Clarissa Boschwitz

Location 
Hohenzollerndamm 81
District
Schmargendorf
Stone was laid
13 July 2019
Born
25 September 1911 in Berlin
Escape
1933 Palästina
Survived

Clarissa Boschwitz kam am 25. September 1911 als erstes Kind von Sally Boschwitz und seiner Ehefrau Martha, geb. Wolgast, in Berlin zur Welt. Sie war ein blondgelocktes kleines Mädchen. Knapp vier Jahre später wurde ihr Bruder Ulrich Alexander geboren – wenige Tage bevor der Vater Sally an einem Hirntumor verstarb. <br />
Martha Boschwitz erzog ihre Kinder streng protestantisch und sagte ihnen nicht, dass der Vater einer jüdischen Familie entstammte und früh zum Protestantismus konvertiert war. Ein Hausmädchen, das die Familie Boschwitz aus Filehne damals preußische Provinz Posen, heute Wieleń in Polen) kannte, verriet den Kindern aber dies Geheimnis.<br />
Clarissa hatte die „soziale Ader“ ihrer Mutter Martha geerbt und wurde als Sozialarbeiterin ausgebildet. Sie unterrichtete in einem Waisenhaus Kinder aus von Syphilis betroffenen Familien. Zudem war sie sehr musikalisch und spielte häufig im Gottesdienst in der Kreuzkirche am Hohenzollerndamm die Orgel.<br />
1933 wurde Clarissa Boschwitz von den Nazis öffentlich als „typisch arische“ junge Frau präsentiert. Sie mokierte sich über die Absurdität dieser „Theorie“ und bekannte sich offensiv zu ihrer jüdischen Abstammung väterlicherseits. Danach war sie natürlich in größter Gefahr, verließ ihr Heim am Hohenzollerndamm 81 und ging in den Untergrund, um die Familie nicht zu gefährden. Gelegentlich kam sie heimlich in das Haus zurück, um einige wenige Dinge mitzunehmen, die ihr wichtig waren. Bald darauf floh die 22-Jährige nach Palästina.<br />
1935 heiratete Clarissa Boschwitz, die zum jüdischen Glauben konvertierte, Moshe Kagan (Cohen). Aus dieser Ehe ging am 23. Mai 1938 die Tochter Esther hervor. Zwei Jahre später wurde die Ehe geschieden und Clarissa ging als Lehrerin in einen Kibbuz. Sie vermisste zeitlebens ihre Familie, ihre deutsche Heimat, Berlin und die Welt, die sie hinter sich lassen musste. Sie konnte sich kaum in die Kultur und in das soziale Leben dieses für sie fremden Landes Palästina integrieren und fühlte sich oft sehr allein. Es wurde ihr aber auch nicht leicht gemacht, denn manche Kibbuzniks hatten ihr gegenüber Vorbehalte, da sie nach jüdischen Regeln nicht jüdisch geboren war.<br />
Im Kibbuz arbeitete Clarissa als Biologielehrerin im Gymnasium und baute ein Labor auf, das damals einzigartig in Palästina war. Biologielehrer aus dem ganzen Land kamen, um sich inspirieren zu lassen. Sie lernte den Geschichtslehrer Itzchak Salzberg kennen, der mehrere Jahre als Lehrer mit Janusz Korczak im jüdischen Waisenhaus in Warschau zusammengearbeitet hatte. Die beiden heirateten 1942. Tochter Reuella wurde 1943 geboren, Sohn Doron folgte 1948. Zwischen Clarissas erstem Mann Moshe und Itzchak entwickelte sich eine enge Freundschaft. Beide waren hochgebildete Intellektuelle, die vor allem Literatur und Poesie liebten und häufig gemeinsam ins Theater oder zu Lesungen gingen. Moshe gehörte ganz selbstverständlich zur Familie.<br />
Tagebücher von Clarissa Boschwitz sind erhalten, denen sie – teils in deutscher Sprache, teils in Ivrith – ihre Gedanken, Gefühle, Sehnsüchte, Ängste und Sorgen anvertraute. So schrieb sie im November 1946, als sie immerhin schon 13 Jahre lang in Israel lebte: <br />
