Georg Reifen

Location 
Nürnberger Str. 16
District
Charlottenburg
Stone was laid
23 April 2013
Born
16 November 1884 in Swaryczow (Galizien)
Deportation
to Ghetto Warschau
Later deported
to Majdanek
Murdered
03 May 1943 in Majdanek

Feiga – genannt Fela – Reifen, wurde am 2. Februar 1887 als Feiga Kupferstein in Warschau geboren. Die Familie hatte sich einen wohlhabenden Ehemann für sie gewünscht: einen Strumpffabrikanten, der ihr eine Schachtel mit zwölf verschiedenfarbigen Strümpfen schenkte. Ihre Eltern waren der Meinung, dass er „eine gute Partie“ gewesen wäre. Nachdem sie ihm abgesagt hatte, verlangte er die Kiste mit Strümpfen zurück. Sie nahm sich aber zwei Paar Strümpfe heraus und sagte, sie hätte sie schon benutzt. Und sie fragte ihre Eltern: „Den Mann sollte ich heiraten?“ Stattdessen heiratete sie die Liebe ihres Lebens: Georg Israel Reifen, mit dem sie später zwei Kinder bekam.<br />
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Fela Reifen studierte Klavier am Stern’schen Konservatorium, einer privaten Musikschule, und spielte leidenschaftlich. Ihre Schwiegermutter schenkte ihr als Hochzeitsgeschenk ein Klavier. Sie folgte ihrem Mann, der 1938 nach Warschau verschleppt wurde, ein Jahr später und wurde in Treblinka ermordet. Ihre zwei Kinder konnten aus Deutschland flüchten und haben in Brasilien überlebt.<br />
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Georg Israel Reifen wurde am 16. November 1884 in Swaryczow in Galizien geboren und kam als junger Mann nach Plauen. Dort hat er seine Frau Fela kennengelernt und sie zogen zusammen nach Berlin. Er arbeitete zunächst als Juwelier und machte später eine Erfindung: feuerfeste Kacheln. Diese Erfindung ließ er patentieren, hatte aber wenig davon. Geschäftssinn ging ihm völlig ab. Da er als Jude kein Patent anmelden durfte, tat dies ein Bekannter für ihn. Der betrog ihn aber, indem er verabredungswidrig 90 Prozent des Erlöses kassierte und nur zehn Prozent weitergab.<br />
<br />
Israel Reifen – Spitzname „Izzy“ – war ein gut aussehender, elegant gekleideter Mann. Er spielte hervorragend Schach und brachte es auch seinen Kindern bei. Er war ein heiterer, humorvoller und charmanter Mensch und hatte viel Lebensweisheit. Außerdem war er ein liebevoller Vater, der sich intensiv mit seinen Kindern beschäftigte.<br />
<br />
Israel und Fela Reifen mochten das umtriebige Leben in der aufstrebenden Weltstadt Berlin, machten mit den Kindern Ausflüge zu den Seen, liefen im Winter Schlittschuh auf dem Eis, und das ganze Jahr über sahen sie sich die neuesten Filme an.<br />
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Die Tochter Seldi (1919–2013) konnte fließend Berlinerisch sprechen und sang text- und melodiesicher die aktuellen Schlager ebenso wie Arbeiterlieder. Sie heiratete Klaus Oliven (1918–2010). Dessen Vater Fritz Oliven (1874–1956) stammte aus einer seit Generationen in Deutschland lebenden jüdischen Familie. Er war ein bekannter Librettist und Revuedichter, der Operetten („Der Vetter aus Dingsda“) und Liedtexte schrieb. Sein Künstlername war „Rideamus“ („Lasst uns lachen“). Von ihm stammen so populäre Evergreens wie „Solang noch unter‘n Linden“ mit dem zum Berlin-Slogan gewordenen Refrain „Berlin bleibt doch Berlin“, gesungen von Marlene Dietrich. Fritz Oliven, der von den Nazis verfolgt wurde und dessen Werke nicht mehr gespielt werden durften, flüchtete 1939 aus seinem geliebten Berlin und ging ins Exil nach Brasilien. An seinem einstigen Wohnhaus Giesebrechtstraße 11 ist eine Gedenktafel angebracht.<br />
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Israel Reifen wurde eines Tages im Oktober 1938 in Berlin von den Nazis abgeholt und nach Warschau gebracht. Seine Frau Fela folgte ihm im August 1939. Er wurde im Konzentrationslager Majdanek ermordet, sie in Treblinka. Die beiden Kinder, Tochter Seldi, geboren 1919, und ihr älterer Sohn Mischa, geboren 1920, konnten aus Deutschland nach Brasilien flüchten und überlebten den Holocaust.<br />
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Im Berliner Adressbuch war 1939 in der Nürnberger Straße 16 nur „Reifen, Kfm.“ eingetragen, nicht wie üblich der Anfangsbuchstabe des Vornamens. Bei Reifens waren am 17. Mai 1939, dem Tag der Volkszählung, drei Untermieter gemeldet: Erich Hirsch, geboren am 7. August 1897 in Hildesheim, deportiert am 17. November 1941 nach Kowno/Kaunas und dort am 25. November 1941 erschossen, sowie Moritz Rosenthal, geboren am 19. Januar 1877 in Posen/Poznań, und Selma Rosenthal, geb. Jarecki, geboren am 26. Juli 1883 ebenfalls in Posen/Poznań; das Ehepaar wurde am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert – Moritz Rosenthal an seinem 65. Geburtstag – und dort erschossen.<br />
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Außerdem wohnten im Haus: der Zahnarzt Leopold Baer, der Eigentümer war und in der 2. Etage wohnte, sowie Max Baer, der Fabrikleiter war und bis 1938 auch Hausverwalter. Beide standen 1940 nicht mehr im Adressbuch, Eigentümer war inzwischen der Rentner E. Blienert, vermutlich war das Haus „arisiert“ worden. Das Schicksal von Leopold Baer ist nicht bekannt. Max Baer kam ins KZ Sachsenhausen, wo er am 25. April 1942 ums Leben gebracht wurde.<br />

