Horst Wolfgang Seidel

Location 
Isländische Str. 17
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
18 March 2011
Born
08 May 1927 in Oppeln / Opole
Deportation
on 19 October 1942 to Riga
Murdered
22 October 1942

Horst Wolfgang Seidel wurde am 8. Mai 1927 in der an der Oder gelegenen Stadt Oppeln (dem heutigen Opole) geboren. Er war der älteste Sohn des 1903 geborenen Berliner Kaufmanns Alfred Seidel und seiner 1904 geborenen, aus Oppeln stammenden Ehefrau Johanna, geborene Juliusberger. Seine Eltern hatten im Juni 1926 in Oppeln geheiratet, wo sich Alfred vermutlich geschäftlich aufgehalten und Johanna kennengelernt hatte. Kurz nach der Geburt von Horst Wolfgang zog die Familie nach Berlin, wo der größte Teil des väterlichen Familienzweigs lebte. Horst Wolfgangs Großvater Joseph Seidel war Kaufmann und lebte mit seiner Frau Bertha Seidel, geborene Itzig, in der Eberswalder Straße 30/31, wo er in den 1920er-Jahren einen Reifendienst unterhielt. Sein Onkel Hans Seidel war Polizeibeamter und auch seine Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, lebte mit ihrem Ehemann in Berlin. Horst Wolfgang wuchs mit seinen zwei Schwestern Inge und Vera, die 1929 und 1930 geboren wurden, im Prenzlauer Berg auf. Seine Eltern hatten nach der Ankunft in Berlin zunächst eine Wohnung in der Wisbyer Straße 26e bezogen, 1932 wechselte die größer gewordene Familie in die Isländische Straße 17. Über die ersten Kindheitsjahre von Horst Wolfgang und seinen beiden Schwestern im Berlin der letzten Jahre der Weimarer Republik haben sich kaum Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde Berlins.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seidel. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Für die Kinder waren die Diskriminierungen zunächst vor allem im Schulalltag und im Bildungswesen unmittelbar spürbar. Horst Wolfgang ist 1933 eingeschult worden, seine Schwester Inge 1935 und Vera zu Ostern 1936. Bereits im Jahr 1933 wurde ihnen durch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Möglichkeiten beschränkt, einen höheren Bildungszweig zu besuchen. Ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor und nach den Pogromen im November 1938 wurde jüdischen Kindern und Jugendlichen der Besuch von öffentlichen Schulen grundsätzlich verboten. Horst Wolfgang, Inge und Vera besuchten jüdische Volksschulen, die unter immer schwierigeren Bedingungen vereinzelt noch bis in die Jahre 1941/1942 den Unterricht aufrechterhalten konnten. Sicher versuchten ihre Eltern, den Kindern in der Familie Schutzräume zu bieten, aber vor den existentiellen Nöten, die das Leben in Berlin immer mehr zum Überlebenskampf machten, konnten sie diese nicht gänzlich abschirmen. Während sich für Horst Wolfgangs Vater in den ersten NS-Jahren noch berufliche Chancen boten – er war 1933/1934 als Versicherungsoberinspektor tätig und leitete 1934/1935 eine Versicherungs-Generalagentur in Berlin –, war sein Onkel Hans vom „Arierparagraphen“ des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ betroffen. Formal noch bis 1935 im Dienst, wurde er kurz nach seinem Zwangsausscheiden Ende 1935 verhaftet. Er war einer der Sachsenhausener Häftlinge, die gezwungen wurden, im Juli 1937 das Konzentrationslager Buchenwald zu errichten.<br />
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Für die Familie bedeutete die Verhaftung von Hans sicher eine Zäsur, die jeden Zweifel an der Durchsetzung willkürlicher Gewalt gegen sie ausräumen musste. Ob Alfred und Johanna Seidel in der Folge konkrete Schritte unternahmen, mit ihrer Familie das Land zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten Pläne bestanden haben, so scheiterten diese. Nach den Pogromen im November 1938 in Berlin und auch in Oppeln, wo nach wie vor die seit 1936 verwitwete Großmutter mütterlicherseits von Horst Wolfgang Karoline Juliusberger, geborene Glass, mit seinem Onkel Emanuel Markus Juliusberger lebte, wurde der Bruder seines Vaters, Kurt Seidel, in München Gladbach (heute Mönchengladbach) verhaftet. Er wurde im Städtischen Zuchthaus inhaftiert. Noch 1939 oder Anfang 1940 floh Horst Wolfgangs Vater, vermutlich vor einer drohenden Verhaftung, Richtung Süden. Er wurde in Österreich aufgegriffen und am 13. Juni 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen/Oranienburg deportiert. In Berlin war Johanna Seidel bereits seit März 1939 zu Zwangsarbeit verpflichtet worden. Sie musste im Goerzwerk von Zeiss Ikon in Zehlendorf als Montiererin arbeiten. Nach der Verhaftung ihres Vaters wurden Horst Wolfgang und seine beiden Schwestern auf eine andere Schule geschickt, vermutlich damit die Geschwister sich gegenseitig einen gewissen Schutz bieten konnten. Sie besuchten jetzt gemeinsam die 5. Jüdische Volksschule in Pankow, bis diese Ende Juni 1942 schließen musste, weil der Unterricht jüdischer Schüler und Schülerinnen generell verboten wurde. Daneben arbeiteten die Geschwister als sogenannte jugendliche Helfer bei Institutionen der Jüdischen Gemeinde: Inge und Vera im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 im Wedding, Horst Wolfgang als Gärtner der Jüdischen Kultusvereinigung. 1940 oder 1941 wurde ihr Vater Alfred Seidel aus Sachsenhausen weiter in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo der 37-Jährige am 30. September 1941 ermordet wurde. Wenige Wochen danach starb Horst Wolfgangs Großmutter Karoline in Oppeln. Kurz vor ihrer eigenen Deportation mussten die Kinder von Johanna noch die Deportation ihrer Großmutter väterlicherseits miterleben. Bertha Seidel wurde im August 1942 aus einem Berliner Altersheim nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die katastrophalen Bedingungen im Ghetto weniger als drei Wochen. Am 19. Oktober 1942 wurde Horst Wolfgang Seidel mit seiner Mutter Johanna und seinen beiden Schwestern mit dem „21. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Ghetto Riga deportiert. Dort angekommen, wurden die vier unmittelbar nach ihrer Ankunft am Morgen des 22. Oktobers 1942 in den umliegenden Wäldern erschossen. Horst Wolfgang wurde 15 Jahre alt, seine Schwester Inge 13, Vera zwölf.<br />
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Nur wenige der Familienangehörigen von Horst Wolfgang überlebten die NS-Verfolgung. Seine Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, war am 25. Januar 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Sein Onkel Kurt Seidel war im Februar 1942 in das KZ Mauthausen deportiert und dort umgebracht worden Das Schicksal von dessen 1938 geborener Tochter Margarete und ihrer Mutter ist ungeklärt. Horst Wolfgangs Onkel Hans Seidel war 1938 aus Buchenwald geflohen, erlebte das Kriegsende versteckt in Berlin und emigrierte später mit seiner Frau in die USA. Das Schicksal seiner Tante Elfriede Juliusberger, verheiratete Schuba, ihres Ehemannes Karl Schuba und seines Onkels Emanuel Markus Juliusberger ist ungeklärt. Seine Tante Margarete Juliusberger, verheiratete Faerber, ihr Ehemann Manfred Faerber und ihre 1920 und 1924 geborenen Kinder Albert und Gerda wurden 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Margaretes und Manfreds zweiter Sohn Gunter überlebte im Exil. Er konnte vermutlich mit einem Kindertransport nach England gerettet werden, wo er sich nach dem Krieg aufhielt.

