Helga Wolff

Location 
Suarezstraße 46
District
Charlottenburg
Stone was laid
07 April 2022
Born
10 May 1933 in Berlin
Escape
1939 - Belgien
Verhaftet
March 1942 in Rivesaltes
Survived
Helga - early years (92.44 KB)

Helga Wolff wurde als Tochter der jüdischen Eheleute Fritz und Hertha Wolff, geb. Perl, am 10. Mai 1933 in Berlin geboren. <br />
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Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Lebensumstände für Juden unter den Nazis schon verschlechtert. Helgas Mutter bat schon bald ihren Mann, ihrem Bruder Günther Perl zu folgen, der bereits nach Lima, Peru, ausgewandert war. Fritz Wolff war einer der deutschen Juden, die hofften, dass sich die Situation bald wieder beruhigen würde. Doch die Lage verschlimmerte sich für die jüdischen Mitbürger von Tag zu Tag, von Monat zu Monat. So beschloss die Familie im Jahre 1939 Berlin zu verlassen und nach Brüssel (Belgien) zu fliehen. Dort besuchte Helga einen Kindergarten.<br />
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Als die Deutschen am 10. Mai 1940 Belgien überfielen, wurde ihr Vater, wie alle männlichen deutschen Flüchtlinge, von der belgischen Polizei aufgegriffen. Nach einigen Wochen fand ihre Mutter Hertha heraus, wohin er gebracht worden war. Kurze Zeit später wurde der Vater nach Paris ausgewiesen und seine Frau folgte ihm mit Helga. Hertha wurde mit ihrer Tochter ebenfalls von der französischen Polizei aufgegriffen und in ein Konzentrationslager gebracht, in dem niederländische, belgische und französische Juden zusammengetrieben wurden.<br />
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Helga Wolff und ihre Eltern wurden in mehreren französischen Lagern interniert, bevor sie im März 1941 schließlich im Lager Rivesaltes ankamen. Das Lager lag nur wenige Kilometer nördlich von Perpignan nahe der spanischen Grenze. Neben einem kleinen Militärgelände war ein Konzentrationslager für hauptsächlich jüdische Menschen errichtet worden, nachdem Frankreich von den Deutschen erobert worden war. Männer und Frauen waren in getrennten Baracken untergebracht. Kinder verblieben bei ihren Müttern.<br />
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Mitglieder des „American Friends Service Committee“ (eine Quäkerorganisation) kamen während der Internierung von Helga und ihren Eltern im Frühjahr 1942 ins Lager Rivesaltes und boten an, alle Kinder aufzunehmen und sie unter ihrer Aufsicht in Kinderheimen unterzubringen. Schweren Herzens entschlossen sich die Eltern, ihr einziges Kind, die 8jährige Tochter Helga, den Quäkern anzuvertrauen. Wahrscheinlich war den Eltern bereits bewusst, dass dies die einzige Möglichkeit sein würde, das Leben ihres Kindes zu retten. Bereits kurze Zeit später, am 9. September 1942, wurden Fritz und Hertha Wolff von Rivesaltes über Drancy bei Paris im „Konvoi Nr.30“ nach Auschwitz deportiert. Dort wurden sie vermutlich im Dezember ermordet.<br />
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Von der Quäker-Hilfsorganisation wurde Helga in verschiedenen Heimen untergebracht. Zuerst in Bandol bei Toulon, direkt am Mittelmeer gelegen, dann in Pavalas bei Montpellier, darauf folgte San Rafael bei Fréjus um schließlich im Château Monteleone bei Condom, nördlich der Pyrenäen und in der Nähe von Toulouse, anzukommen. Wahrscheinlich ging es bei der ständigen Verlegung darum, der Verfolgung durch die deutschen Besatzungsmächte oder deren französische Helfer zu entgehen. Im Château Monteleone war Helga seitdem offiziell registriert. Von den 37 Kindern, die dort lebten, waren fünf jüdische Flüchtlinge, darunter Helga. Die 32 nichtjüdischen Kinder wurden häufig von Angehörigen besucht.
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Gabriel und Maria Louise Lanoux, Eltern zweier kleiner Mädchen, gehörten zu den nicht-jüdischen Menschen, die am Wochenende zu Besuch kamen und kleine Geschenke für die Kinder mitbrachten. Besonders mochten sie die fünf jüdischen Kinder, die keinen Besuch von ihren Familien bekamen. Das Ehepaar Lanoux war gut mit einem spanischen Dienstmädchen bekannt, das im Château arbeitete. Sie baten sie um sofortige Benachrichtigung, sollte sie erfahren, dass das Leben der fünf jüdischen Kinder in Gefahr sei.<br />
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Eines Tages hörte das spanische Dienstmädchen, wie der Verwalter des Châteaus mit der Gestapo sprach und mitteilte, dass fünf jüdische Kinder dort untergebracht seien. Es hörte weiter, dass die Kinder in den nächsten Tagen abgeholt werden sollten, wahrscheinlich um sie in ein Konzentrationslager zu bringen. Umgehend informierte das Dienstmädchen Familie Lanoux über das, was es gehört hatte. Daraufhin konnte Herr Lanoux mit Hilfe der französischen Résistance die fünf jüdischen Kinder in der Nacht abholen und sie bei mehreren französischen Familien unterbringen.<br />