Feiga – genannt Fela – Reifen, wurde am 2. Februar 1887 als Feiga Kupferstein in Warschau geboren. Die Familie hatte sich einen wohlhabenden Ehemann für sie gewünscht: einen Strumpffabrikanten, der ihr eine Schachtel mit zwölf verschiedenfarbigen Strümpfen schenkte. Ihre Eltern waren der Meinung, dass er „eine gute Partie“ gewesen wäre. Nachdem sie ihm abgesagt hatte, verlangte er die Kiste mit Strümpfen zurück. Sie nahm sich aber zwei Paar Strümpfe heraus und sagte, sie hätte sie schon benutzt. Und sie fragte ihre Eltern: „Den Mann sollte ich heiraten?“ Stattdessen heiratete sie die Liebe ihres Lebens: Georg Israel Reifen, mit dem sie später zwei Kinder bekam.

Fela Reifen studierte Klavier am Stern’schen Konservatorium, einer privaten Musikschule, und spielte leidenschaftlich. Ihre Schwiegermutter schenkte ihr als Hochzeitsgeschenk ein Klavier. Sie folgte ihrem Mann, der 1938 nach Warschau verschleppt wurde, ein Jahr später und wurde in Treblinka ermordet. Ihre zwei Kinder konnten aus Deutschland flüchten und haben in Brasilien überlebt.

Georg Israel Reifen wurde am 16. November 1884 in Swaryczow in Galizien geboren und kam als junger Mann nach Plauen. Dort hat er seine Frau Fela kennengelernt und sie zogen zusammen nach Berlin. Er arbeitete zunächst als Juwelier und machte später eine Erfindung: feuerfeste Kacheln. Diese Erfindung ließ er patentieren, hatte aber wenig davon. Geschäftssinn ging ihm völlig ab. Da er als Jude kein Patent anmelden durfte, tat dies ein Bekannter für ihn. Der betrog ihn aber, indem er verabredungswidrig 90 Prozent des Erlöses kassierte und nur zehn Prozent weitergab.

