Gertrud Besas née Cohn

Location 
Nassauische Straße 62
Historical name
52.49282
District
Wilmersdorf
Stone was laid
15 August 2013
Born
21 January 1897 in Wollstein / Wolsztyn
Escape into death
19 August 1939 in Berlin

(Rosa) Gertrud Besas, geb. Cohn stammte aus Wollstein (Wolsztyn), Kreis Bomst, in der preußischen Provinz Posen, und wurde am 31. Januar 1896 oder am 21. Januar 1897 geboren. <br />
<br />
Die Familie hatte zwei Töchter, Gertrud und Hilda Henriette, geboren am 20. September 1892. Die beiden Schwestern standen sich sehr nahe. Sie wuchsen in behüteten Verhältnissen auf. Auch ihr Vater, Salomon Cohn, war Kaufmann, er besaß ein kleines Warenhaus in Wollstein.<br />
<br />
Gertrud besuchte die Höhere Mädchenschule in Wollstein, anschließend wurde sie wahrscheinlich zur weiteren Ausbildung nach Berlin geschickt. Nach dem Ersten Weltkrieg verkaufte Salomon Cohn das Warenhaus, und als Wollstein polnisch wurde, optierte die Familie für Deutschland und zog endgültig nach Berlin.<br />
<br />
1918 heirateten Dr. Georg Besas und die zehn Jahre jüngere Rosa Gertrud Cohn.<br />
<br />
Hilda Cohn heiratete 1921 den Zahnarzt Dr. Paul Kornicker. 1922 wurde ihr einziger Sohn Stephan Günther geboren. Bis zum Tod ihres Mannes im Oktober 1937 arbeitete Hilda als Sprechstundenhilfe in dessen zahnärztlicher Praxis in Berlin-Hermsdorf.<br />
<br />
Georg und Gertrud Besas hatten keine Kinder. Hilda schildert das Leben des Paares als sehr kultiviert, wohlhabend und bürgerlich. Privat beschäftigte Georg sich u.a. mit der Geschichte Berlins, er gab 1931 eine Schrift über die Grabstätten berühmter Berliner heraus. 1932 oder Anfang 1933 zogen Georg und Gertrud Besas in die Nassauische Straße 62. Sie hatten eine noch ungeteilte 6-Zimmer-Wohnung. Wahrscheinlich handelte es sich um die Wohnung im 1. Stock rechts. <br />
<br />
Schon am 7.4.1933 wurde Dr. Georg Besas auf Grund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ das Notariat entzogen. Seine renommierte Kanzlei erfuhr sofort erhebliche Einschränkungen, und im Herbst 1933 stand ihre Schließung bevor oder war bereits erfolgt.<br />
<br />
Georgs Stolz war „gebrochen“, wie die Schwägerin berichtet. Dermaßen gedemütigt und um seine gesamte bürgerliche Existenz gebracht, unternahm er im September 1933 zusammen mit seiner Frau einen Selbstmordversuch, sie wurden jedoch gerettet. Kurze Zeit später sprang Georg Besas aus dem Fenster. Er starb am 12. Oktober 1933. <br />
<br />
Hilda kümmerte sich anschließend um ihre Schwester und konnte sie fast sechs Jahre davon abhalten, Georg in den Tod zu folgen. Sie besorgte ihr eine Arbeit (wahrscheinlich eine Bürotätigkeit) und „versuchte auch dadurch [ihre] Stimmung zu heben, dass sie ihren eigenen Sohn mit der Schwester leben ließ“. <br />
<br />
Alle Familienmitglieder planten die Flucht oder Auswanderung. Dann aber starb Paul Kornicker 1937 an Krebs. Hilda musste die Praxis auflösen, die Einrichtung verschleudern. 1938 gelang es ihr, den 16 Jahre alten Sohn mit einem Kindertransport in die USA zu schicken. Hilda zog im April 1938 in ein gemietetes Zimmer, wo sie im November die Pogromnacht erlebte.<br />
<br />
Auch für Gertrud Besas wurde das Leben immer bedrängter. Auf Grund der im November 1938 erlassenen Verordnung zur „Judenvermögensabgabe“ musste sie ein Viertel ihres noch vorhandenen Bankguthabens von 20.000 RM in Raten an den Staat abgeben und auch Silber und Schmuck an Sammelstellen abliefern. Sie vermisste ihren Neffen. Dann erhielt Hilda, nicht aber Gertrud, ein Affidavit aus den USA. Schließlich wurde ihr zum 01.9.1939 die Wohnung gekündigt. Gertrud begann, mit Hilda zusammen die Wohnung aufzulösen, aber dann vergiftete sie sich am 19. August 1939.<br />
<br />
Die Kündigung der Wohnung war möglich geworden durch das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden (RGBl I, S. 864) vom 30. 4.1939. Gertrud hätte wahrscheinlich als Untermieterin in eine Wohnung anderer Juden ziehen müssen. Hilda Kornicker: „Der arische Hauswirt hatte sie ... gekündigt, da keine Juden mehr in dem Hause wohnen sollten, und meine Schwester begann, die Möbel der sehr eleganten Wohnung zu verschleudern. Sie nahm sich aber die ganze Verfolgung so zu Herzen, … daß sie noch vor dem 1.9.39 d.h. am 19.8.39 sich das Leben nahm …“

(Rosa) Gertrud Besas, geb. Cohn stammte aus Wollstein (Wolsztyn), Kreis Bomst, in der preußischen Provinz Posen, und wurde am 31. Januar 1896 oder am 21. Januar 1897 geboren.