„Es zieht mich zurück, immer fürchtete ich den Augenblick wenn Deutschland sich von den Nazis's befreit. Jetzt binden mich an Palästina Esther und Reuella, ich fürchte sie zu zerstören, wie ich zerstört und verstört wurde von dem Augenblick an, da ich wußte, daß mein Vater Jude ist.“ (Auszug mit Genehmigung der Familie)<br />
Nach dem Mauerfall 1989 kam Clarissa mit ihrer Tochter Reuella auf Einladung des Berliner Senats noch einmal nach Berlin zurück. Im Flugzeug saß sie per Zufall neben Hananya Feiner, der mit ihrem Bruder Ulrich Alexander in Australien im Internierungslager Hay befreundet gewesen war. Er erzählte ihr von dem einerseits harten und anderseits kulturell doch so reichen Leben dort. So erfuhr sie, dass Ulrich an einem weiteren Roman gearbeitet hatte, den er wasserdicht an seinen Körper gebunden hatte – für den Fall, dass das Schiff, mit dem er zu seiner Mutter nach England zurückreisen wollte, angegriffen werden sollte. Das Schiff wurde von einem deutschen U-Boot torpediert und Clarissas Bruder versank mit seinem letzten Manuskript.<br />
Clarissa Boschwitz blieb zeitlebens innerlich heimatlos und voller Sehnsucht nach ihrem früheren Leben in Berlin. Sie starb am 8. September 2002 in ihrem Zuhause in Israel im Kreis ihrer Familie – begleitet von Brahms Requiem. <br />
Clarissas älteste Tochter Esther war später gemeinsam mit ihrem Mann Reuven Shachaf an der israelischen Botschaft in Bonn beschäftigt. Sie starb sehr früh. Die zweite Tochter Reuella heiratete nach Esthers Tod deren Witwer. Sie lebt in Israel und erfreut sich einer großen Familie in Israel und anderen Ländern. Sohn Doron lebt noch heute als Landwirt in einem Kibbuz in Israel.<br />

Clarissa Boschwitz kam am 25. September 1911 als erstes Kind von Sally Boschwitz und seiner Ehefrau Martha, geb. Wolgast, in Berlin zur Welt. Sie war ein blondgelocktes kleines Mädchen. Knapp vier Jahre später wurde ihr Bruder Ulrich Alexander geboren – wenige Tage bevor der Vater Sally an einem Hirntumor verstarb.
Martha Boschwitz erzog ihre Kinder streng protestantisch und sagte ihnen nicht, dass der Vater einer jüdischen Familie entstammte und früh zum Protestantismus konvertiert war. Ein Hausmädchen, das die Familie Boschwitz aus Filehne damals preußische Provinz Posen, heute Wieleń in Polen) kannte, verriet den Kindern aber dies Geheimnis.
Clarissa hatte die „soziale Ader“ ihrer Mutter Martha geerbt und wurde als Sozialarbeiterin ausgebildet. Sie unterrichtete in einem Waisenhaus Kinder aus von Syphilis betroffenen Familien. Zudem war sie sehr musikalisch und spielte häufig im Gottesdienst in der Kreuzkirche am Hohenzollerndamm die Orgel.
1933 wurde Clarissa Boschwitz von den Nazis öffentlich als „typisch arische“ junge Frau präsentiert. Sie mokierte sich über die Absurdität dieser „Theorie“ und bekannte sich offensiv zu ihrer jüdischen Abstammung väterlicherseits. Danach war sie natürlich in größter Gefahr, verließ ihr Heim am Hohenzollerndamm 81 und ging in den Untergrund, um die Familie nicht zu gefährden. Gelegentlich kam sie heimlich in das Haus zurück, um einige wenige Dinge mitzunehmen, die ihr wichtig waren. Bald darauf floh die 22-Jährige nach Palästina.