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Das Ehepaar Lanoux nahm Helga Wolff bei sich auf. Dies muss vor dem 14. Juli 1944 stattgefunden haben, da an diesem Tag das Heim aus Geldmangel geschlossen wurde. Später kam Helga bei dem Ehepaar Acard, sehr engen Freunden der Familie Lanoux, unter. Das Ehepaar Acard lebte in einem kleinen Haus außerhalb von Hyères in der Nähe von Toulon. Die Acards hatten keine eigenen Kinder und freuten sich sehr, dass Helga zu ihnen kam. Hier war es Helga auch möglich, die Schule zu besuchen und unter ihrem eigenen Namen zu leben. Dabei muss man bedenken, dass Südfrankreich seit 1940 unter dem Vichy-Régime stand, das mit den Nazis kollaborierte.<br />
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Nach dem Krieg fanden Helgas Onkel und Tante, Günther und Thea Perl, mit Hilfe mehrerer jüdischen Organisationen heraus, dass Helga bei einer französischen Familie überlebt hatte. Da Südfrankreich zunächst nicht von den Deutschen besetzt gewesen war, konnte der jüdische Widerstand jüdische Kinder, die bei französischen Familien untergebracht waren, finden und versuchen sie nach Palästina zu bringen. Günther und Thea Perl gelang es ebenfalls mit Hilfe jüdischer Organisationen, Helga nach Lima zu holen, um sie bei sich aufzunehmen.<br />
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Im Herbst 1946 erreichte Helga mit dem Schiff Rio de Janeiro, Brasilien, mit dem Ziel, nach Lima in Peru weiterzureisen. Als das Schiff in Rio ankam, begrüßten Vertreter der jüdischen Organisationen in Brasilien die jüdischen Flüchtlinge. Darunter eine Frau Goldsmith, Nichte von Helena Rubinstein, der Inhaberin des Kosmetikherstellers. Helga, ein junges Mädchen von inzwischen 13 Jahren, war allein unter mehr als 500 Flüchtlingen unterwegs. Frau Goldsmith lud sie sofort ein bei ihr zu wohnen. Da sie offensichtlich eine wohlhabende Dame war, kaufte sie prompt neue Kleider für Helga und war bereit sie zu adoptieren, da sie kinderlos war. Sie konnte Helgas Reise nach Lima um fast zwei Monate hinauszögern, zum Verdruss des Onkels und der Tante von Helga, Günther und Thea Perl, die sie kurz nach ihrer Ankunft in Rio mit dem Flugzeug in Lima erwartet hatten. <br />
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Arno Weinstein und seine Ehefrau Helene, geb. Gottschalk, waren mit ihren Söhnen Herbert und Hans Gerd (Gerado), zwölf und neun Jahre alt, schon 1933 nach Lima ausgewandert. Der Grund für dieses Ziel war, dass Helenes Bruder Hermann Gottschalk schon seit 1921 in Lima lebte. So trafen sich Helga Wolff und Gerd Weinstein bei einer Party 1951 in Lima. Am 26. März 1952 fand in Dallas/Texas die standesamtliche Hochzeit statt und am nächsten Tag, dem 27. März, die religiöse Trauung im Büro von Rabbiner Olan. Mit Gerd bekam Helga 3 Töchter. Sie erfreuen sich heute in den USA an 5 Enkeln und 2 Urenkeln. Am 26. März 2022 konnten beide das seltene Fest ihres 70jährigen Ehejubiläums – Gnadenhochzeit – begehen.<br />
Im Jahr 2005 schrieben Helga Weinstein, geb. Wolff, und ihr Pflegebruder Léon Berliner an die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem und äußerten die Bitte, ihre Pflegeeltern Gabriel und Marie-Louise Lanoux als Gerechte unter den Völkern anzuerkennen. Nach Prüfung hat Yad Vashem dieser Bitte entsprochen und das Ehepaar Lanoux im Dezember 2007 postum geehrt. Lanoux Gabriel & Marie-Louise (Robin) (yadvashem.org) „Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt" (Mishnah, Sanhedrin 4:5).<br />
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Helga Wolff wurde als Tochter der jüdischen Eheleute Fritz und Hertha Wolff, geb. Perl, am 10. Mai 1933 in Berlin geboren.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Lebensumstände für Juden unter den Nazis schon verschlechtert. Helgas Mutter bat schon bald ihren Mann, ihrem Bruder Günther Perl zu folgen, der bereits nach Lima, Peru, ausgewandert war. Fritz Wolff war einer der deutschen Juden, die hofften, dass sich die Situation bald wieder beruhigen würde. Doch die Lage verschlimmerte sich für die jüdischen Mitbürger von Tag zu Tag, von Monat zu Monat. So beschloss die Familie im Jahre 1939 Berlin zu verlassen und nach Brüssel (Belgien) zu fliehen. Dort besuchte Helga einen Kindergarten.

