdischen Kindern und Jugendlichen der Besuch von öffentlichen Schulen grundsätzlich verboten. Horst Wolfgang, Inge und Vera besuchten jüdische Volksschulen, die unter immer schwierigeren Bedingungen vereinzelt noch bis in die Jahre 1941/1942 den Unterricht aufrechterhalten konnten. Sicher versuchten ihre Eltern den Kindern in der Familie Schutzräume zu bieten, aber vor den existentiellen Nöten, die das Leben in Berlin immer mehr zum Überlebenskampf machten, konnten sie diese nicht gänzlich abschirmen.. Während sich für Veras Vater in den ersten NS-Jahren noch berufliche Chancen boten – er war 1933/1934 als Versicherungsoberinspektor tätig und leitete 1934/1935 eine Versicherungs-Generalagentur in Berlin – war ihr Onkel im Polizeidienst vom „Arierparagraphen“ des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ betroffen. Formal noch bis 1935 im Dienst, wurde er kurz nach seinem Zwangsausscheiden Ende 1935 verhaftet. Er war einer der Sachsenhausener Häftlinge, die gezwungen wurden, im Juli 1937 das Konzentrationslager Buchenwald zu errichten.<br />
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Für die Familie bedeutete die Verhaftung von Hans sicher eine Zäsur, die jeden Zweifel an der Durchsetzung willkürlicher Gewalt gegen sie ausräumen musste. Ob Alfred und Johanna Seidel in der Folge konkrete Schritte unternahmen, mit den Kindern das Land zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten Pläne bestanden haben, so scheiterten diese. Nach den Pogromen im November 1938 in Berlin und auch in Oppeln, wo die seit 1936 verwitwete Großmutter Karoline Juliusberger, geborene Glass, mit ihrem Sohn Emanuel Markus Juliusberger lebte, wurde ihr Onkel Kurt Seidel in München Gladbach (heute Mönchengladbach) verhaftet und in einem städtischen Zuchthaus inhaftiert. Noch 1939 oder Anfang 1940 floh Alfred Seidel aus Berlin, vermutlich vor seiner drohenden Verhaftung, Richtung Süden. Er wurde in Österreich aufgegriffen und am 13. Juni 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen/Oranienburg deportiert. In Berlin war Veras Mutter seit März 1939 zu Zwangsarbeit verpflichtet worden. Sie musste im Goerzwerk von Zeiss Ikon in Zehlendorf als Montiererin arbeiten. Nach der Verhaftung ihres Vaters wurden Vera, ihre Schwester und ihr Bruder auf eine andere Schule geschickt, möglicherweise damit die Geschwister sich gegenseitig einen gewissen Schutz bieten konnten. Sie besuchten jetzt gemeinsam die 5. Jüdische Volksschule in Pankow, bis diese Ende Juni 1942 schließen musste. Daneben arbeiteten die minderjährigen Geschwister als sogenannte jugendliche Helfer bei Institutionen der Jüdischen Gemeinde: Vera und Inge im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 im Wedding, Horst Wolfgang als Gärtner der Jüdischen Kultusvereinigung. 1940 oder 1941 wurde ihr Vater Alfred aus Sachsenhausen weiter in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo der 37-Jährige am 30. September 1941 ermordet wurde. Kurz vor ihrer eigenen Deportation mussten die Geschwister noch die Deportation ihrer Großmutter aus einem Berliner Altersheim nach Theresienstadt miterleben. Vera Seidel wurde mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter am 19. Oktober 1942 mit dem „21. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Ghetto Riga deportiert. Dort angekommen, wurden die vier unmittelbar nach ihrer Ankunft am Morgen des 22. Oktobers 1942 in den umliegenden Wäldern erschossen. Vera Seidel wurde zwölf Jahre alt, ihre Schwester Vera 13, ihr Bruder Horst Wolfgang 15.<br />
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Nur wenige der Familienangehörigen von Vera überlebten die NS-Verfolgung. Ihre Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, war am 25. Januar 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Ihr Onkel Kurt Seidel war im Februar 1942 in das KZ Mauthausen deportiert und dort umgebracht worden. Das Schicksal von dessen 1938 geborener Tochter Margarete und ihrer Mutter ist ungeklärt. Ihre Großmutter Karoline Juliusberger war 1941 in Oppeln verstorben. Ihre Großmutter Bertha Seidel, geborene Itzig, überlebte die Deportation nach Theresienstadt kaum drei Wochen. Ihr Totenschein gibt den 6. September 1942 als Todestag an. Veras Onkel Hans Seidel war 1938 aus Buchenwald geflohen, erlebte das Kriegsende versteckt in Berlin und emigrierte später mit seiner Frau in die USA. Das Schicksal von Veras Tante Elfriede Juliusberger, verheiratete Schuba, ihres Ehemannes Karl Schuba und ihres Onkels Emanuel Markus Juliusberger ist ungeklärt. Ihre Tante Margarete Juliusberger, verheiratete Faerber, deren Ehemann Manfred Faerber und deren 1920 und 1924 geborene Kinder Albert und Gerda wurden 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Margaretes und Manfreds zweiter Sohn Gunter überlebte im Exil. Er konnte vermutlich mit einem Kindertransport nach England gerettet werden, wo er sich nach dem Krieg aufhielt.

