Rosalie Hirsch née Marx

Location 
Platz der Vereinten Nationen 1 / Friedenstraße
Historical name
Friedenstraße 24
District
Friedrichshain
Stone was laid
23 March 2021
Born
26 February 1871 in Trier
Deportation
on 16 June 1943 to Theresienstadt
Murdered
14 July 1943 in Theresienstadt

Rosalie Hirsch kam am 26. Februar 1871 in Trier als Tochter des Handelsmanns Benedikt Marx und seiner Ehefrau Therese, geb. Meyer, zur Welt. Die Eltern hatten 1870 geheiratet und gehörten der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Rosalie hatte noch sechs jüngere Geschwister, die alle in Trier geboren wurden: Bernard (*1872), Julius (*1875), Sara Emilie (*1877), David (*1879), Oskar (*1883) und Sara Zerline (*1889).<br />
Rosalie Marx erlernte keinen Beruf. Sie heiratete am 14. Dezember 1893 in Trier den Kaufmann Julius Hirsch, geboren am 2. März 1864 in Bruttig. Der in Cochem an der Mosel ansässige Weinhändler war ebenfalls mosaischer Religion. Das Paar lebte nach der Hochzeit in Cochem und bekam drei Kinder: Hans (*1894), Heinrich Karl (*1897) und Edith (*1902). Rosalie Hirsch kümmerte sich wahrscheinlich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder.<br />
Beide Söhne dienten im Ersten Weltkrieg: Hans Hirsch, der Medizin studierte, wurde als angehender Arzt im Lazarett eingesetzt. Heinrich Karl Hirsch fiel in den letzten Kriegstagen, am 2. Oktober 1918, kurz vor seinem 21. Geburtstag, in Challerange in den Ardennen. <br />
Hans Hirsch zog 1920 als promovierter Arzt nach Berlin, um dort eine Praxis zu eröffnen. Tochter Edith heiratete 1931 in Cochem den 1902 in Berlin geborenen Hans Joachim Baer. Nach der Hochzeit wohnte das Paar in Berlin. Die Ehe blieb kinderlos und war nicht glücklich: Sie wurde schon Anfang 1934 wieder geschieden. Etwa zur selben Zeit wie Edith waren auch ihre Eltern Rosalie und Julius Hirsch nach Berlin gezogen. Sie lebten 1934 zusammen mit Edith in der Lohmeyerstraße 27 in Charlottenburg. Dort starb Julius Hirsch im Alter von 70 Jahren am 6. April 1934.<br />
Nach seinem Tod bezog Rosalie Hirsch mit ihrer Tochter Edith eine Wohnung in der Friedenstraße 24 im Bezirk Friedrichshain, in der Nähe ihres Sohnes Hans, der in der Landsberger Straße 12 wohnte. <br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Rosalie Hirsch und ihre Kinder. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. <br />
Hans Hirsch, der seit Mitte der 1920er-Jahre eine gutgehende Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten in der Friedrichshainer Andreasstraße 15 hatte, verlor nach der Machtübernahme viele seiner nicht jüdischen Patient*innen und musste seine Praxis aufgrund der finanziellen Einbußen verkleinern. Hans Hirsch war sehr innovativ und versuchte sein Leben lang, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Medizin nutzbar zu machen. Seine Arbeiten wurden in nationalen und internationalen medizinischen Zeitschriften publiziert, noch 1937 konnte er einen Artikel in einer amerikanischen Fachzeitschrift veröffentlichen. Doch seit Oktober 1938 durfte er nur noch jüdische Kranke behandeln und praktizierte in seiner 2-Zimmer-Wohnung in der Landsberger Straße 12.<br />
Wenn Gerüchte einer möglicherweise bevorstehenden Deportation aufkamen, konnte Hans Hirsch sich in der kleinen chemisch-pharmazeutischen Fabrik des Apothekers Hans Starke in der Straße Am Tempelhofer Berg 7–8 im Süden Kreuzbergs verstecken. Dieser unterstützte ihn auch finanziell und sicherte so das wirtschaftliche Überleben der Familie.<br />