Als die Deutschen am 10. Mai 1940 Belgien überfielen, wurde ihr Vater, wie alle männlichen deutschen Flüchtlinge, von der belgischen Polizei aufgegriffen. Nach einigen Wochen fand ihre Mutter Hertha heraus, wohin er gebracht worden war. Kurze Zeit später wurde der Vater nach Paris ausgewiesen und seine Frau folgte ihm mit Helga. Hertha wurde mit ihrer Tochter ebenfalls von der französischen Polizei aufgegriffen und in ein Konzentrationslager gebracht, in dem niederländische, belgische und französische Juden zusammengetrieben wurden.

Helga Wolff und ihre Eltern wurden in mehreren französischen Lagern interniert, bevor sie im März 1941 schließlich im Lager Rivesaltes ankamen. Das Lager lag nur wenige Kilometer nördlich von Perpignan nahe der spanischen Grenze. Neben einem kleinen Militärgelände war ein Konzentrationslager für hauptsächlich jüdische Menschen errichtet worden, nachdem Frankreich von den Deutschen erobert worden war. Männer und Frauen waren in getrennten Baracken untergebracht. Kinder verblieben bei ihren Müttern.

Mitglieder des „American Friends Service Committee“ (eine Quäkerorganisation) kamen während der Internierung von Helga und ihren Eltern im Frühjahr 1942 ins Lager Rivesaltes und boten an, alle Kinder aufzunehmen und sie unter ihrer Aufsicht in Kinderheimen unterzubringen. Schweren Herzens entschlossen sich die Eltern, ihr einziges Kind, die 8jährige Tochter Helga, den Quäkern anzuvertrauen. Wahrscheinlich war den Eltern bereits bewusst, dass dies die einzige Möglichkeit sein würde, das Leben ihres Kindes zu retten. Bereits kurze Zeit später, am 9. September 1942, wurden Fritz und Hertha Wolff von Rivesaltes über Drancy bei Paris im „Konvoi Nr.30“ nach Auschwitz deportiert. Dort wurden sie vermutlich im Dezember ermordet.

Von der Quäker-Hilfsorganisation wurde Helga in verschiedenen Heimen untergebracht. Zuerst in Bandol bei Toulon, direkt am Mittelmeer gelegen, dann in Pavalas bei Montpellier, darauf folgte San Rafael bei Fréjus um schließlich im Château Monteleone bei Condom, nördlich der Pyrenäen und in der Nähe von Toulouse, anzukommen. Wahrscheinlich ging es bei der ständigen Verlegung darum, der Verfolgung durch die deutschen Besatzungsmächte oder deren französische Helfer zu entgehen. Im Château Monteleone war Helga seitdem offiziell registriert. Von den 37 Kindern, die dort lebten, waren fünf jüdische Flüchtlinge, darunter Helga. Die 32 nichtjüdischen Kinder wurden häufig von Angehörigen besucht.


