Richard Bernhard

Location 
Kavalierstraße 15 a
Historical name
Kavalierstraße 22
District
Pankow
Stone was laid
09 May 2019
Born
23 July 1867 in Tessin bei Rostock
Occupation
Kaufmann
Deportation
on 07 September 1942 to Theresienstadt
Murdered
21 September 1942 in Theresienstadt

Eigentlich müsste der Stolperstein für Richard Bernhard in Tessin bei Rostock liegen. Denn dort war die jüdische Kaufmannsfamilie Bernhard seit 1818 ansässig. Von dort wanderte David Bernhard, ein älterer Bruder von Richard, schon 1882 nach England aus, wurde als Tuchfabrikant sehr reich und kaufte Anfang der 1920er-Jahre in Pankow zwölf große Wohnhäuser. Dort im Mecklenburgischen Tessin wurde Richard Bernhard am 23. Juli 1867 geboren; dort heiratete er 1894 Caroline Levy; dort wurden die drei Kinder geboren: Paul 1895, Willy 1899, und Lotte 1903. Dort starb bereits 1929 seine Frau.<br />
Was Richard Bernhard beruflich machte, wurde von seiner Tochter Lotte später so beschrieben: „Mein Vater hatte ein gutgehendes Geschäft in Tessin, welches bereits von seinem Vater gegründet war. Das Unternehmen bestand aus An- und Verkauf von Getreide, Kartoffeln, Düngemitteln, Saaten, Ölen, Betriebsstoffen und Kohlen.“ Zum elterlichen Vermögen gehörte ein umfangreicher Haus- und Grundbesitz. Aber – so weiter in dem Bericht von Lotte: „1937 wurde mein Vater gezwungen, sein Geschäft aufzugeben, da niemand mehr von einem Juden kaufen durfte.“<br />
Richard Bernhard zog nach Pankow, hier in dieses Haus, das seinem Bruder in England gehörte, und in dem er eine 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock bewohnte.<br />
Sein ältester Sohn Paul, der mit ihm das Geschäft in Tessin geführt hatte, war mit Frau und Kind nach Hamburg gegangen. Willy, der eben erst 1934 geheiratet und 1935 seine Tochter Ruth bekommen hatte, zog in die Breite Straße 16 – auch ein Haus des englischen Verwandten. Lotte, die Jüngste, war mit dem jüdischen Zahnarzt Eisenstädt verheiratet; mit ihm und ihrem Sohn Ralph flüchtete sie 1938 nach China. Später lebte sie in den USA.<br />
Übers Internet haben wir Kontakt zu einer Urenkelin in den USA bekommen, Cathy Wentz-Eisenstadt. Ihr verdanken wir viele Informationen, Fotos und Dokumente, z.B. Briefe, die Richard Bernhard an seine Kinder in China geschrieben hat und die uns Einblick geben in das ganz alltägliche jüdische Leben in Pankow noch in den ersten Kriegsjahren – mit den kleinen Freuden und den großen Sorgen.<br />
Aus einem Brief an Tochter Lotte und ihre Familie in China:<br />
„Berlin-Pankow den 25.9.1940 Meine lieben Kinder, lieber Ralph! Heute erhielt ich Eure liebe Karte vom 30.8. und habe mich sehr dazu gefreut, besonders dass ich Euer Wohl daraus ersah und dass Ihr ein Haus gefunden habt. Ich sage immer, der alte Gott lebt noch, er verlässt einen nicht, wenn es einem auch manchmal große Sorgen macht. […].Heute habe ich wieder Mangold abgeschnitten, es wird wohl der letzte sein, denn jetzt wird er wohl nicht weiter wachsen. Meine Radies sind noch ganz gut geworden. Die Tomaten habe ich heute gezählt, es sind noch 50 Stück dran, welche noch grün sind. Ich hoffe, die werden noch gut. Morgen werde ich welche abnehmen, die reifen im Hause nach. Die 3 Stämme haben über 140 Stück gebracht, 90 ich habe schon abgenommen. Man sagt ja immer, der dümmste Bauer hat die größten Kartoffeln. Der Hauswart hatte 5 Stämme, und hat kaum 50 Stück gehabt.“<br />
Und am 25.9.1941:<br />
„Die Feiertage haben wir jetzt hinter uns, die (Synagoge in der) Mühlenstraße ist für die Feiertage wieder eingerichtet. Ich habe die Tage in aller Ruhe verbracht, war im Tempel, Mittag gegessen, Mittagspause gehalten, dann im Garten. […] Willy, Meta und Ruthchen geht es gut, sie arbeiten beide. […] Die Hamburger sind auch gesund. […] Ich habe geschrieben und gebeten, mir sobald wie möglich ein Visum zu besorgen, denn nach Quote geht es jetzt nicht mehr. Sie (Hanne) hat sich auch bemüht; sie schreibt, wer Angehörige hinterlässt, bekommt kein Visum. Eine komische Bestimmung! Ich habe nun nochmals geschrieben, dass sie alle Hebel in Bewegung setzen soll, um etwas zu erreichen. Wenn sie es kann, wird sie es auch machen.“<br />
Sechs Wochen später, am 8. November 1941, wurden „die drei Hamburger“ nach Minsk deportiert und dort ermordet. <br />
Die „Arbeit“ von Willy und seiner Frau Meta war Zwangsarbeit – für Meta bei der Fa. Kudoke in der Lothringer Straße 62, für Willy bei der Deutschen Reichsbahn mit Gleisbauarbeiten im Bautrupp 6. Anfang März 1943 wurden beide zusammen mit ihrer achtjährigen Tochter Ruth im Zuge der „Fabrikaktion“ nach Auschwitz deportiert.<br />
Auch für Richard Bernhard gab es kein Visum mehr. Am 7. September 1942 wurde er nach Theresienstadt gebracht, zwei Wochen später, am 21. September, ist er dort gestorben, ermordet worden.<br />

