Fritz Samuel Siegfried Citron

Location 
Hardenbergstraße 31
District
Charlottenburg
Stone was laid
14 November 2016
Born
14 January 1876 in Berent (Westpreußen) / Kościerzyna
Occupation
Oberverwaltungsgerichtsrat
Escape into death
26 December 1938 in Berlin

Fritz Samuel Siegfried Citron wurde am 14. Januar 1876 in Berent/Westpreußen geboren.<br />
<br />
Seit Beginn der Weimarer Republik war die wilhelminische Vorgabe, Juden sowie christlich getaufte „frühere Juden“ allenfalls ausnahmsweise in höhere Richterämter zu befördern, entfallen. So wurde Fritz Citron, der im Alter von 13 Jahren vom Judentum zum Christentum konvertiert war, 1920 zum Kammergerichtsrat und 1929 zum Oberverwaltungsgerichtsrat am Preußischen Oberverwaltungsgericht ernannt.<br />
<br />
Nach Auswertung des Fragebogens zur Durchführung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (BBG) vom 7. April 1933 wurde „Euer Hochwohlgeboren“ Fritz Citron bereits Mitte August 1933 per Postzustellung darüber unterrichtet, dass er sofort vom Dienst entbunden war. Sein bisheriger Kollege Dr. Heinrich Schellen, jetzt im Preußischen Innenministerium zuständig für die Umsetzung des BBG, fertigte kurz darauf einen vernichtenden „Vermerk“ über ihn.<br />
<br />
„Der Oberverwaltungsgerichtsrat C i t r o n ist rassisch Volljude und wurde als damaliger Kammergerichtsrat in das OVG. berufen. Er hat dem demokratischen Klub und dem re-publikanischen Richterbunde, letzterem vom Jahre 1922 ab bis zu seiner Auflösung angehört. Seine linke Einstellung ist auch in seiner Tätigkeit als OVG.Rat zum Ausdruck gekommen. Von ihm kann daher nicht angenommen werden, dass er in der Lage ist, sich bedingungslos hinter die Regierung des nationalen Staates zu stellen. Seine Entlassung aufgrund des § 4…ist daher erforderlich.“<br />
<br />
Bereits am nächsten Tag verfügte Schellen unter „Sofort“ die umgehende Entlassung Citrons aus dem Dienst.<br />
<br />
Danach bemühte sich Citron zunächst darum, deren finanzielle Auswirkungen abzumildern. Er sollte jetzt nur noch ungefähr 500 Reichsmark erhalten, etwa die Hälfte seines bisherigen Netto-Gehaltes, was für den gewohnten Lebenszuschnitt der fünfköpfigen Familie bei weitem nicht ausreichte. Auch an Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Betätigung war nun nicht mehr zu denken.<br />
Citrons außerberufliches juristisches Engagement hatte seit langem dem Genossenschaftsrecht gegolten. Er war Herausgeber des Genossenschaftsgesetz-Kommentars „Parisius-Crüger“. Nachdem er 1934 noch mehrfach zitiert worden war, sah sich ein Berliner Rechtsanwalt, ein „alter Kämpfer und Pg.“, veranlasst, dies in der Juristischen Wochenschrift zu kritisieren. Dabei bezeichnete er ihn als „den vom nationalsozialistischen Staat schleunigst in den Ruhestand versetzten Juden OVGR C i t r o n …“. Diesem „Marxisten“ dürfe die Kommentierung des Genossenschaftsgesetzes nicht länger gestattet werden.<br />
<br />
Fritz Citron wehrte sich und erhob gegen den Anwalt Klage auf Unterlassung. Dies führte indes lediglich dazu, dass dessen Prozessvertreter, ein SS-Mitglied, dem Innenminister Göring empfahl, Citron in ein Konzentrationslager zu verbringen und ihm seine Pension zu entziehen.<br />
<br />
Die Kommentierung des Genossenschaftsrechts lag bald darauf nicht länger in der „jüdisch-marxistischen Hand“ Fritz Citrons - der „Parisius-Crüger“ wurde vom Verlag de Gruyter zwei „arischen“ Bearbeitern überantwortet — auf welchem juristischen Weg auch immer… Damit war eingetreten, was Citron befürchtet hatte: Die diskriminierende Entlas-sung hatte ihm zusätzlich die Chance genommen, wenigstens noch als Genossenschafts-rechtler Einkünfte zu erzielen und sich juristisch zu betätigen.<br />
<br />
Trotz aller Bedrängnis zog Fritz Citron in diesen Jahren eine Emigration nicht näher in Betracht. Für einen völligen Neuanfang im Ausland fehlte ihm neben finanziellen Ressourcen die Vitalität. Im Herbst 1938 rang er sich dazu durch, eine in England lebende Cousine zur Aufnahme seiner 18 jährigen Tochter, die ihm von seinen drei Kindern am nächsten stand, zu veranlassen. <br />
<br />
Kurz nach der sog. „Reichskristallnacht“, am 15. November 1938 traf die Tochter in London ein. Am selben Tag „retteten“ Passanten Fritz Citron aus der Spree — er hatte sich das Leben nehmen wollen und kam nun in die geschlossene Abteilung der Psychiatrischen Klinik Berlin-Buch. Auf Betreiben seiner Frau wurde er bald darauf entlassen—mit der ärztlichen Prognose, dass er „es wieder tun“ werde. Man war sich darüber einig, dass er dazu auch allen Grund hätte. Am Morgen des 26. Dezember 1938 wurde er in seinem Untermietzimmer erhängt aufgefunden.<br />
<br />
Für Fritz Citron liegt bereits ein Stolperstein in der Münchener Straße 2 in Schöneberg.<br />

Fritz Samuel Siegfried Citron wurde am 14. Januar 1876 in Berent/Westpreußen geboren.

