Hermann Spiegel

Location 
Helmstedter Str. 19
District
Wilmersdorf
Stone was laid
02 December 2013
Born
12 May 1873 in Erdőbénye
Deportation
on 18 October 1941 to Łódź / Litzmannstadt
Murdered
in Łódź / Litzmannstadt

Hermann Spiegel wurde am 12. Mai 1873 in Erdöbénye bei Zemplén (Ungarn) geboren. Er war Lehrer. Wie lange genau er in der Helmstedter Straße 19 als Untermieter bei der Familie Schwarz wohnte, ist nicht bekannt, gemeldet war er dort jedenfalls zum Datum der Volkszählung am 17.5.1939. Als letzter Wohnsitz wird die Grunewaldstraße 59 angegeben. Heute befindet sich in diesem Haus der 1919 von Benedict Lachmann gegründete Buchladen am Bayerischen Platz.

Hermann Spiegel wurde am 18. Oktober 1941 mit dem ersten von vier Transporten zusammen mit 1013 Berlinern nach Lodz, das die Nazis damals in Litzmannstadt umbenannt hatten, deportiert. Es war der erste Zug überhaupt, der das berüchtigte Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald verließ. Benedict Lachmann war im gleichen Transport und erlitt das gleiche Schicksal.

Bei der Auswahl von Deportierten dieser ersten Transporte wurden diejenigen ausgesucht, die große Wohnungen bewohnten – die nun für NS-Funktionäre und Bombengeschädigte freigemacht wurden. Die Synagoge an der Levetzowstraße diente vom 16. Oktober 1941 an als Sammellager für ca. 1000 Menschen. Am 18. Oktober 1941 wurden Kinder, Alte und Schwache auf offenen Lastwagen in strömendem Regen zum Bahnhof Grunewald gebracht. Alle anderen zogen in einem langen Fußmarsch, streng bewacht, unter den Augen der Anwohner durch die Stadt.

Lodz diente vor allem als Zwischenstation vor der Deportation in die Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno nad Nerem), Auschwitz II, Majdanek, Treblinka und Sobibor. Hermann Spiegel wohnte in Lodz am Bleicherweg 4. Die letzte Spur findet sich auf einer Liste der Bewohner des Ghettos „A.G. 25.04.1942“. In der Erklärung des Internationalen Suchdienstes heißt es: “Change of registration to new address, or deportation (to Chelmno); A.G. may be used as an abbreviation of either ‘Abgang’ or ‘Ausgang’”.

Wir wissen also nicht, ob Hermann Spiegel bereits am 25. April 1942 starb („Abgang“) oder weiterdeportiert wurde („Ausgang“). Hermann Spiegel ist vermutlich mit fast 69 Jahren ums Leben gebracht worden.

Hermann Spiegel wurde am 12. Mai 1873 in Erdöbenye, Zemplen, (Ungarn) geboren Sein Vater, Abraham Spiegel, stammte aus Nagylucska, Velikiye Luchki, Zakarpats'ka (Ukraine) (geb. 1851, gest. 17. August 1923 in Miskolc, Ungarn).

Hermann Spiegels Mutter, Babet (Betti) Schreiber (geb.17. Juli 1850 in Erdöbénye (Ungarn) gest. 22. Februar 1939 in Miskolc, Ungarn), gehörte einer der bedeutendsten Rabbinerfamilien Ungarns an. Ihr Vater Jozsef Schreiber war Rabbi in Erdöbénye und ein recht wohlhabender Winzer. Er besaß mehrere Weinberge und stellte Tokajer Wein her. Die Wurzeln der Familie Schreiber gehen auf die bekannte Rabbinerfamilie Saul Whal-Katzenellenbogen zurück. Auch Jozsefs Ehefrau, Bella Spira, hatte berühmte Vorfahren. Sie war in direkte Nachfolge mit Rabbi Nathan Shapiro, dem Autor des kabbalistischen Werkes „Megaleh Amukot“, verwandt. Die meisten Informationen über die Familie Hermann Spiegels verdanken wir seinem Ur-Großneffen Róbert Moskovics Spiegel aus La Coruña, Spanien.

