Alexander Schapiro

Location 
Brunnenstraße 165
District
Mitte
Stone was laid
22 March 2017
Born
1889 in
Occupation
Fotograf
Escape
Flucht nach Frankreich 1933
Deportation
on 19 August 1942 to Auschwitz
Murdered
August 1942 in Auschwitz

Vermutlich wurde Alexander Schapiro im Jahr 1889 in Novozybkov (Ukraine) geboren. Das genaue Datum seiner Geburt bleibt unklar, es gibt sich wiedersprechende Angaben. Seine jüdische Familie verließ er mit 14 Jahren, um sich der formierenden anarchistischen Bewegung in Russland anzuschließen. Als „Sasha Piotr“, so sein Rufname, zog er mit seinen Genossen durch die Ukraine – sie forderten die Aufteilung des Grundbesitzes und riefen zur Revolution gegen das Zarenreich auf. Sein Sohn Alexander schreibt später über seinen Vater: „Schon sehr früh fühlte er sich solidarisch mit den Bauern und kleinen Leuten, mehr als mit seiner eigenen Familie, die dem Mittelstand angehörte.“ Mit 16 wurde Sascha verhaftet und wie alle seine Genossen zum Tode verurteilt. Doch wurde er auf Grund seines Alters begnadigt und seine Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Eine Haft, die von Hungerstreiks, Fluchtversuchen und Protesten aller Art gekennzeichnet war. Bei einem Fluchtversuch wurde ihm der linke Arm angeschossen, der daraufhin amputiert werden musste. Auf Grund dieser Verletzung misslang ein Suizidversuch. In dieser Zeit begann Sascha, seinen Kopf kahl zu rasieren – eine Geste, die später auch sein Sohn übernehmen sollte. <br />
Insgesamt war Sascha Schapiro elf Jahre im Zuchthaus unter furchtbaren Bedingungen interniert; 1917 wurde er im Zuge der Oktoberrevolution befreit. An dieser beteiligte er sich anschließend mit großem Einsatz und nahm an bewaffneten Kämpfen einer Gruppe von anarchistischen Kombattanten teil. Inwieweit er als Einarmiger selbst direkt eine Waffe trug, bleibt fragwürdig. Überliefert ist, dass seine Gruppe sich der Machno-Bewegung anschloss, die versuchte, mit einer Bauernarmee die Ideale einer Gesellschaft der Gleichen zu erreichen. Aus Aufzeichnungen seiner späteren Partnerin Hanka Grothendiecks ist bekannt, dass er in dieser Zeit eine Frau namens Rachil geheiratet hatte und mit ihr zusammen einen Sohn hatte, der David hieß und Dodek gerufen wurde. Die Beziehung scheiterte jedoch – nur ein sporadischer Briefkontakt bis in die 1930er Jahre scheint bestanden zu haben. Nach der Machtübernahme der Bolschewiki musste Sascha 1921 heimlich das Land verlassen, da er als Anarchist erneut zum Tode verurteilt worden war. <br />
Zuerst floh er nach Paris, wo er seinen Namen in „Alexander Tanaroff“ änderte; dieser Name sollte ihn bis zu seinem Tod begleiten. Nach Paris ging er nach Berlin, wo er eine Aufenthaltserlaubnis erhielt, wie es damals für viele politisch Verfolgte aus der Sowjetunion üblich war. Jedoch fand er keine Verdienstmöglichkeiten und ging wieder nach Paris zurück. In der nächsten Zeit wechselte er permanent seinen Wohnort – meist war er ohne Aufenthaltserlaubnis einige Wochen hier, einige Monate dort und schlug sich als Straßenfotograf herum oder wurde von Genossen finanziell unterstützt. Er lebte in Frankreich und Belgien, kehrte aber immer wieder in die deutsche Hauptstadt zurück. In Berlin lernte er die Künstlerin Hanka Grothendieck kennen, die zu der Zeit noch mit ihrem Ehemann Alf Raddatz zusammen war. Die beiden hatten eine gemeinsame Tochter, die „Frode“ hieß, von allen aber nur „Maidi“ genannt wurde. 1926 kamen Alexander Schapiro und Hanka Grothendieck zusammen und zwei Jahre später wurde ihr Sohn Alexander Grothendieck geboren. Der Autor Winfried Scharlau vermutet, dass Maidi nach der Geburt ihres kleinen Halbbruders Alexanders nach Hamburg zu den Großeltern gebracht wurde, dies ist jedoch nicht klar bewiesen. Inwieweit und wie lang Maidi bei der Familie lebte, ist nicht geklärt. Die Beziehung Saschas zu Hanka muss leidenschaftlich, aber sehr schwierig gewesen sein, das Paar schwebte zwischen permanenter Trennung und Versöhnung und schien nicht glücklich. <br />