Seit Beginn der Weimarer Republik war die wilhelminische Vorgabe, Juden sowie christlich getaufte „frühere Juden“ allenfalls ausnahmsweise in höhere Richterämter zu befördern, entfallen. So wurde Fritz Citron, der im Alter von 13 Jahren vom Judentum zum Christentum konvertiert war, 1920 zum Kammergerichtsrat und 1929 zum Oberverwaltungsgerichtsrat am Preußischen Oberverwaltungsgericht ernannt.

Nach Auswertung des Fragebogens zur Durchführung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (BBG) vom 7. April 1933 wurde „Euer Hochwohlgeboren“ Fritz Citron bereits Mitte August 1933 per Postzustellung darüber unterrichtet, dass er sofort vom Dienst entbunden war. Sein bisheriger Kollege Dr. Heinrich Schellen, jetzt im Preußischen Innenministerium zuständig für die Umsetzung des BBG, fertigte kurz darauf einen vernichtenden „Vermerk“ über ihn.

„Der Oberverwaltungsgerichtsrat C i t r o n ist rassisch Volljude und wurde als damaliger Kammergerichtsrat in das OVG. berufen. Er hat dem demokratischen Klub und dem re-publikanischen Richterbunde, letzterem vom Jahre 1922 ab bis zu seiner Auflösung angehört. Seine linke Einstellung ist auch in seiner Tätigkeit als OVG.Rat zum Ausdruck gekommen. Von ihm kann daher nicht angenommen werden, dass er in der Lage ist, sich bedingungslos hinter die Regierung des nationalen Staates zu stellen. Seine Entlassung aufgrund des § 4…ist daher erforderlich.“

Bereits am nächsten Tag verfügte Schellen unter „Sofort“ die umgehende Entlassung Citrons aus dem Dienst.

Danach bemühte sich Citron zunächst darum, deren finanzielle Auswirkungen abzumildern. Er sollte jetzt nur noch ungefähr 500 Reichsmark erhalten, etwa die Hälfte seines bisherigen Netto-Gehaltes, was für den gewohnten Lebenszuschnitt der fünfköpfigen Familie bei weitem nicht ausreichte. Auch an Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Betätigung war nun nicht mehr zu denken.
Citrons außerberufliches juristisches Engagement hatte seit langem dem Genossenschaftsrecht gegolten. Er war Herausgeber des Genossenschaftsgesetz-Kommentars „Parisius-Crüger“. Nachdem er 1934 noch mehrfach zitiert worden war, sah sich ein Berliner Rechtsanwalt, ein „alter Kämpfer und Pg.“, veranlasst, dies in der Juristischen Wochenschrift zu kritisieren. Dabei bezeichnete er ihn als „den vom nationalsozialistischen Staat schleunigst in den Ruhestand versetzten Juden OVGR C i t r o n …“. Diesem „Marxisten“ dürfe die Kommentierung des Genossenschaftsgesetzes nicht länger gestattet werden.

Fritz Citron wehrte sich und erhob gegen den Anwalt Klage auf Unterlassung. Dies führte indes lediglich dazu, dass dessen Prozessvertreter, ein SS-Mitglied, dem Innenminister Göring empfahl, Citron in ein Konzentrationslager zu verbringen und ihm seine Pension zu entziehen.

Die Kommentierung des Genossenschaftsrechts lag bald darauf nicht länger in der „jüdisch-marxistischen Hand“ Fritz Citrons - der „Parisius-Crüger“ wurde vom Verlag de Gruyter zwei „arischen“ Bearbeitern überantwortet — auf welchem juristischen Weg auch immer… Damit war eingetreten, was Citron befürchtet hatte: Die diskriminierende Entlas-sung hatte ihm zusätzlich die Chance genommen, wenigstens noch als Genossenschafts-rechtler Einkünfte zu erzielen und sich juristisch zu betätigen.

Trotz aller Bedrängnis zog Fritz Citron in diesen Jahren eine Emigration nicht näher in Betracht. Für einen völligen Neuanfang im Ausland fehlte ihm neben finanziellen Ressourcen die Vitalität. Im Herbst 1938 rang er sich dazu durch, eine in England lebende Cousine zur Aufnahme seiner 18 jährigen Tochter, die ihm von seinen drei Kindern am nächsten stand, zu veranlassen.

Kurz nach der sog. „Reichskristallnacht“, am 15. November 1938 traf die Tochter in London ein. Am selben Tag „retteten“ Passanten Fritz Citron aus der Spree — er hatte sich das Leben nehmen wollen und kam nun in die geschlossene Abteilung der Psychiatrischen Klinik Berlin-Buch. Auf Betreiben seiner Frau wurde er bald darauf entlassen—mit der ärztlichen Prognose, dass er „es wieder tun“ werde. Man war sich darüber einig, dass er dazu auch allen Grund hätte. Am Morgen des 26. Dezember 1938 wurde er in seinem Untermietzimmer erhängt aufgefunden.

Für Fritz Citron liegt bereits ein Stolperstein in der Münchener Straße 2 in Schöneberg.