Horst Wolfgang Seidel wurde am 8. Mai 1927 in der an der Oder gelegenen Stadt Oppeln (dem heutigen Opole) geboren. Er war der älteste Sohn des 1903 geborenen Berliner Kaufmanns Alfred Seidel und seiner 1904 geborenen, aus Oppeln stammenden Ehefrau Johanna, geborene Juliusberger. Seine Eltern hatten im Juni 1926 in Oppeln geheiratet, wo sich Alfred vermutlich geschäftlich aufgehalten und Johanna kennengelernt hatte. Kurz nach der Geburt von Horst Wolfgang zog die Familie nach Berlin, wo der größte Teil des väterlichen Familienzweigs lebte. Horst Wolfgangs Großvater Joseph Seidel war Kaufmann und lebte mit seiner Frau Bertha Seidel, geborene Itzig, in der Eberswalder Straße 30/31, wo er in den 1920er-Jahren einen Reifendienst unterhielt. Sein Onkel Hans Seidel war Polizeibeamter und auch seine Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, lebte mit ihrem Ehemann in Berlin. Horst Wolfgang wuchs mit seinen zwei Schwestern Inge und Vera, die 1929 und 1930 geboren wurden, im Prenzlauer Berg auf. Seine Eltern hatten nach der Ankunft in Berlin zunächst eine Wohnung in der Wisbyer Straße 26e bezogen, 1932 wechselte die größer gewordene Familie in die Isländische Straße 17. Über die ersten Kindheitsjahre von Horst Wolfgang und seinen beiden Schwestern im Berlin der letzten Jahre der Weimarer Republik haben sich kaum Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde Berlins.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seidel. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Für die Kinder waren die Diskriminierungen zunächst vor allem im Schulalltag und im Bildungswesen unmittelbar spürbar. Horst Wolfgang ist 1933 eingeschult worden, seine Schwester Inge 1935 und Vera zu Ostern 1936. Bereits im Jahr 1933 wurde ihnen durch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Möglichkeiten beschränkt, einen höheren Bildungszweig zu besuchen. Ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor und nach den Pogromen im November 1938 wurde jüdischen Kindern und Jugendlichen der Besuch von öffentlichen Schulen grundsätzlich verboten. Horst Wolfgang, Inge und Vera besuchten jüdische Volksschulen, die unter immer schwierigeren Bedingungen vereinzelt noch bis in die Jahre 1941/1942 den Unterricht aufrechterhalten konnten. Sicher versuchten ihre Eltern, den Kindern in der Familie Schutzräume zu bieten, aber vor den existentiellen Nöten, die das Leben in Berlin immer mehr zum Überlebenskampf machten, konnten sie diese nicht gänzlich abschirmen. Während sich für Horst Wolfgangs Vater in den ersten NS-Jahren noch berufliche Chancen boten – er war 1933/1934 als Versicherungsoberinspektor tätig und leitete 1934/1935 eine Versicherungs-Generalagentur in Berlin –, war sein Onkel Hans vom „Arierparagraphen“ des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ betroffen. Formal noch bis 1935 im Dienst, wurde er kurz nach seinem Zwangsausscheiden Ende 1935 verhaftet. Er war einer der Sachsenhausener Häftlinge, die gezwungen wurden, im Juli 1937 das Konzentrationslager Buchenwald zu errichten.