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, floh Sascha im Sommer 1933 nach Paris, da es für ihn als Juden und Anarchisten in Deutschland zu gefährlich wurde. Er muss eines Nachts im Sommer 1933 ohne Abschied gegangen sein, was seinen Sohn Alexande sehr verletzt haben muss. Diese Verletzung steigerte sich noch, da Hanka Grothendieck zum Jahreswechsel 1933/34 beschloss, ihrem Partner zu folgen und ihre Kinder getrennt voneinander weg zu geben. Maidi kam in ein Heim für behinderte Kinder nach Berlin, während Alexander in eine Pflegefamilie nach Hamburg gegeben wurde. <br />
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Sascha arbeitete in Paris weiterhin als Straßenfotograf, Hanka gab Deutschunterricht. Wie viele Emigranten aus Nazideutschland werden sie am Existenzminimum gelebt haben. Aus einem umfangreichen Polizeidossier, das über das Paar Schapiro/Grothendieck geführt wurde, wissen wir, dass Hanka 1937 Paris verließ und nach Nîmes ging, während Sascha in Vincennes bei Paris lebte. In dieser Zeit muss Sascha, wie viele Anarchisten aus Frankreich, sich aufgemacht haben, die spanische Republik gegen die faschistischen Truppen des General Franco zu verteidigen. Er wird als Einarmiger kaum aktiv gekämpft haben, aber es gibt Zeugenaussagen, die ihn bei anarchistischen Treffen in Spanien haben sprechen hören. Für eine kurze Zeit scheint auch Hanka in Spanien gewesen zu sein, wo genau und wie lang sie dort war ist nicht überliefert. <br />
Fest steht, dass das Paar nach der Niederlage im Spanischen Bürgerkrieg politisch desillusioniert und angeschlagen im Mai 1939 nach Paris zurückkehrte. In dieser Zeit ließen sie auch Alexander aus Hamburg zu sich kommen. Mit der Ankunft Alexanders gingen sie wieder nach Nîmes. Dort wurde Sascha im Oktober 1939 als feindlicher Ausländer verhaftet und im berüchtigten Lager Le Vernet in den Pyrenäen interniert. In diesem Lager waren viele der nach Frankreich geflohenen ehemaligen Spanienkämpfer interniert und nach dem deutschen Überfall auf Frankreich kamen viele deutsche Emigranten dazu. Trotz zunehmend schlimmer Bedingungen im Lager war es auch ein Zentrum europäischer Intelligenz – zu den Gefangenen zählten Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler und Intellektuelle. <br />
<br />
Es gibt einzelne Bilder von Sascha in Le Vernet – viel über sein Leben dort ist nicht bekannt. Die Lebensbedingungen waren im Vergleich zu vielen der anderen französischen Lagern sehr schlecht, der Krankenstand extrem hoch und viele der entkräfteten Männer konnten nur wenige Stunden am Tag Zwangsarbeit leisten. Am 8. August 1942, also noch vor der Besatzung des sog. „Freien Südens“ durch die Wehrmacht, begannen die ersten Auslieferungen von Juden aus Vichy-Frankreich an die deutschen Besatzer. Unter dem Namen Alexander Tanaroff wurde Sascha am 14. August 1942 mit einem Transport vom Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort unmittelbar nach seiner Ankunft ermordet, da er als Einarmiger in der Selektion mit Sicherheit nicht als „arbeitsfähig“ eingestuft worden ist. <br />
Hanka schrieb einmal über ihn: „Er hat so oft dem Tod ins Gesicht gesehen – wann denn wäre sein Leben nicht bedroht? (…) Aber zu Grübeleien über die Frage „Was ist der Tod?“ hat er nie die Muße gehabt und nie die Notwendigkeit empfunden. Zu anderem hat der Gedanke an die verlorenen Genossen angespornt, für das zu kämpfen, immer unermüdlicher, wofür sie ihr Leben gaben: für ein schöneres, gerechteres Leben für die Lebenden“. <br />
