Hermann Mayer

Location 
Potsdamer Chaussee 48
District
Nikolassee
Stone was laid
07 April 2016
Born
20 October 1894 in Euskirchen / Rheinprovinz
Escape
1934 nach Holland
Deportation
on 15 March 1944 to Bergen-Belsen
Murdered
30 March 1945 in Bergen-Belsen

Das Modehaus Gerson war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine Institution am Werderschen Markt. Dann kamen die Nazis und zerstörten mit dem Geschäft auch eine jüdische Familie.<br />
Zwei elegante Damen drehen sich bei der Anprobe vor dem Spiegel, zwei andere schauen zu. 1927 druckt die Berliner Illustrierte „Sport im Bild“ die Innenaufnahme aus dem Modehaus Herrmann Gerson am Werderschen Markt: damals eine führende Adresse für feine Garderobe. Was die Leser nicht ahnen: Die Dame links im Bild ist Helene Freudenberg, damals 32, Enkelin des Firmenpatriarchen Philipp Freudenberg.<br />
1934 emigriert sie mit ihrer Familie in die Niederlande. Die Töchter Bertha und Margarete werden 1942 in Auschwitz ermordet, der Ehemann in Bergen-Belsen. Helene Freudenberg, die noch Mitte April 1945 nach Theresienstadt gebracht werden sollte, stirbt unmittelbar nach der Befreiung durch die Rote Armee in Sachsen.<br />
Exemplarisch stehen die Freudenbergs für Aufstieg, Entrechtung und Vernichtung jüdischer Familien. Und für die „Entjudung des Berliner Grundbesitzes“, wie es in den dreißiger Jahren unverhohlen hieß. Hermann Freudenberg, einer der Söhne Philipps, ließ sich vom Architekten Muthesius in Nikolassee ein Landhaus bauen, das bis heute vom Schönheitssinn reformorientierter Großbürger erzählt. In Detektivarbeit hat die Autorin und Historikerin Gesa Kessemeier die Kunstsammlung der Familie rekonstruiert, zu der Gemälde von van Gogh, Matisse, Liebermann und Feininger gehörten. Von den meisten Bildern trennte sich die Familie, um die drohende Insolvenz abzuwenden, und verkaufte an Freunde und Nachbarn – heute eher kein Fall für Restitutionsanwälte. Gleichwohl ging ein Feininger-Gemälde, das die Töchter von Hermann Freudenberg 1932 als Leihgabe an die Berliner Nationalgalerie gaben und das sich seit 1949 wieder dort befindet, 2008 als Zweifelsfall durch die Presse.<br />
1932 wurden die Freudenbergs von der Weltwirtschaftskrise eingeholt. Die Firma durchlief – erfolgversprechend – ein Insolvenzverfahren, doch die angelaufene Sanierung wurde durch den Machtantritt der Nazis gestoppt, Kredite verweigert, Steuervergünstigungen zurückgezogen. Louis Goldschmidt, den neuen Hauptgesellschafter, nahmen die Nazis im März 1933 in „Schutzhaft“, drängten ihn in die Emigration. Auch die Familienmitglieder emigrierten bis Mitte der dreißiger Jahre – einige innerhalb Europas, was sie das Leben kostete, andere, wie der letzte Geschäftsführer Georg Freudenberg, nach Palästina, wo noch zwei Söhne leben, geboren 1924 und 1927 in Berlin.<br />
Das Landhaus der Familie Freudenberg Nach der Zerschlagung der Stammhäuser und der „Arisierung“ einer Filiale am Tauentzien durch die Brüder Horn wurden die verbliebenen Immobilien 1936/37 zwangsversteigert. Das Grundstück des Möbelhauses hatte sich die Reichsbank gesichert, das Modehaus ließ das Deutsche Reich über Banken erwerben, das Landhaus in Nikolassee kaufte die Stadt Berlin – alles zu Schnäppchenpreisen. Bei derartigen staatlichen Raubzügen arbeiteten Finanzämter, Banken, staatliche und kommunale Entscheidungsträger und private Profiteure Hand in Hand. Ein Schein von Rechtstaatlichkeit blieb dabei gewahrt. Täterakten, so Kessemeier, „kann man nur richtig verstehen, wenn man über einen historischen Background verfügt und nicht alles glaubt, was dort steht“.<br />
Den „Feentempel der Mode“ baute der NS-Staat schließlich zum Reichskriminalpolizeiamt um. Heydrichs Reichssicherheitshauptamt unterstellt, wurden hier technische Voraussetzungen für Euthanasiemorde und Massenvergasungen erprobt. Heute sind die Grundstücke vom Auswärtigen Amt und durch ein Hotel überbaut. Keine Gedenktafel erinnert an die früheren Besitzer. Im Restitutionsverfahren 1953 wurde Georg Freudenberg vorgeworfen, er sei seinen Verfolgern zu höflich begegnet. Alle Ansprüche wurden abgelehnt. Freudenbergs Söhne ließen nach 1990 die Restitutionsfrist verstreichen, wohl um sich nicht noch einmal sagen lassen zu müssen, ihre Eltern und Großeltern seien schlechte Geschäftsleute gewesen. Auf Kessemeiers Buch habe die Familie positiv reagiert. „Mir geht es“, sagt die Historikerin, „um moralische Rehabilitierung.“ <br />
Aus einen Tagesspiegelartikel vom 13.11.2013 über Gesa Kessemeier: Ein Feentempel der Mode oder Eine vergessene Familie, ein ausgelöschter Ort. Die Familie Freudenberg und das Modehaus „Herrmann Gerson“. Verlag Hentrich & Hentrich<br />

