Eva Manasse

Location 
Thomasiusstraße 5
District
Moabit
Stone was laid
08 August 2014
Born
20 November 1906 in Berlin
Occupation
Schneiderin
Deportation
on 25 January 1942 to Riga
Later deported
on 09 August 1944 to the KZ Stutthof
Murdered
06 January 1945 im KZ Stutthof

Eva Manasse wurde am 20. November 1906 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Eugen Elias Manasse (1860–1925) und dessen Ehefrau Selma Manasse, geborene Cohn (1867–1940). Ihr Vater stammte aus Dramburg aus der damaligen Provinz Pommern (dem heutigen Drawsko Pomorskie); ihre Mutter aus Märkisch Friedland (Mirosławiec). Spätestens Ende der 1880er-Jahre waren ihre Eltern nach Berlin gekommen, wo sie im Juni 1889 standesamtlich heirateten. Eugen Manasse war zu diesem Zeitpunkt Handlungsgehilfe. In den folgenden Jahren etablierte das Ehepaar Manasse eine Getreidehandlung in der Flensburger Straße 17 im Hansaviertel, die sie bis nach der Jahrhundertwende führten und die den Lebensunterhalt der Familie sicherte. Im Mai 1890 kam das erste Kind zur Welt, Evas ältere Schwester Liesbeth Lina, die sie aber nie kennenlernen sollte, da sie im Jahr 1900 im Alter von 10 Jahren verstarb. Eva Manasse wuchs mit ihrer älteren Schwester Klara auf, die im Januar 1895 in Berlin zur Welt gekommen war. Die Familie lebte zum Zeitpunkt von Evas Geburt in einer Wohnung in der Essener Straße 21 in Moabit. 1908 wurde Evas Mutter Selma Mitinhaberin der „Norddeutschen Melassefutterfabrik Albrecht Berliner“ zusammen mit der Unternehmensgründerwitwe Hedwig Berliner. Die Fabrik hatte ihren Sitz in der Heidestraße 14 in Mitte und stellte Futterkomponenten für die Tierzucht aus Melasse her.

Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Eva Manasse und ihrer Schwester sind sonst keine weiteren Quellen überliefert. Evas Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt. Die Familie dürfte außerdem, ausgehend von den unternehmerischen Tätigkeiten von Eugen und Selma Manasse, zum wohlhabenden Bürgertum Berlins in der Kaiserzeit und Weimarer Republik gezählt haben. Keine Zeugnisse haben sich zur schulischen und beruflichen Ausbildung von Eva erhalten. In späteren Jahren war sie zeitweise als Schneiderin tätig. Anders als ihre Schwester Klara, die 1921 den Kaufmann Albert Wilhelm Franz Ermisch heiratete und mit diesem 1923 einen Sohn namens Heinz Albert und 1930 eine Tochter namens Hilde bekam, blieb Eva ledig und kinderlos. Anfang der 1920er-Jahre wurde die Melassefutterfabrik in der Heidestraße in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ihr Vater Eugen übernahm für kurze Zeit den Vorstand, bevor er im Jahr 1925 verstarb. Eva lebte mit ihrer verwitweten Mutter Selma in den folgenden Jahren weiterhin in der Familienwohnung in der Essener Straße 21. Ihre Schwester Klara, die als Sekretärin arbeitete, zog mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn nach Leipzig. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in Eva Manasses Leben im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Eva Manasse und ihre Familienangehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Bildungs- und Berufsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Gesetze und Sondererlasse drängten Eva Manasse zunehmend in die Position einer Rechtlosen im eigenen Land. Bis zu deren Tod im September 1940 hatte sich Eva um ihre Mutter Selma gekümmert, mit der sie gemeinsam in der Essener Straße gewohnt hatte. Spätestens in den 1940er-Jahren war das Leben für sie in Berlin zum reinen Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Eva Manasse erhielt den Deportationsbescheid im Winter 1941/1942. Sie wurde im Januar 1942 in einem der Berliner Sammellager interniert und von dort am 25. Januar 1942 mit dem „10. Osttransport“ in das Ghetto Riga deportiert. Die 36-Jährige überlebte die unmenschlichen Bedingungen in Riga und die dortige Schwerstarbeit („Vernichtung durch Arbeit“) mehr als zwei Jahre, bevor sie am 9. August 1944 angesichts der vorrückenden Roten Armee aus Riga auf dem Seeweg weiter in das Konzentrations- und Vernichtungslager Stutthof bei Danzig (Gdańsk) verschleppt wurde. In Stutthof wurde sie, kurz vor der Evakuierung des Lagers, am 6. Januar 1945 ermordet. Eva Manasse wurde 39 Jahre alt.

Ihre Schwester Klara, die nach den rassistischen NS-Kategorien in „Mischehe“ lebte, wurde wenige Wochen vor Kriegsende am 14. Februar 1945 mit dem aus Frankfurt am Main kommenden „Sammeltransport XII/10“ aus ihrem Wohnsitz in Leipzig in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie erlebte die Befreiung des Ghettos durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 und konnte zu ihrem Ehemann und ihren Kindern Heinz und Hilde Ermisch, später verheiratete Flothmann, nach Leipzig zurückkehren.