Vera Seidel wurde am 23. Juli 1930 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Berliner Kaufmanns Alfred Seidel und seiner aus dem schlesischen Oppeln (dem heutigen Opole) stammenden Ehefrau Johanna, geborene Juliusberger. Ihre Eltern hatten im Juni 1926 in Oppeln geheiratet, wo sich Alfred vermutlich geschäftlich aufgehalten und Johanna kennengelernt hatte. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes Horst Wolfgang, 1927, zogen die Seidels nach Berlin, wo die Schwestern Inge und Vera Seidel 1929 und 1930 geboren wurden. In der Hauptstadt war der größte Teil des Familienzweigs von Veras Vater ansässig. Ihr Großvater Joseph Seidel war Kaufmann und lebte mit seiner Frau Bertha, geborene Itzig, in der Eberswalder Straße 30/31, wo er in den 1920er-Jahren einen Reifendienst unterhalten hatte, bevor er 1931 in die Lychener Straße 70 umzog. Ihr Onkel Hans Seidel war Polizeibeamter und auch ihre Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, lebte mit ihrem Ehemann in Berlin. Vera wuchs im Kreis ihrer beiden Geschwister im Prenzlauer Berg auf. Ihre Eltern hatten nach der Ankunft in Berlin zunächst in der Wisbyer Straße 26e gelebt, bevor die größer gewordene Familie 1932 in die Isländische Straße 17 umzog. Über die ersten Kindheitsjahre von Vera Seidel und ihrer Geschwister im Berlin der letzten Jahre der Weimarer Republik haben sich kaum Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde Berlins.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seidel. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Für die Kinder waren die Diskriminierungen zunächst vor allem im Schulalltag und im Bildungswesen spürbar. Horst Wolfgang ist 1933 eingeschult worden, Inge 1935 und Vera zu Ostern 1936. Bereits 1933 hatte das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Möglichkeiten einer höheren Bildung für jüdische Schüler und Schülerinnen eingeschränkt. Ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor und nach den Pogromen im November 1938 wurde jüdischen Kindern und Jugendlichen der Besuch von öffentlichen Schulen grundsätzlich verboten. Horst Wolfgang, Inge und Vera besuchten jüdische Volksschulen, die unter immer schwierigeren Bedingungen vereinzelt noch bis in die Jahre 1941/1942 den Unterricht aufrechterhalten konnten. Sicher versuchten ihre Eltern den Kindern in der Familie Schutzräume zu bieten, aber vor den existentiellen Nöten, die das Leben in Berlin immer mehr zum Überlebenskampf machten, konnten sie diese nicht gänzlich abschirmen.. Während sich für Veras Vater in den ersten NS-Jahren noch berufliche Chancen boten – er war 1933/1934 als Versicherungsoberinspektor tätig und leitete 1934/1935 eine Versicherungs-Generalagentur in Berlin – war ihr Onkel im Polizeidienst vom „Arierparagraphen“ des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ betroffen. Formal noch bis 1935 im Dienst, wurde er kurz nach seinem Zwangsausscheiden Ende 1935 verhaftet. Er war einer der Sachsenhausener Häftlinge, die gezwungen wurden, im Juli 1937 das Konzentrationslager Buchenwald zu errichten.