Hans Hirsch war seit 1930 in einer sogenannten Mischehe mit der nicht jüdischen Elsbeth, geb. Ide, verheiratet, der gemeinsame Sohn Frank Heinz Hirsch war 1932 zur Welt gekommen. Elsbeth Hirsch widerstand dem Druck, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen, und konnte ihn dadurch vor der Deportation schützen – nicht jedoch seine Mutter und seine Schwester: Edith Baer wurde am 19. Oktober 1942 mit dem „21. Osttransport“ nach Riga deportiert, wo sie drei Tage später ermordet wurde.<br />
Rosalie Hirsch konnte die Deportation ihrer Tochter nicht verwinden: Sie wurde am 11. Februar 1943 in die geschlossene neurologische Abteilung des Jüdischen Krankenhauses in der Iranischen Straße 2 eingeliefert. Ihr Sohn besuchte sie fast täglich. Von dort wurde sie am 16. Juni 1943 mit dem „91. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Nach nicht einmal einem Monat verstarb Rosalie Hirsch dort am 14. Juli 1943 im Alter von 72 Jahren. Auf ihrer Todesfallanzeige ist als Krankheit „Altersverstimmung“, als Todesursache „Lungenentzündung“ angegeben.<br />
Rosalies Geschwister Bernard, Julius und Sara Emilie wurden ebenfalls in der Shoah ermordet. Die jüngste Schwester Sara Zerline Marx war bereits 1939 gestorben, der Bruder David Marx im selben Jahr nach New York ausgewandert. Bruder Oskar Marx überlebte den Holocaust, weil er in „Mischehe“ verheiratet war. Er starb kurz nach der Befreiung am 1. Mai 1945 in Bayreuth.<br />
Als Rosalie Hirschs Sohn Hans im Rahmen der „Fabrikaktion“ am 27. Februar 1943 in Berlin verhaftet wurde, gehörte Elsbeth Hirsch zu den „arischen“ Ehefrauen, die in der Rosenstraße für die Freilassung ihrer jüdischen Ehemänner protestierten. Er wurde am 17. März 1943 aus dem Sammellager Große Hamburger Straße 26 entlassen. Dr. Hans Hirsch überlebte den Krieg, kam aber über die Erlebnisse während der NS-Zeit und die Ermordung seiner Angehörigen nicht hinweg: Er nahm sich am 2. August 1961 in Berlin-Weißensee das Leben.<br />

Rosalie Hirsch kam am 26. Februar 1871 in Trier als Tochter des Handelsmanns Benedikt Marx und seiner Ehefrau Therese, geb. Meyer, zur Welt. Die Eltern hatten 1870 geheiratet und gehörten der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Rosalie hatte noch sechs jüngere Geschwister, die alle in Trier geboren wurden: Bernard (*1872), Julius (*1875), Sara Emilie (*1877), David (*1879), Oskar (*1883) und Sara Zerline (*1889).
Rosalie Marx erlernte keinen Beruf. Sie heiratete am 14. Dezember 1893 in Trier den Kaufmann Julius Hirsch, geboren am 2. März 1864 in Bruttig. Der in Cochem an der Mosel ansässige Weinhändler war ebenfalls mosaischer Religion. Das Paar lebte nach der Hochzeit in Cochem und bekam drei Kinder: Hans (*1894), Heinrich Karl (*1897) und Edith (*1902). Rosalie Hirsch kümmerte sich wahrscheinlich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder.
Beide Söhne dienten im Ersten Weltkrieg: Hans Hirsch, der Medizin studierte, wurde als angehender Arzt im Lazarett eingesetzt. Heinrich Karl Hirsch fiel in den letzten Kriegstagen, am 2. Oktober 1918, kurz vor seinem 21. Geburtstag, in Challerange in den Ardennen.
Hans Hirsch zog 1920 als promovierter Arzt nach Berlin, um dort eine Praxis zu eröffnen. Tochter Edith heiratete 1931 in Cochem den 1902 in Berlin geborenen Hans Joachim Baer. Nach der Hochzeit wohnte das Paar in Berlin. Die Ehe blieb kinderlos und war nicht glücklich: Sie wurde schon Anfang 1934 wieder geschieden. Etwa zur selben Zeit wie Edith waren auch ihre Eltern Rosalie und Julius Hirsch nach Berlin gezogen. Sie lebten 1934 zusammen mit Edith in der Lohmeyerstraße 27 in Charlottenburg. Dort starb Julius Hirsch im Alter von 70 Jahren am 6. April 1934.
