Dorothea Seelig

Location 
Schivelbeiner Straße 49
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
25 April 2014
Born
16 April 1925 in Berlin
Deportation
on 03 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

<i>„Ich bin nur davon in Kenntnis gesetzt worden, dass meine Schwester direkt aus ihrer Wohnung heraus deportiert worden ist, die Tochter von ihrer Arbeitsstelle.“</i><br />
Hertha Riesenfeld, geb. Loewenthal, Buenos Aires, 5. November 1965<br />
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Dorothea Seelig wurde am 16. April 1925 in Berlin geboren. Sie war die einzige Tochter des Ehepaares Kurt und Erna Seelig, geb. Loewenthal, die ein Jahr zuvor auf einem Berliner Standesamt geheiratet hatten. Die junge Familie wohnte in der Kantstraße 36 nahe dem Savignyplatz in Charlottenburg – mitten im Herzen der erlebnishungrigen Hauptstadt der Weimarer Republik mit ihren Restaurants, Bars, Cafés und Jazzclubs. Die Einrichtung der 3-Zimmer-Wohnung übernahmen die Eltern von Erna. Die Ausstattung für das junge Ehepaar entsprach dem zeitgenössischen Standard des gehobenen Berliner Bürgerstandes. Alles deutet darauf hin, dass die Familie Loewenthal-Seelig lange und fest im politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens Deutschland verankert war.<br />
<br />
Dorotheas Vater Kurt Seelig arbeitete für die Warenhauskette Hermann Tietz, die seit Verdrängung der Firmeninhaber im Nationalsozialismus und Umbenennung als Hertie bekannt war und ist. In den 1920er Jahren hatte das Unternehmen gerade A. Jandorf & Co aufgekauft und übernahm so unter anderem das Kaufhaus des Westens (KaDeWe). Im Zuge der Arisierung des Unternehmens verlor auch Kurt Seelig seine Arbeit. In den späten 1930er Jahren war er zuletzt bei einer Firma namens G. Schmidt in der Imtzowstr. 69 beschäftigt. Es handelte sich vermutlich um eine Zwangsbeschäftigung. Die Familie zog 1937 nach Berlin-Borsigwalde (Miraustraße 69) und ein Jahr darauf in die Schivelbeiner Straße 49. Dort wohnte sie im vierten Stock in einer 2-Zimmer-Wohnung.<br />
<br />
Hertha Riesenfeld, die Schwester von Erna, schrieb in einem Brief von 1965: <i>„ (...) es war die Zeit, als mein Schwager infolge der Arisierung von Kaufhaus Hermann Tietz AG seine Stellung verlor, ich kann mich erinnern, dass es Mühe machte, alle ihre Sachen in der kleineren Wohnung unterzubringen.“</i><br />
<br />
Wohl ab 1941 musste auch Dorothea Seelig Zwangsarbeit leisten. Aus den erhaltenen Dokumenten geht nicht hervor, bei welcher Berliner Firma sie beschäftigt war, aber es ist wahrscheinlich, dass es sich um einen „kriegswichtigen Betrieb“ handelte.<br />
<br />
Aufgrund der Gesetzgebung der Nationalsozialisten gegen Juden wurde das Leben in Berlin immer schwieriger. Als besonders harten Schlag dürfte die Familie – wie alle Betroffenen – den Zwang empfunden haben, ab dem 1. September 1941 den „Judenstern“ zu tragen, ein sichtbares Stigma der Ausgrenzung, das jeden Gang in der Öffentlichkeit zur tödlichen Bedrohung machte. Ab dem 13. März 1942 mussten auch die Wohnungen mit dem „Judenstern“ gekennzeichnet werden. 1943 sollte die Hauptstadt „judenfrei“ werden.<br />
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Im Frühjahr 1943 wurde die Familie im Rahmen der „Fabrik-Aktion“ deportiert. Als erste wurde die 18-jährige Dorothea Seelig – sie befand sich an ihrer Arbeitsstelle – von der Gestapo abgeholt und am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Einen Tag später wurden dann ihre Eltern aus ihrer Wohnung heraus ebenfalls in das Vernichtungslager Ausschwitz deportiert und höchst wahrscheinlich direkt nach der Ankunft ermordet. Keines der Familienmitglieder gehörte zu den wenigen Überlebenden, als im Frühjahr 1945 sowjetische Truppen das Lager befreite.