Für die Familie bedeutete die Verhaftung von Hans sicher eine Zäsur, die jeden Zweifel an der Durchsetzung willkürlicher Gewalt gegen sie ausräumen musste. Ob Alfred und Johanna Seidel in der Folge konkrete Schritte unternahmen, mit den Kindern das Land zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten Pläne bestanden haben, so scheiterten diese. Nach den Pogromen im November 1938 in Berlin und auch in Oppeln, wo die seit 1936 verwitwete Großmutter Karoline Juliusberger, geborene Glass, mit ihrem Sohn Emanuel Markus Juliusberger lebte, wurde ihr Onkel Kurt Seidel in München Gladbach (heute Mönchengladbach) verhaftet und in einem städtischen Zuchthaus inhaftiert. Noch 1939 oder Anfang 1940 floh Alfred Seidel aus Berlin, vermutlich vor seiner drohenden Verhaftung, Richtung Süden. Er wurde in Österreich aufgegriffen und am 13. Juni 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen/Oranienburg deportiert. In Berlin war Veras Mutter seit März 1939 zu Zwangsarbeit verpflichtet worden. Sie musste im Goerzwerk von Zeiss Ikon in Zehlendorf als Montiererin arbeiten. Nach der Verhaftung ihres Vaters wurden Vera, ihre Schwester und ihr Bruder auf eine andere Schule geschickt, möglicherweise damit die Geschwister sich gegenseitig einen gewissen Schutz bieten konnten. Sie besuchten jetzt gemeinsam die 5. Jüdische Volksschule in Pankow, bis diese Ende Juni 1942 schließen musste. Daneben arbeiteten die minderjährigen Geschwister als sogenannte jugendliche Helfer bei Institutionen der Jüdischen Gemeinde: Vera und Inge im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 im Wedding, Horst Wolfgang als Gärtner der Jüdischen Kultusvereinigung. 1940 oder 1941 wurde ihr Vater Alfred aus Sachsenhausen weiter in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo der 37-Jährige am 30. September 1941 ermordet wurde. Kurz vor ihrer eigenen Deportation mussten die Geschwister noch die Deportation ihrer Großmutter aus einem Berliner Altersheim nach Theresienstadt miterleben. Vera Seidel wurde mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter am 19. Oktober 1942 mit dem „21. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Ghetto Riga deportiert. Dort angekommen, wurden die vier unmittelbar nach ihrer Ankunft am Morgen des 22. Oktobers 1942 in den umliegenden Wäldern erschossen. Vera Seidel wurde zwölf Jahre alt, ihre Schwester Vera 13, ihr Bruder Horst Wolfgang 15.

Nur wenige der Familienangehörigen von Vera überlebten die NS-Verfolgung. Ihre Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, war am 25. Januar 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Ihr Onkel Kurt Seidel war im Februar 1942 in das KZ Mauthausen deportiert und dort umgebracht worden. Das Schicksal von dessen 1938 geborener Tochter Margarete und ihrer Mutter ist ungeklärt. Ihre Großmutter Karoline Juliusberger war 1941 in Oppeln verstorben. Ihre Großmutter Bertha Seidel, geborene Itzig, überlebte die Deportation nach Theresienstadt kaum drei Wochen. Ihr Totenschein gibt den 6. September 1942 als Todestag an. Veras Onkel Hans Seidel war 1938 aus Buchenwald geflohen, erlebte das Kriegsende versteckt in Berlin und emigrierte später mit seiner Frau in die USA. Das Schicksal von Veras Tante Elfriede Juliusberger, verheiratete Schuba, ihres Ehemannes Karl Schuba und ihres Onkels Emanuel Markus Juliusberger ist ungeklärt. Ihre Tante Margarete Juliusberger, verheiratete Faerber, deren Ehemann Manfred Faerber und deren 1920 und 1924 geborene Kinder Albert und Gerda wurden 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Margaretes und Manfreds zweiter Sohn Gunter überlebte im Exil. Er konnte vermutlich mit einem Kindertransport nach England gerettet werden, wo er sich nach dem Krieg aufhielt.