Liane Lea Löw

Location 
Thomasiusstraße 11
District
Moabit
Stone was laid
24 June 2015
Born
31 March 1927 in Wien
Occupation
Schülerin
Deportation
on 17 May 1943 to the Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
Murdered

Wenn man die wenigen erhaltenen Fotos von Liane Löw betrachtet, muss sie ein fröhliches, aufgewecktes Kind gewesen sein. Auch in schlimmen Zeiten schien ihr Lachen alle Widrigkeiten entmachten zu wollen. Nur auf dem letzten Foto, über dessen Verwendung wir nichts Genaues wissen, blickt sie so ernst, als würde sie ahnen, was ihr bevorsteht.<br />
<br />
Liane ist das jüngste Kind von Nuchem und Erna Löw. Mit ihren Eltern und dem fünf Jahre älteren Bruder Willy zieht sie 1934 nach Berlin. Der Vater war schon einige Jahre zuvor häufig beruflich hier. Jetzt kommt die Familie nach.<br />
<br />
Als am Abend des 9. November 1938 die Gestapo an die Haustür der Familie in der Thomasiusstraße 11 hämmert, und den Vater abholen will, ist er nicht da. So entgeht er der Verhaftung. Wie mag die 11jährige Liane diese Situation erlebt haben? Die Eltern entschließen sich, ihre Kinder in der Fremde in Sicherheit zu bringen.<br />
<br />
Liane kommt zu Verwandten nach Brüssel, und schon bald spricht und schreibt sie fließend Französisch. Doch im Mai 1940 überfällt die deutsche Wehrmacht die Beneluxländer und Frankreich. In einem dramatischen Brief an ihren Bruder Willy, mit Bleistift auf eine herausgerissene Heftseite geschrieben, schildert Liane die Flucht von Brüssel über Paris nach Arcachon, nahe Bordeaux, nicht ohne mit einem gewissen Stolz zu erwähnen, den Eiffelturm gesehen zu haben. Sie macht sich Sorgen um ihre Eltern, die nicht wissen, wo sie ist.<br />
<br />
Im Januar 1941 ist in Liane wieder in Berlin. Die Verwandten haben ein Visum in die USA und können sie nicht mitnehmen. Liane ist jetzt dreizehn Jahre, immer noch ein Kind, aber sie scheint zu wissen, was diese Rückkehr bedeutet, denn sie schreibt in französischer Sprache an Willy, dass sie sich nur „für ihre Eltern freut“, wieder zurück zu sein. Wie sie offenbar allein, mitten in Krieg und Nazi-Terror, die Reise von Arcachon nach Berlin bewältigt hat, wissen wir nicht.<br />
<br />
Ab jetzt schreibt Liane viele Briefe an ihren großen Bruder, den sie sehr vermisst, zunächst auf Französisch, dann auf Deutsch. Sie berichtet über ihre Schule, der Adass Yisroel, von Lehrern, die „abgegangen“ sind, über neue Klassenkameradinnen, über Schulausflüge oder dass sie Schwimmen geht. Sie teilt ihre Zeugnisnoten mit und ist stolz auf ihre Fortschritte in Latein. Manchmal findet sie auch den Unterricht auch langweilig und die Lehrer „doof“. Sie scheint ein normales Leben zu führen, doch dies ist kaum möglich. Vielleicht will sie den Bruder, der mittlerweile in Kanada ist, nicht ängstigen. Noch drücken ihre Briefe die Hoffnung aus, ausreisen zu können und die Familie bald in Amerika wieder vereint zu sehen. Ihren 14. Geburtstag verlebt sie „schön“ aber ohne große Feier. Sie kann sich nicht vorstellen, schon so alt zu sein - natürlich nicht, wenn man vierzehn wird. Nur zwischen den Zeilen kann man den Druck der zunehmenden Repressalien in Berlin erahnen. Wenn „die Thomasiusstraße ist, wie sie immer war“, dann mag dies bedeuten, dass das Haus bisher von Bombentreffern verschont blieb.<br />
<br />
Ab 1942 sind nur noch Rot-Kreuz-Telegramme an Willy möglich. Sie brauchen bis zu drei Monate, bis sie ihn erreichen, ebenso die Antworten. „Wir sind alle gesund“, heisst es bis zuletzt. Auch Postkarten an einen Verwandten in der Schweiz, der der Familie hin und wieder Päckchen schicken kann, schreibt Liane und entschuldigt sich, dass die Eltern „keine Zeit“ hätten. Sie seien „bei ihrer üblichen Beschäftigung“, was bedeutet: sie müssen Zwangsarbeit leisten.<br />
<br />
Lianes Briefe zeugen von Mut, sind - allen lebensbedrohlichen Umständen zum Trotz - humorvoll und zeigen eine erstaunliche Reife. Der demütigende Namenszusatz „Sara“ fehlt fast immer.<br />
<br />
Am 17. Mai 1943 verstummen die Briefe endgültig. Mit ihren Eltern wird Liane mit dem 38. Transport Ost nach Auschwitz deportiert. Sie ist jetzt sechzehn Jahre alt. Was dort mit ihr geschehen ist, wissen wir nicht. Sie und ihre Eltern werden zu Kriegsende am 8. Mai 1945 offiziell für tot erklärt.