Die Familie hatte zwei Töchter, Gertrud und Hilda Henriette, geboren am 20. September 1892. Die beiden Schwestern standen sich sehr nahe. Sie wuchsen in behüteten Verhältnissen auf. Auch ihr Vater, Salomon Cohn, war Kaufmann, er besaß ein kleines Warenhaus in Wollstein.

Gertrud besuchte die Höhere Mädchenschule in Wollstein, anschließend wurde sie wahrscheinlich zur weiteren Ausbildung nach Berlin geschickt. Nach dem Ersten Weltkrieg verkaufte Salomon Cohn das Warenhaus, und als Wollstein polnisch wurde, optierte die Familie für Deutschland und zog endgültig nach Berlin.

1918 heirateten Dr. Georg Besas und die zehn Jahre jüngere Rosa Gertrud Cohn.

Hilda Cohn heiratete 1921 den Zahnarzt Dr. Paul Kornicker. 1922 wurde ihr einziger Sohn Stephan Günther geboren. Bis zum Tod ihres Mannes im Oktober 1937 arbeitete Hilda als Sprechstundenhilfe in dessen zahnärztlicher Praxis in Berlin-Hermsdorf.

Georg und Gertrud Besas hatten keine Kinder. Hilda schildert das Leben des Paares als sehr kultiviert, wohlhabend und bürgerlich. Privat beschäftigte Georg sich u.a. mit der Geschichte Berlins, er gab 1931 eine Schrift über die Grabstätten berühmter Berliner heraus. 1932 oder Anfang 1933 zogen Georg und Gertrud Besas in die Nassauische Straße 62. Sie hatten eine noch ungeteilte 6-Zimmer-Wohnung. Wahrscheinlich handelte es sich um die Wohnung im 1. Stock rechts.

Schon am 7.4.1933 wurde Dr. Georg Besas auf Grund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ das Notariat entzogen. Seine renommierte Kanzlei erfuhr sofort erhebliche Einschränkungen, und im Herbst 1933 stand ihre Schließung bevor oder war bereits erfolgt.

Georgs Stolz war „gebrochen“, wie die Schwägerin berichtet. Dermaßen gedemütigt und um seine gesamte bürgerliche Existenz gebracht, unternahm er im September 1933 zusammen mit seiner Frau einen Selbstmordversuch, sie wurden jedoch gerettet. Kurze Zeit später sprang Georg Besas aus dem Fenster. Er starb am 12. Oktober 1933.

Hilda kümmerte sich anschließend um ihre Schwester und konnte sie fast sechs Jahre davon abhalten, Georg in den Tod zu folgen. Sie besorgte ihr eine Arbeit (wahrscheinlich eine Bürotätigkeit) und „versuchte auch dadurch [ihre] Stimmung zu heben, dass sie ihren eigenen Sohn mit der Schwester leben ließ“.

Alle Familienmitglieder planten die Flucht oder Auswanderung. Dann aber starb Paul Kornicker 1937 an Krebs. Hilda musste die Praxis auflösen, die Einrichtung verschleudern. 1938 gelang es ihr, den 16 Jahre alten Sohn mit einem Kindertransport in die USA zu schicken. Hilda zog im April 1938 in ein gemietetes Zimmer, wo sie im November die Pogromnacht erlebte.

Auch für Gertrud Besas wurde das Leben immer bedrängter. Auf Grund der im November 1938 erlassenen Verordnung zur „Judenvermögensabgabe“ musste sie ein Viertel ihres noch vorhandenen Bankguthabens von 20.000 RM in Raten an den Staat abgeben und auch Silber und Schmuck an Sammelstellen abliefern. Sie vermisste ihren Neffen. Dann erhielt Hilda, nicht aber Gertrud, ein Affidavit aus den USA. Schließlich wurde ihr zum 01.9.1939 die Wohnung gekündigt. Gertrud begann, mit Hilda zusammen die Wohnung aufzulösen, aber dann vergiftete sie sich am 19. August 1939.

Die Kündigung der Wohnung war möglich geworden durch das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden (RGBl I, S. 864) vom 30. 4.1939. Gertrud hätte wahrscheinlich als Untermieterin in eine Wohnung anderer Juden ziehen müssen. Hilda Kornicker: „Der arische Hauswirt hatte sie ... gekündigt, da keine Juden mehr in dem Hause wohnen sollten, und meine Schwester begann, die Möbel der sehr eleganten Wohnung zu verschleudern. Sie nahm sich aber die ganze Verfolgung so zu Herzen, … daß sie noch vor dem 1.9.39 d.h. am 19.8.39 sich das Leben nahm …“