1935 heiratete Clarissa Boschwitz, die zum jüdischen Glauben konvertierte, Moshe Kagan (Cohen). Aus dieser Ehe ging am 23. Mai 1938 die Tochter Esther hervor. Zwei Jahre später wurde die Ehe geschieden und Clarissa ging als Lehrerin in einen Kibbuz. Sie vermisste zeitlebens ihre Familie, ihre deutsche Heimat, Berlin und die Welt, die sie hinter sich lassen musste. Sie konnte sich kaum in die Kultur und in das soziale Leben dieses für sie fremden Landes Palästina integrieren und fühlte sich oft sehr allein. Es wurde ihr aber auch nicht leicht gemacht, denn manche Kibbuzniks hatten ihr gegenüber Vorbehalte, da sie nach jüdischen Regeln nicht jüdisch geboren war.
Im Kibbuz arbeitete Clarissa als Biologielehrerin im Gymnasium und baute ein Labor auf, das damals einzigartig in Palästina war. Biologielehrer aus dem ganzen Land kamen, um sich inspirieren zu lassen. Sie lernte den Geschichtslehrer Itzchak Salzberg kennen, der mehrere Jahre als Lehrer mit Janusz Korczak im jüdischen Waisenhaus in Warschau zusammengearbeitet hatte. Die beiden heirateten 1942. Tochter Reuella wurde 1943 geboren, Sohn Doron folgte 1948. Zwischen Clarissas erstem Mann Moshe und Itzchak entwickelte sich eine enge Freundschaft. Beide waren hochgebildete Intellektuelle, die vor allem Literatur und Poesie liebten und häufig gemeinsam ins Theater oder zu Lesungen gingen. Moshe gehörte ganz selbstverständlich zur Familie.
Tagebücher von Clarissa Boschwitz sind erhalten, denen sie – teils in deutscher Sprache, teils in Ivrith – ihre Gedanken, Gefühle, Sehnsüchte, Ängste und Sorgen anvertraute. So schrieb sie im November 1946, als sie immerhin schon 13 Jahre lang in Israel lebte:
„Es zieht mich zurück, immer fürchtete ich den Augenblick wenn Deutschland sich von den Nazis's befreit. Jetzt binden mich an Palästina Esther und Reuella, ich fürchte sie zu zerstören, wie ich zerstört und verstört wurde von dem Augenblick an, da ich wußte, daß mein Vater Jude ist.“ (Auszug mit Genehmigung der Familie)
Nach dem Mauerfall 1989 kam Clarissa mit ihrer Tochter Reuella auf Einladung des Berliner Senats noch einmal nach Berlin zurück. Im Flugzeug saß sie per Zufall neben Hananya Feiner, der mit ihrem Bruder Ulrich Alexander in Australien im Internierungslager Hay befreundet gewesen war. Er erzählte ihr von dem einerseits harten und anderseits kulturell doch so reichen Leben dort. So erfuhr sie, dass Ulrich an einem weiteren Roman gearbeitet hatte, den er wasserdicht an seinen Körper gebunden hatte – für den Fall, dass das Schiff, mit dem er zu seiner Mutter nach England zurückreisen wollte, angegriffen werden sollte. Das Schiff wurde von einem deutschen U-Boot torpediert und Clarissas Bruder versank mit seinem letzten Manuskript.
Clarissa Boschwitz blieb zeitlebens innerlich heimatlos und voller Sehnsucht nach ihrem früheren Leben in Berlin. Sie starb am 8. September 2002 in ihrem Zuhause in Israel im Kreis ihrer Familie – begleitet von Brahms Requiem.
Clarissas älteste Tochter Esther war später gemeinsam mit ihrem Mann Reuven Shachaf an der israelischen Botschaft in Bonn beschäftigt. Sie starb sehr früh. Die zweite Tochter Reuella heiratete nach Esthers Tod deren Witwer. Sie lebt in Israel und erfreut sich einer großen Familie in Israel und anderen Ländern. Sohn Doron lebt noch heute als Landwirt in einem Kibbuz in Israel.