Das Modehaus Gerson war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine Institution am Werderschen Markt. Dann kamen die Nazis und zerstörten mit dem Geschäft auch eine jüdische Familie.
Zwei elegante Damen drehen sich bei der Anprobe vor dem Spiegel, zwei andere schauen zu. 1927 druckt die Berliner Illustrierte „Sport im Bild“ die Innenaufnahme aus dem Modehaus Herrmann Gerson am Werderschen Markt: damals eine führende Adresse für feine Garderobe. Was die Leser nicht ahnen: Die Dame links im Bild ist Helene Freudenberg, damals 32, Enkelin des Firmenpatriarchen Philipp Freudenberg.
1934 emigriert sie mit ihrer Familie in die Niederlande. Die Töchter Bertha und Margarete werden 1942 in Auschwitz ermordet, der Ehemann in Bergen-Belsen. Helene Freudenberg, die noch Mitte April 1945 nach Theresienstadt gebracht werden sollte, stirbt unmittelbar nach der Befreiung durch die Rote Armee in Sachsen.
Exemplarisch stehen die Freudenbergs für Aufstieg, Entrechtung und Vernichtung jüdischer Familien. Und für die „Entjudung des Berliner Grundbesitzes“, wie es in den dreißiger Jahren unverhohlen hieß. Hermann Freudenberg, einer der Söhne Philipps, ließ sich vom Architekten Muthesius in Nikolassee ein Landhaus bauen, das bis heute vom Schönheitssinn reformorientierter Großbürger erzählt. In Detektivarbeit hat die Autorin und Historikerin Gesa Kessemeier die Kunstsammlung der Familie rekonstruiert, zu der Gemälde von van Gogh, Matisse, Liebermann und Feininger gehörten. Von den meisten Bildern trennte sich die Familie, um die drohende Insolvenz abzuwenden, und verkaufte an Freunde und Nachbarn – heute eher kein Fall für Restitutionsanwälte. Gleichwohl ging ein Feininger-Gemälde, das die Töchter von Hermann Freudenberg 1932 als Leihgabe an die Berliner Nationalgalerie gaben und das sich seit 1949 wieder dort befindet, 2008 als Zweifelsfall durch die Presse.
1932 wurden die Freudenbergs von der Weltwirtschaftskrise eingeholt. Die Firma durchlief – erfolgversprechend – ein Insolvenzverfahren, doch die angelaufene Sanierung wurde durch den Machtantritt der Nazis gestoppt, Kredite verweigert, Steuervergünstigungen zurückgezogen. Louis Goldschmidt, den neuen Hauptgesellschafter, nahmen die Nazis im März 1933 in „Schutzhaft“, drängten ihn in die Emigration. Auch die Familienmitglieder emigrierten bis Mitte der dreißiger Jahre – einige innerhalb Europas, was sie das Leben kostete, andere, wie der letzte Geschäftsführer Georg Freudenberg, nach Palästina, wo noch zwei Söhne leben, geboren 1924 und 1927 in Berlin.
Das Landhaus der Familie Freudenberg Nach der Zerschlagung der Stammhäuser und der „Arisierung“ einer Filiale am Tauentzien durch die Brüder Horn wurden die verbliebenen Immobilien 1936/37 zwangsversteigert. Das Grundstück des Möbelhauses hatte sich die Reichsbank gesichert, das Modehaus ließ das Deutsche Reich über Banken erwerben, das Landhaus in Nikolassee kaufte die Stadt Berlin – alles zu Schnäppchenpreisen. Bei derartigen staatlichen Raubzügen arbeiteten Finanzämter, Banken, staatliche und kommunale Entscheidungsträger und private Profiteure Hand in Hand. Ein Schein von Rechtstaatlichkeit blieb dabei gewahrt. Täterakten, so Kessemeier, „kann man nur richtig verstehen, wenn man über einen historischen Background verfügt und nicht alles glaubt, was dort steht“.
Den „Feentempel der Mode“ baute der NS-Staat schließlich zum Reichskriminalpolizeiamt um. Heydrichs Reichssicherheitshauptamt unterstellt, wurden hier technische Voraussetzungen für Euthanasiemorde und Massenvergasungen erprobt. Heute sind die Grundstücke vom Auswärtigen Amt und durch ein Hotel überbaut. Keine Gedenktafel erinnert an die früheren Besitzer. Im Restitutionsverfahren 1953 wurde Georg Freudenberg vorgeworfen, er sei seinen Verfolgern zu höflich begegnet. Alle Ansprüche wurden abgelehnt. Freudenbergs Söhne ließen nach 1990 die Restitutionsfrist verstreichen, wohl um sich nicht noch einmal sagen lassen zu müssen, ihre Eltern und Großeltern seien schlechte Geschäftsleute gewesen. Auf Kessemeiers Buch habe die Familie positiv reagiert. „Mir geht es“, sagt die Historikerin, „um moralische Rehabilitierung.“
Aus einen Tagesspiegelartikel vom 13.11.2013 über Gesa Kessemeier: Ein Feentempel der Mode oder Eine vergessene Familie, ein ausgelöschter Ort. Die Familie Freudenberg und das Modehaus „Herrmann Gerson“. Verlag Hentrich & Hentrich