Hermann Spiegels Eltern lebten zunächst in Erdöbénye und zogen ungefähr 1894 nach Miskolc (Ungarn). Dort betrieben sie ein Geschäft. Im 1. Weltkrieg war Abraham Spiegel Leutnant der Reserve. Er und Betti hatten 11 Kinder. Hermann war der älteste. Es folgten Samuel Spiegel (geb.1874, gest. 1923), Bella Fani Spiegel (geb. 1875) – ihrem Urenkel Robert Moscovits zufolge Hermanns Lieblingsschwester - und Salamon Spiegel, der sich Salamon Szekely nannte. Sein Schicksal ist unbekannt. Dann kamen Pepi Spiegel (geb.1879 gest. 1906, in Mezőkeresztes), die Adolf Gottlieb heiratete, und Mór (Moricz) Spiegel, dessen Schicksal ebenfalls unbekannt ist. Der Nächste war David Spiegel, der Iren Fischer heiratete und das Geschäft des Vaters weiterführte. David, Iren und ihre beiden Töchter Ilonka und Marta wurden im Juni 1944 in Auschwitz ermordet. Der Nächste, Izidor (Izsák) Spiegel, der wegen seiner besonderen Tapferkeit im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet worden war, heiratete Valeria Laufer. Ihre Tochter Maria starb 1945 an Folgen des Holocausts. Bei der Geburt der zweiten Tochter, Tamas, gab es Komplikationen, die Mutter und Kind nicht überlebten. In zweiter Ehe heiratete Izidor Spiegel Terezia Söffer. Sein Schicksal ist unbekannt. Drei der 11 Kinder starben noch im Säuglingsalter.

Hermann Spiegel absolvierte die höhere Schule in Berlin und studierte dann an verschiedenen Universitäten. Er soll ein ausgezeichneter Student gewesen sein. Er war hochgebildet, promoviert und wurde Religionslehrer an den Religionsschulen der Jüdischen Gemeinde in Lichterfelde-West und in Steglitz, zeitweise auch deren Leiter. Zwar war er nicht verheiratet, hatte aber viele Freunde in Berlin und fühlte sich als „Adopivdeutscher“, so sein Urgroßneffe. Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre wohnte er in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße 3. Wann genau er in die Helmstedter Straße 19 als Untermieter bei der Familie Schwarz einzog, ist nicht bekannt; jedenfalls wohnte er dort am 17.Mai 1939. Als letzter Wohnsitz, der aber sehr wahrscheinlich nicht frei gewählt wurde, wird die Grunewaldstraße 59 angegeben. Heute befindet sich in diesem Haus der traditionsreiche Buchladen Bayerischer Platz, 1919 am Bayerische Platz 13-14 von Benedict Lachmann gegründet. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Lachmann mit dem gleichen Zug deportiert wurde wie Hermann Spiegel. Beide wurden am 18.Oktober 1941 zusammen mit 1012 weiteren Berlinern mit dem ersten von vier Transporten von Berlin nach Lodz deportiert. Bei der Auswahl von Deportierten bei diesen ersten Transporten wurden bevorzugt diejenigen ausgesucht, die große Wohnungen bewohnten – die nun für NS-Funktionäre und Bombengeschädigte geräumt wurden. Die Synagoge an der Levetzowstraße wurde vom 16.Oktober 1941 an als Sammellager für circa jeweils 1000 Menschen missbraucht . Lodz diente vor allem als Zwischenstation vor der Deportation in die Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno nad Nerem), Auschwitz II, Majdanek, Treblinka und Sobibor. Hermann Spiegel wohnte in Lodz im Bleicherweg 4. Die letzte Spur findet sich auf einer Liste der Bewohner des Ghettos mit dem Vermerk „ausg. 25.04.1942“. Das dürfte  für „ausgang“ stehen und ein Hinweis darauf sein, dass Hermann Spiegel am 25. April 1942 in ein Vernichtungslager verbracht – wahscheinlich Chelmno - und dort ermordet wurde.

Bella Fani Moscovits, geb. Spiegel, Hermanns Schwester, überlebte mit ihrer Familie den Holocaust dank dem Spanischen Legationsrat in Budapest Ángel Sanz Briz, der etwa 5000 Juden mittels Ausgabe gefälschter Dokumente rettete.