Nach seinem Tod bezog Rosalie Hirsch mit ihrer Tochter Edith eine Wohnung in der Friedenstraße 24 im Bezirk Friedrichshain, in der Nähe ihres Sohnes Hans, der in der Landsberger Straße 12 wohnte.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Rosalie Hirsch und ihre Kinder. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.
Hans Hirsch, der seit Mitte der 1920er-Jahre eine gutgehende Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten in der Friedrichshainer Andreasstraße 15 hatte, verlor nach der Machtübernahme viele seiner nicht jüdischen Patient*innen und musste seine Praxis aufgrund der finanziellen Einbußen verkleinern. Hans Hirsch war sehr innovativ und versuchte sein Leben lang, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Medizin nutzbar zu machen. Seine Arbeiten wurden in nationalen und internationalen medizinischen Zeitschriften publiziert, noch 1937 konnte er einen Artikel in einer amerikanischen Fachzeitschrift veröffentlichen. Doch seit Oktober 1938 durfte er nur noch jüdische Kranke behandeln und praktizierte in seiner 2-Zimmer-Wohnung in der Landsberger Straße 12.
Wenn Gerüchte einer möglicherweise bevorstehenden Deportation aufkamen, konnte Hans Hirsch sich in der kleinen chemisch-pharmazeutischen Fabrik des Apothekers Hans Starke in der Straße Am Tempelhofer Berg 7–8 im Süden Kreuzbergs verstecken. Dieser unterstützte ihn auch finanziell und sicherte so das wirtschaftliche Überleben der Familie.
Hans Hirsch war seit 1930 in einer sogenannten Mischehe mit der nicht jüdischen Elsbeth, geb. Ide, verheiratet, der gemeinsame Sohn Frank Heinz Hirsch war 1932 zur Welt gekommen. Elsbeth Hirsch widerstand dem Druck, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen, und konnte ihn dadurch vor der Deportation schützen – nicht jedoch seine Mutter und seine Schwester: Edith Baer wurde am 19. Oktober 1942 mit dem „21. Osttransport“ nach Riga deportiert, wo sie drei Tage später ermordet wurde.
Rosalie Hirsch konnte die Deportation ihrer Tochter nicht verwinden: Sie wurde am 11. Februar 1943 in die geschlossene neurologische Abteilung des Jüdischen Krankenhauses in der Iranischen Straße 2 eingeliefert. Ihr Sohn besuchte sie fast täglich. Von dort wurde sie am 16. Juni 1943 mit dem „91. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Nach nicht einmal einem Monat verstarb Rosalie Hirsch dort am 14. Juli 1943 im Alter von 72 Jahren. Auf ihrer Todesfallanzeige ist als Krankheit „Altersverstimmung“, als Todesursache „Lungenentzündung“ angegeben.
Rosalies Geschwister Bernard, Julius und Sara Emilie wurden ebenfalls in der Shoah ermordet. Die jüngste Schwester Sara Zerline Marx war bereits 1939 gestorben, der Bruder David Marx im selben Jahr nach New York ausgewandert. Bruder Oskar Marx überlebte den Holocaust, weil er in „Mischehe“ verheiratet war. Er starb kurz nach der Befreiung am 1. Mai 1945 in Bayreuth.
Als Rosalie Hirschs Sohn Hans im Rahmen der „Fabrikaktion“ am 27. Februar 1943 in Berlin verhaftet wurde, gehörte Elsbeth Hirsch zu den „arischen“ Ehefrauen, die in der Rosenstraße für die Freilassung ihrer jüdischen Ehemänner protestierten. Er wurde am 17. März 1943 aus dem Sammellager Große Hamburger Straße 26 entlassen. Dr. Hans Hirsch überlebte den Krieg, kam aber über die Erlebnisse während der NS-Zeit und die Ermordung seiner Angehörigen nicht hinweg: Er nahm sich am 2. August 1961 in Berlin-Weißensee das Leben.