„Ich bin nur davon in Kenntnis gesetzt worden, dass meine Schwester direkt aus ihrer Wohnung heraus deportiert worden ist, die Tochter von ihrer Arbeitsstelle.“
Hertha Riesenfeld, geb. Loewenthal, Buenos Aires, 5. November 1965



Dorothea Seelig wurde am 16. April 1925 in Berlin geboren. Sie war die einzige Tochter des Ehepaares Kurt und Erna Seelig, geb. Loewenthal, die ein Jahr zuvor auf einem Berliner Standesamt geheiratet hatten. Die junge Familie wohnte in der Kantstraße 36 nahe dem Savignyplatz in Charlottenburg – mitten im Herzen der erlebnishungrigen Hauptstadt der Weimarer Republik mit ihren Restaurants, Bars, Cafés und Jazzclubs. Die Einrichtung der 3-Zimmer-Wohnung übernahmen die Eltern von Erna. Die Ausstattung für das junge Ehepaar entsprach dem zeitgenössischen Standard des gehobenen Berliner Bürgerstandes. Alles deutet darauf hin, dass die Familie Loewenthal-Seelig lange und fest im politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens Deutschland verankert war.

Dorotheas Vater Kurt Seelig arbeitete für die Warenhauskette Hermann Tietz, die seit Verdrängung der Firmeninhaber im Nationalsozialismus und Umbenennung als Hertie bekannt war und ist. In den 1920er Jahren hatte das Unternehmen gerade A. Jandorf & Co aufgekauft und übernahm so unter anderem das Kaufhaus des Westens (KaDeWe). Im Zuge der Arisierung des Unternehmens verlor auch Kurt Seelig seine Arbeit. In den späten 1930er Jahren war er zuletzt bei einer Firma namens G. Schmidt in der Imtzowstr. 69 beschäftigt. Es handelte sich vermutlich um eine Zwangsbeschäftigung. Die Familie zog 1937 nach Berlin-Borsigwalde (Miraustraße 69) und ein Jahr darauf in die Schivelbeiner Straße 49. Dort wohnte sie im vierten Stock in einer 2-Zimmer-Wohnung.

Hertha Riesenfeld, die Schwester von Erna, schrieb in einem Brief von 1965: „ (...) es war die Zeit, als mein Schwager infolge der Arisierung von Kaufhaus Hermann Tietz AG seine Stellung verlor, ich kann mich erinnern, dass es Mühe machte, alle ihre Sachen in der kleineren Wohnung unterzubringen.“

Wohl ab 1941 musste auch Dorothea Seelig Zwangsarbeit leisten. Aus den erhaltenen Dokumenten geht nicht hervor, bei welcher Berliner Firma sie beschäftigt war, aber es ist wahrscheinlich, dass es sich um einen „kriegswichtigen Betrieb“ handelte.

Aufgrund der Gesetzgebung der Nationalsozialisten gegen Juden wurde das Leben in Berlin immer schwieriger. Als besonders harten Schlag dürfte die Familie – wie alle Betroffenen – den Zwang empfunden haben, ab dem 1. September 1941 den „Judenstern“ zu tragen, ein sichtbares Stigma der Ausgrenzung, das jeden Gang in der Öffentlichkeit zur tödlichen Bedrohung machte. Ab dem 13. März 1942 mussten auch die Wohnungen mit dem „Judenstern“ gekennzeichnet werden. 1943 sollte die Hauptstadt „judenfrei“ werden.

Im Frühjahr 1943 wurde die Familie im Rahmen der „Fabrik-Aktion“ deportiert. Als erste wurde die 18-jährige Dorothea Seelig – sie befand sich an ihrer Arbeitsstelle – von der Gestapo abgeholt und am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Einen Tag später wurden dann ihre Eltern aus ihrer Wohnung heraus ebenfalls in das Vernichtungslager Ausschwitz deportiert und höchst wahrscheinlich direkt nach der Ankunft ermordet. Keines der Familienmitglieder gehörte zu den wenigen Überlebenden, als im Frühjahr 1945 sowjetische Truppen das Lager befreite.