Israel Reifen – Spitzname „Izzy“ – war ein gut aussehender, elegant gekleideter Mann. Er spielte hervorragend Schach und brachte es auch seinen Kindern bei. Er war ein heiterer, humorvoller und charmanter Mensch und hatte viel Lebensweisheit. Außerdem war er ein liebevoller Vater, der sich intensiv mit seinen Kindern beschäftigte.

Israel und Fela Reifen mochten das umtriebige Leben in der aufstrebenden Weltstadt Berlin, machten mit den Kindern Ausflüge zu den Seen, liefen im Winter Schlittschuh auf dem Eis, und das ganze Jahr über sahen sie sich die neuesten Filme an.

Die Tochter Seldi (1919–2013) konnte fließend Berlinerisch sprechen und sang text- und melodiesicher die aktuellen Schlager ebenso wie Arbeiterlieder. Sie heiratete Klaus Oliven (1918–2010). Dessen Vater Fritz Oliven (1874–1956) stammte aus einer seit Generationen in Deutschland lebenden jüdischen Familie. Er war ein bekannter Librettist und Revuedichter, der Operetten („Der Vetter aus Dingsda“) und Liedtexte schrieb. Sein Künstlername war „Rideamus“ („Lasst uns lachen“). Von ihm stammen so populäre Evergreens wie „Solang noch unter‘n Linden“ mit dem zum Berlin-Slogan gewordenen Refrain „Berlin bleibt doch Berlin“, gesungen von Marlene Dietrich. Fritz Oliven, der von den Nazis verfolgt wurde und dessen Werke nicht mehr gespielt werden durften, flüchtete 1939 aus seinem geliebten Berlin und ging ins Exil nach Brasilien. An seinem einstigen Wohnhaus Giesebrechtstraße 11 ist eine Gedenktafel angebracht.

Israel Reifen wurde eines Tages im Oktober 1938 in Berlin von den Nazis abgeholt und nach Warschau gebracht. Seine Frau Fela folgte ihm im August 1939. Er wurde im Konzentrationslager Majdanek ermordet, sie in Treblinka. Die beiden Kinder, Tochter Seldi, geboren 1919, und ihr älterer Sohn Mischa, geboren 1920, konnten aus Deutschland nach Brasilien flüchten und überlebten den Holocaust.

Im Berliner Adressbuch war 1939 in der Nürnberger Straße 16 nur „Reifen, Kfm.“ eingetragen, nicht wie üblich der Anfangsbuchstabe des Vornamens. Bei Reifens waren am 17. Mai 1939, dem Tag der Volkszählung, drei Untermieter gemeldet: Erich Hirsch, geboren am 7. August 1897 in Hildesheim, deportiert am 17. November 1941 nach Kowno/Kaunas und dort am 25. November 1941 erschossen, sowie Moritz Rosenthal, geboren am 19. Januar 1877 in Posen/Poznań, und Selma Rosenthal, geb. Jarecki, geboren am 26. Juli 1883 ebenfalls in Posen/Poznań; das Ehepaar wurde am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert – Moritz Rosenthal an seinem 65. Geburtstag – und dort erschossen.

Außerdem wohnten im Haus: der Zahnarzt Leopold Baer, der Eigentümer war und in der 2. Etage wohnte, sowie Max Baer, der Fabrikleiter war und bis 1938 auch Hausverwalter. Beide standen 1940 nicht mehr im Adressbuch, Eigentümer war inzwischen der Rentner E. Blienert, vermutlich war das Haus „arisiert“ worden. Das Schicksal von Leopold Baer ist nicht bekannt. Max Baer kam ins KZ Sachsenhausen, wo er am 25. April 1942 ums Leben gebracht wurde.