Für die Familie bedeutete die Verhaftung von Hans sicher eine Zäsur, die jeden Zweifel an der Durchsetzung willkürlicher Gewalt gegen sie ausräumen musste. Ob Alfred und Johanna Seidel in der Folge konkrete Schritte unternahmen, mit ihrer Familie das Land zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten Pläne bestanden haben, so scheiterten diese. Nach den Pogromen im November 1938 in Berlin und auch in Oppeln, wo nach wie vor die seit 1936 verwitwete Großmutter mütterlicherseits von Horst Wolfgang Karoline Juliusberger, geborene Glass, mit seinem Onkel Emanuel Markus Juliusberger lebte, wurde der Bruder seines Vaters, Kurt Seidel, in München Gladbach (heute Mönchengladbach) verhaftet. Er wurde im Städtischen Zuchthaus inhaftiert. Noch 1939 oder Anfang 1940 floh Horst Wolfgangs Vater, vermutlich vor einer drohenden Verhaftung, Richtung Süden. Er wurde in Österreich aufgegriffen und am 13. Juni 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen/Oranienburg deportiert. In Berlin war Johanna Seidel bereits seit März 1939 zu Zwangsarbeit verpflichtet worden. Sie musste im Goerzwerk von Zeiss Ikon in Zehlendorf als Montiererin arbeiten. Nach der Verhaftung ihres Vaters wurden Horst Wolfgang und seine beiden Schwestern auf eine andere Schule geschickt, vermutlich damit die Geschwister sich gegenseitig einen gewissen Schutz bieten konnten. Sie besuchten jetzt gemeinsam die 5. Jüdische Volksschule in Pankow, bis diese Ende Juni 1942 schließen musste, weil der Unterricht jüdischer Schüler und Schülerinnen generell verboten wurde. Daneben arbeiteten die Geschwister als sogenannte jugendliche Helfer bei Institutionen der Jüdischen Gemeinde: Inge und Vera im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 im Wedding, Horst Wolfgang als Gärtner der Jüdischen Kultusvereinigung. 1940 oder 1941 wurde ihr Vater Alfred Seidel aus Sachsenhausen weiter in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo der 37-Jährige am 30. September 1941 ermordet wurde. Wenige Wochen danach starb Horst Wolfgangs Großmutter Karoline in Oppeln. Kurz vor ihrer eigenen Deportation mussten die Kinder von Johanna noch die Deportation ihrer Großmutter väterlicherseits miterleben. Bertha Seidel wurde im August 1942 aus einem Berliner Altersheim nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die katastrophalen Bedingungen im Ghetto weniger als drei Wochen. Am 19. Oktober 1942 wurde Horst Wolfgang Seidel mit seiner Mutter Johanna und seinen beiden Schwestern mit dem „21. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Ghetto Riga deportiert. Dort angekommen, wurden die vier unmittelbar nach ihrer Ankunft am Morgen des 22. Oktobers 1942 in den umliegenden Wäldern erschossen. Horst Wolfgang wurde 15 Jahre alt, seine Schwester Inge 13, Vera zwölf.

Nur wenige der Familienangehörigen von Horst Wolfgang überlebten die NS-Verfolgung. Seine Tante Paula Jenny Manasse, geborene Seidel, war am 25. Januar 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Sein Onkel Kurt Seidel war im Februar 1942 in das KZ Mauthausen deportiert und dort umgebracht worden Das Schicksal von dessen 1938 geborener Tochter Margarete und ihrer Mutter ist ungeklärt. Horst Wolfgangs Onkel Hans Seidel war 1938 aus Buchenwald geflohen, erlebte das Kriegsende versteckt in Berlin und emigrierte später mit seiner Frau in die USA. Das Schicksal seiner Tante Elfriede Juliusberger, verheiratete Schuba, ihres Ehemannes Karl Schuba und seines Onkels Emanuel Markus Juliusberger ist ungeklärt. Seine Tante Margarete Juliusberger, verheiratete Faerber, ihr Ehemann Manfred Faerber und ihre 1920 und 1924 geborenen Kinder Albert und Gerda wurden 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Margaretes und Manfreds zweiter Sohn Gunter überlebte im Exil. Er konnte vermutlich mit einem Kindertransport nach England gerettet werden, wo er sich nach dem Krieg aufhielt.