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Vermutlich wurde Alexander Schapiro im Jahr 1889 in Novozybkov (Ukraine) geboren. Das genaue Datum seiner Geburt bleibt unklar, es gibt sich wiedersprechende Angaben. Seine jüdische Familie verließ er mit 14 Jahren, um sich der formierenden anarchistischen Bewegung in Russland anzuschließen. Als „Sasha Piotr“, so sein Rufname, zog er mit seinen Genossen durch die Ukraine – sie forderten die Aufteilung des Grundbesitzes und riefen zur Revolution gegen das Zarenreich auf. Sein Sohn Alexander schreibt später über seinen Vater: „Schon sehr früh fühlte er sich solidarisch mit den Bauern und kleinen Leuten, mehr als mit seiner eigenen Familie, die dem Mittelstand angehörte.“ Mit 16 wurde Sascha verhaftet und wie alle seine Genossen zum Tode verurteilt. Doch wurde er auf Grund seines Alters begnadigt und seine Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Eine Haft, die von Hungerstreiks, Fluchtversuchen und Protesten aller Art gekennzeichnet war. Bei einem Fluchtversuch wurde ihm der linke Arm angeschossen, der daraufhin amputiert werden musste. Auf Grund dieser Verletzung misslang ein Suizidversuch. In dieser Zeit begann Sascha, seinen Kopf kahl zu rasieren – eine Geste, die später auch sein Sohn übernehmen sollte.
Insgesamt war Sascha Schapiro elf Jahre im Zuchthaus unter furchtbaren Bedingungen interniert; 1917 wurde er im Zuge der Oktoberrevolution befreit. An dieser beteiligte er sich anschließend mit großem Einsatz und nahm an bewaffneten Kämpfen einer Gruppe von anarchistischen Kombattanten teil. Inwieweit er als Einarmiger selbst direkt eine Waffe trug, bleibt fragwürdig. Überliefert ist, dass seine Gruppe sich der Machno-Bewegung anschloss, die versuchte, mit einer Bauernarmee die Ideale einer Gesellschaft der Gleichen zu erreichen. Aus Aufzeichnungen seiner späteren Partnerin Hanka Grothendiecks ist bekannt, dass er in dieser Zeit eine Frau namens Rachil geheiratet hatte und mit ihr zusammen einen Sohn hatte, der David hieß und Dodek gerufen wurde. Die Beziehung scheiterte jedoch – nur ein sporadischer Briefkontakt bis in die 1930er Jahre scheint bestanden zu haben. Nach der Machtübernahme der Bolschewiki musste Sascha 1921 heimlich das Land verlassen, da er als Anarchist erneut zum Tode verurteilt worden war.
Zuerst floh er nach Paris, wo er seinen Namen in „Alexander Tanaroff“ änderte; dieser Name sollte ihn bis zu seinem Tod begleiten. Nach Paris ging er nach Berlin, wo er eine Aufenthaltserlaubnis erhielt, wie es damals für viele politisch Verfolgte aus der Sowjetunion üblich war. Jedoch fand er keine Verdienstmöglichkeiten und ging wieder nach Paris zurück. In der nächsten Zeit wechselte er permanent seinen Wohnort – meist war er ohne Aufenthaltserlaubnis einige Wochen hier, einige Monate dort und schlug sich als Straßenfotograf herum oder wurde von Genossen finanziell unterstützt. Er lebte in Frankreich und Belgien, kehrte aber immer wieder in die deutsche Hauptstadt zurück. In Berlin lernte er die Künstlerin Hanka Grothendieck kennen, die zu der Zeit noch mit ihrem Ehemann Alf Raddatz zusammen war. Die beiden hatten eine gemeinsame Tochter, die „Frode“ hieß, von allen aber nur „Maidi“ genannt wurde. 1926 kamen Alexander Schapiro und Hanka Grothendieck zusammen und zwei Jahre später wurde ihr Sohn Alexander Grothendieck geboren. Der Autor Winfried Scharlau vermutet, dass Maidi nach der Geburt ihres kleinen Halbbruders Alexanders nach Hamburg zu den Großeltern gebracht wurde, dies ist jedoch nicht klar bewiesen. Inwieweit und wie lang Maidi bei der Familie lebte, ist nicht geklärt. Die Beziehung Saschas zu Hanka muss leidenschaftlich, aber sehr schwierig gewesen sein, das Paar schwebte zwischen permanenter Trennung und Versöhnung und schien nicht glücklich.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, floh Sascha im Sommer 1933 nach Paris, da es für ihn als Juden und Anarchisten in Deutschland zu gefährlich wurde. Er muss eines Nachts im Sommer 1933 ohne Abschied gegangen sein, was seinen Sohn Alexande sehr verletzt haben muss. Diese Verletzung steigerte sich noch, da Hanka Grothendieck zum Jahreswechsel 1933/34 beschloss, ihrem Partner zu folgen und ihre Kinder getrennt voneinander weg zu geben. Maidi kam in ein Heim für behinderte Kinder nach Berlin, während Alexander in eine Pflegefamilie nach Hamburg gegeben wurde.