Eigentlich müsste der Stolperstein für Richard Bernhard in Tessin bei Rostock liegen. Denn dort war die jüdische Kaufmannsfamilie Bernhard seit 1818 ansässig. Von dort wanderte David Bernhard, ein älterer Bruder von Richard, schon 1882 nach England aus, wurde als Tuchfabrikant sehr reich und kaufte Anfang der 1920er-Jahre in Pankow zwölf große Wohnhäuser. Dort im Mecklenburgischen Tessin wurde Richard Bernhard am 23. Juli 1867 geboren; dort heiratete er 1894 Caroline Levy; dort wurden die drei Kinder geboren: Paul 1895, Willy 1899, und Lotte 1903. Dort starb bereits 1929 seine Frau.
Was Richard Bernhard beruflich machte, wurde von seiner Tochter Lotte später so beschrieben: „Mein Vater hatte ein gutgehendes Geschäft in Tessin, welches bereits von seinem Vater gegründet war. Das Unternehmen bestand aus An- und Verkauf von Getreide, Kartoffeln, Düngemitteln, Saaten, Ölen, Betriebsstoffen und Kohlen.“ Zum elterlichen Vermögen gehörte ein umfangreicher Haus- und Grundbesitz. Aber – so weiter in dem Bericht von Lotte: „1937 wurde mein Vater gezwungen, sein Geschäft aufzugeben, da niemand mehr von einem Juden kaufen durfte.“
Richard Bernhard zog nach Pankow, hier in dieses Haus, das seinem Bruder in England gehörte, und in dem er eine 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock bewohnte.
Sein ältester Sohn Paul, der mit ihm das Geschäft in Tessin geführt hatte, war mit Frau und Kind nach Hamburg gegangen. Willy, der eben erst 1934 geheiratet und 1935 seine Tochter Ruth bekommen hatte, zog in die Breite Straße 16 – auch ein Haus des englischen Verwandten. Lotte, die Jüngste, war mit dem jüdischen Zahnarzt Eisenstädt verheiratet; mit ihm und ihrem Sohn Ralph flüchtete sie 1938 nach China. Später lebte sie in den USA.
Übers Internet haben wir Kontakt zu einer Urenkelin in den USA bekommen, Cathy Wentz-Eisenstadt. Ihr verdanken wir viele Informationen, Fotos und Dokumente, z.B. Briefe, die Richard Bernhard an seine Kinder in China geschrieben hat und die uns Einblick geben in das ganz alltägliche jüdische Leben in Pankow noch in den ersten Kriegsjahren – mit den kleinen Freuden und den großen Sorgen.
Aus einem Brief an Tochter Lotte und ihre Familie in China:
„Berlin-Pankow den 25.9.1940 Meine lieben Kinder, lieber Ralph! Heute erhielt ich Eure liebe Karte vom 30.8. und habe mich sehr dazu gefreut, besonders dass ich Euer Wohl daraus ersah und dass Ihr ein Haus gefunden habt. Ich sage immer, der alte Gott lebt noch, er verlässt einen nicht, wenn es einem auch manchmal große Sorgen macht. […].Heute habe ich wieder Mangold abgeschnitten, es wird wohl der letzte sein, denn jetzt wird er wohl nicht weiter wachsen. Meine Radies sind noch ganz gut geworden. Die Tomaten habe ich heute gezählt, es sind noch 50 Stück dran, welche noch grün sind. Ich hoffe, die werden noch gut. Morgen werde ich welche abnehmen, die reifen im Hause nach. Die 3 Stämme haben über 140 Stück gebracht, 90 ich habe schon abgenommen. Man sagt ja immer, der dümmste Bauer hat die größten Kartoffeln. Der Hauswart hatte 5 Stämme, und hat kaum 50 Stück gehabt.“
Und am 25.9.1941:
„Die Feiertage haben wir jetzt hinter uns, die (Synagoge in der) Mühlenstraße ist für die Feiertage wieder eingerichtet. Ich habe die Tage in aller Ruhe verbracht, war im Tempel, Mittag gegessen, Mittagspause gehalten, dann im Garten. […] Willy, Meta und Ruthchen geht es gut, sie arbeiten beide. […] Die Hamburger sind auch gesund. […] Ich habe geschrieben und gebeten, mir sobald wie möglich ein Visum zu besorgen, denn nach Quote geht es jetzt nicht mehr. Sie (Hanne) hat sich auch bemüht; sie schreibt, wer Angehörige hinterlässt, bekommt kein Visum. Eine komische Bestimmung! Ich habe nun nochmals geschrieben, dass sie alle Hebel in Bewegung setzen soll, um etwas zu erreichen. Wenn sie es kann, wird sie es auch machen.“
Sechs Wochen später, am 8. November 1941, wurden „die drei Hamburger“ nach Minsk deportiert und dort ermordet.
Die „Arbeit“ von Willy und seiner Frau Meta war Zwangsarbeit – für Meta bei der Fa. Kudoke in der Lothringer Straße 62, für Willy bei der Deutschen Reichsbahn mit Gleisbauarbeiten im Bautrupp 6. Anfang März 1943 wurden beide zusammen mit ihrer achtjährigen Tochter Ruth im Zuge der „Fabrikaktion“ nach Auschwitz deportiert.
Auch für Richard Bernhard gab es kein Visum mehr. Am 7. September 1942 wurde er nach Theresienstadt gebracht, zwei Wochen später, am 21. September, ist er dort gestorben, ermordet worden.