Flora Neumann née Konski

Location 
Ritterstraße 19
District
Kreuzberg
Stone was laid
07 October 2020
Born
10 December 1880 in Schroda (Posen)
Escape
1940 nach Argentinien
Survived

Flora Neumann wurde als Flora Konski am 10. Dezember 1880 in Schroda/Posen in eine jüdische Familie geboren. Mit 12 Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Berlin. Zu ihrer Familie ist weiter nichts bekannt. 

In Berlin heiratete Flora einen Mann namens Willy Neumann, der Inhaber eines Lederwarengeschäfts war. Dies wird vor 1906 gewesen sein, denn zum Jahresbeginn dieses Jahres wurde ihr Sohn Hans geboren, gefolgt von einem zweiten Sohn namens Hermann. Die Familie lebte im Brunnenviertel, wo in der Jasmunder Straße das Geschäft lag. Hans sollte später bei seinem Vater im Geschäft mitarbeiten, bevor er seinen eigenen Laden, der ebenfalls Lederwaren führte, in der betriebsamen Ritterstraße aufmachte. 
Floras Mann starb 1937. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die ersten antisemitischen Ausschreitungen und Verfolgungen wird er noch mitbekommen haben. Nach seinem Tod zog Flora zu Hans und seiner Familie in die Ritterstraße, während Hermann mit seiner Familie die Flucht nach Argentinien vorbereitete und 1938 auch realisieren konnte. 
Flora musste mit ihren Angehörigen in der Nacht vom 9. Auf den 10. November 1938 das Novemberpogrom erleben. Sie gibt im späteren Widergutmachungsverfahren darüber eindrücklich Auskunft: Gegen zwei Uhr wurde die Familie von Lärm auf der Straße geweckt. SA-Leute rannten durch die Straßen, schlugen Türen und Fenster jüdischer Geschäfte und Wohnungen ein. Als sie am Morgen in das Geschäft gingen, entdeckten sie, dass die Fensterscheiben zerschlagen waren, die Maschinen gestohlen und die Waren zerschnitten worden waren. Ein kurz darauf erscheinender SA-Mann teilte ihnen mit, dass sie innerhalb von 48 Stunden die Fenster reparieren müssten, sonst drohe Haft. Flora gab ihrem Sohn all ihre Ersparnisse, so dass die Familie die erforderliche Geldsumme knapp aufbringen konnte.

Mit dem Einschnitt des Novemberpogroms verschärfte sich die antisemitische Ausgrenzungs- und Verfolgungspraxis der Nationalsozialisten zunehmend. Wie allen jüdischen Geschäftsinhabern wurde es Hans verboten, sein zerstörtes Geschäft wieder zu eröffnen. Bald darauf wurden Hans und seine Frau Käthe wie die meisten Berliner Juden und Jüdinnen zur Zwangsarbeit eingezogen. Floras zweiter Sohn Hermann versuchte nun, Flora nach Argentinien nachzuholen, was im Dezember 1940 auch gelang. Für Käthe, Hans und Wolfgang reichte das Geld zur Flucht nach Argentinien nicht. Sie sollten die Mordpraxis der Nationalsozialisten nicht überleben. 

In Buenos Aires lebte Hermann, der mit seiner Frau Fanny mittlerweile 3 Kinder hatte und als Vertreter arbeitete, in bescheidenen Verhältnissen. Flora gibt an, sich als große Belastung für ihren Sohn gefühlt zu haben. 

Als Flora nach Ende des 2. Weltkrieges erfuhr, dass ihr Sohn Hans, ihre Schwiegertochter Käthe und ihr Enkel Wolfgang in Auschwitz ermordet worden waren, begann sie einen langen Kampf um Entschädigung. Die Entschädigungsakten von Flora sind Zeugnis davon, wie die Stigmatisierung der Verfolgten fortgeführt wurde. Flora selbst hatte keinerlei Einkünfte, war zum Zeitpunkt ihrer Anträge nicht mehr erwerbsfähig und gesundheitlich stark angeschlagen. Lediglich aus einem Teilbescheid wegen ‚Schaden am Leben‘ errang sie eine lächerliche monatliche Summe, die kaum mehr als ein Zubrot war. Obwohl ein Anspruch auf 50.000 DM für das Geschäft ihres Sohnes Hans festgestellt wurde, erhielt Flora dieses Geld nie, weil es ihr in endlosen bürokratischen Vorgängen immer wieder vorenthalten wurde. Für den Schaden an ihrem eigenen Vermögen – ihr Gepäck wurde beschlagnahmt und im Packhof Berlin zurückgehalten, erhielt sie lediglich eine Kleinstsumme. Schwerer wog noch, dass sich in diesem Gepäck auch einige letzten persönliche Erinnerungsstücke von Flora befunden hatten. Auf die Bitte ihres Rechtsanwaltes, Flora einen Härtefond zu gewähren, um sie in einem Heim unterzubringen, da sie gesundheitlich zunehmend angeschlagen war, wurde nicht eingegangen. Einige Jahre vor Floras Tod endet ihr Kampf um Entschädigungen. Vermutlich war sie am Ende zu schwach, ihn fortzuführen. Am 14. Mai 1968 starb Flora im Jüdischen Altersheim „Hogar de Ancianos Hirsch“ im Alter von 87 Jahren. Sie ist auf dem Jüdischen Friedhof Tablada in Buenos Aires beerdigt.