Sascha arbeitete in Paris weiterhin als Straßenfotograf, Hanka gab Deutschunterricht. Wie viele Emigranten aus Nazideutschland werden sie am Existenzminimum gelebt haben. Aus einem umfangreichen Polizeidossier, das über das Paar Schapiro/Grothendieck geführt wurde, wissen wir, dass Hanka 1937 Paris verließ und nach Nîmes ging, während Sascha in Vincennes bei Paris lebte. In dieser Zeit muss Sascha, wie viele Anarchisten aus Frankreich, sich aufgemacht haben, die spanische Republik gegen die faschistischen Truppen des General Franco zu verteidigen. Er wird als Einarmiger kaum aktiv gekämpft haben, aber es gibt Zeugenaussagen, die ihn bei anarchistischen Treffen in Spanien haben sprechen hören. Für eine kurze Zeit scheint auch Hanka in Spanien gewesen zu sein, wo genau und wie lang sie dort war ist nicht überliefert.
Fest steht, dass das Paar nach der Niederlage im Spanischen Bürgerkrieg politisch desillusioniert und angeschlagen im Mai 1939 nach Paris zurückkehrte. In dieser Zeit ließen sie auch Alexander aus Hamburg zu sich kommen. Mit der Ankunft Alexanders gingen sie wieder nach Nîmes. Dort wurde Sascha im Oktober 1939 als feindlicher Ausländer verhaftet und im berüchtigten Lager Le Vernet in den Pyrenäen interniert. In diesem Lager waren viele der nach Frankreich geflohenen ehemaligen Spanienkämpfer interniert und nach dem deutschen Überfall auf Frankreich kamen viele deutsche Emigranten dazu. Trotz zunehmend schlimmer Bedingungen im Lager war es auch ein Zentrum europäischer Intelligenz – zu den Gefangenen zählten Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler und Intellektuelle.

Es gibt einzelne Bilder von Sascha in Le Vernet – viel über sein Leben dort ist nicht bekannt. Die Lebensbedingungen waren im Vergleich zu vielen der anderen französischen Lagern sehr schlecht, der Krankenstand extrem hoch und viele der entkräfteten Männer konnten nur wenige Stunden am Tag Zwangsarbeit leisten. Am 8. August 1942, also noch vor der Besatzung des sog. „Freien Südens“ durch die Wehrmacht, begannen die ersten Auslieferungen von Juden aus Vichy-Frankreich an die deutschen Besatzer. Unter dem Namen Alexander Tanaroff wurde Sascha am 14. August 1942 mit einem Transport vom Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort unmittelbar nach seiner Ankunft ermordet, da er als Einarmiger in der Selektion mit Sicherheit nicht als „arbeitsfähig“ eingestuft worden ist.
Hanka schrieb einmal über ihn: „Er hat so oft dem Tod ins Gesicht gesehen – wann denn wäre sein Leben nicht bedroht? (…) Aber zu Grübeleien über die Frage „Was ist der Tod?“ hat er nie die Muße gehabt und nie die Notwendigkeit empfunden. Zu anderem hat der Gedanke an die verlorenen Genossen angespornt, für das zu kämpfen, immer unermüdlicher, wofür sie ihr Leben gaben: für ein schöneres, gerechteres Leben für die Lebenden“.