Wenn man die wenigen erhaltenen Fotos von Liane Löw betrachtet, muss sie ein fröhliches, aufgewecktes Kind gewesen sein. Auch in schlimmen Zeiten schien ihr Lachen alle Widrigkeiten entmachten zu wollen. Nur auf dem letzten Foto, über dessen Verwendung wir nichts Genaues wissen, blickt sie so ernst, als würde sie ahnen, was ihr bevorsteht.

Liane ist das jüngste Kind von Nuchem und Erna Löw. Mit ihren Eltern und dem fünf Jahre älteren Bruder Willy zieht sie 1934 nach Berlin. Der Vater war schon einige Jahre zuvor häufig beruflich hier. Jetzt kommt die Familie nach.

Als am Abend des 9. November 1938 die Gestapo an die Haustür der Familie in der Thomasiusstraße 11 hämmert, und den Vater abholen will, ist er nicht da. So entgeht er der Verhaftung. Wie mag die 11jährige Liane diese Situation erlebt haben? Die Eltern entschließen sich, ihre Kinder in der Fremde in Sicherheit zu bringen.

Liane kommt zu Verwandten nach Brüssel, und schon bald spricht und schreibt sie fließend Französisch. Doch im Mai 1940 überfällt die deutsche Wehrmacht die Beneluxländer und Frankreich. In einem dramatischen Brief an ihren Bruder Willy, mit Bleistift auf eine herausgerissene Heftseite geschrieben, schildert Liane die Flucht von Brüssel über Paris nach Arcachon, nahe Bordeaux, nicht ohne mit einem gewissen Stolz zu erwähnen, den Eiffelturm gesehen zu haben. Sie macht sich Sorgen um ihre Eltern, die nicht wissen, wo sie ist.

Im Januar 1941 ist in Liane wieder in Berlin. Die Verwandten haben ein Visum in die USA und können sie nicht mitnehmen. Liane ist jetzt dreizehn Jahre, immer noch ein Kind, aber sie scheint zu wissen, was diese Rückkehr bedeutet, denn sie schreibt in französischer Sprache an Willy, dass sie sich nur „für ihre Eltern freut“, wieder zurück zu sein. Wie sie offenbar allein, mitten in Krieg und Nazi-Terror, die Reise von Arcachon nach Berlin bewältigt hat, wissen wir nicht.

Ab jetzt schreibt Liane viele Briefe an ihren großen Bruder, den sie sehr vermisst, zunächst auf Französisch, dann auf Deutsch. Sie berichtet über ihre Schule, der Adass Yisroel, von Lehrern, die „abgegangen“ sind, über neue Klassenkameradinnen, über Schulausflüge oder dass sie Schwimmen geht. Sie teilt ihre Zeugnisnoten mit und ist stolz auf ihre Fortschritte in Latein. Manchmal findet sie auch den Unterricht auch langweilig und die Lehrer „doof“. Sie scheint ein normales Leben zu führen, doch dies ist kaum möglich. Vielleicht will sie den Bruder, der mittlerweile in Kanada ist, nicht ängstigen. Noch drücken ihre Briefe die Hoffnung aus, ausreisen zu können und die Familie bald in Amerika wieder vereint zu sehen. Ihren 14. Geburtstag verlebt sie „schön“ aber ohne große Feier. Sie kann sich nicht vorstellen, schon so alt zu sein - natürlich nicht, wenn man vierzehn wird. Nur zwischen den Zeilen kann man den Druck der zunehmenden Repressalien in Berlin erahnen. Wenn „die Thomasiusstraße ist, wie sie immer war“, dann mag dies bedeuten, dass das Haus bisher von Bombentreffern verschont blieb.

Ab 1942 sind nur noch Rot-Kreuz-Telegramme an Willy möglich. Sie brauchen bis zu drei Monate, bis sie ihn erreichen, ebenso die Antworten. „Wir sind alle gesund“, heisst es bis zuletzt. Auch Postkarten an einen Verwandten in der Schweiz, der der Familie hin und wieder Päckchen schicken kann, schreibt Liane und entschuldigt sich, dass die Eltern „keine Zeit“ hätten. Sie seien „bei ihrer üblichen Beschäftigung“, was bedeutet: sie müssen Zwangsarbeit leisten.

Lianes Briefe zeugen von Mut, sind - allen lebensbedrohlichen Umständen zum Trotz - humorvoll und zeigen eine erstaunliche Reife. Der demütigende Namenszusatz „Sara“ fehlt fast immer.

Am 17. Mai 1943 verstummen die Briefe endgültig. Mit ihren Eltern wird Liane mit dem 38. Transport Ost nach Auschwitz deportiert. Sie ist jetzt sechzehn Jahre alt. Was dort mit ihr geschehen ist, wissen wir nicht. Sie und ihre Eltern werden zu Kriegsende am 8. Mai 1945 offiziell für tot erklärt.