Gabriel und Maria Louise Lanoux, Eltern zweier kleiner Mädchen, gehörten zu den nicht-jüdischen Menschen, die am Wochenende zu Besuch kamen und kleine Geschenke für die Kinder mitbrachten. Besonders mochten sie die fünf jüdischen Kinder, die keinen Besuch von ihren Familien bekamen. Das Ehepaar Lanoux war gut mit einem spanischen Dienstmädchen bekannt, das im Château arbeitete. Sie baten sie um sofortige Benachrichtigung, sollte sie erfahren, dass das Leben der fünf jüdischen Kinder in Gefahr sei.

Eines Tages hörte das spanische Dienstmädchen, wie der Verwalter des Châteaus mit der Gestapo sprach und mitteilte, dass fünf jüdische Kinder dort untergebracht seien. Es hörte weiter, dass die Kinder in den nächsten Tagen abgeholt werden sollten, wahrscheinlich um sie in ein Konzentrationslager zu bringen. Umgehend informierte das Dienstmädchen Familie Lanoux über das, was es gehört hatte. Daraufhin konnte Herr Lanoux mit Hilfe der französischen Résistance die fünf jüdischen Kinder in der Nacht abholen und sie bei mehreren französischen Familien unterbringen.

Das Ehepaar Lanoux nahm Helga Wolff bei sich auf. Dies muss vor dem 14. Juli 1944 stattgefunden haben, da an diesem Tag das Heim aus Geldmangel geschlossen wurde. Später kam Helga bei dem Ehepaar Acard, sehr engen Freunden der Familie Lanoux, unter. Das Ehepaar Acard lebte in einem kleinen Haus außerhalb von Hyères in der Nähe von Toulon. Die Acards hatten keine eigenen Kinder und freuten sich sehr, dass Helga zu ihnen kam. Hier war es Helga auch möglich, die Schule zu besuchen und unter ihrem eigenen Namen zu leben. Dabei muss man bedenken, dass Südfrankreich seit 1940 unter dem Vichy-Régime stand, das mit den Nazis kollaborierte.

Nach dem Krieg fanden Helgas Onkel und Tante, Günther und Thea Perl, mit Hilfe mehrerer jüdischen Organisationen heraus, dass Helga bei einer französischen Familie überlebt hatte. Da Südfrankreich zunächst nicht von den Deutschen besetzt gewesen war, konnte der jüdische Widerstand jüdische Kinder, die bei französischen Familien untergebracht waren, finden und versuchen sie nach Palästina zu bringen. Günther und Thea Perl gelang es ebenfalls mit Hilfe jüdischer Organisationen, Helga nach Lima zu holen, um sie bei sich aufzunehmen.

Im Herbst 1946 erreichte Helga mit dem Schiff Rio de Janeiro, Brasilien, mit dem Ziel, nach Lima in Peru weiterzureisen. Als das Schiff in Rio ankam, begrüßten Vertreter der jüdischen Organisationen in Brasilien die jüdischen Flüchtlinge. Darunter eine Frau Goldsmith, Nichte von Helena Rubinstein, der Inhaberin des Kosmetikherstellers. Helga, ein junges Mädchen von inzwischen 13 Jahren, war allein unter mehr als 500 Flüchtlingen unterwegs. Frau Goldsmith lud sie sofort ein bei ihr zu wohnen. Da sie offensichtlich eine wohlhabende Dame war, kaufte sie prompt neue Kleider für Helga und war bereit sie zu adoptieren, da sie kinderlos war. Sie konnte Helgas Reise nach Lima um fast zwei Monate hinauszögern, zum Verdruss des Onkels und der Tante von Helga, Günther und Thea Perl, die sie kurz nach ihrer Ankunft in Rio mit dem Flugzeug in Lima erwartet hatten.

Arno Weinstein und seine Ehefrau Helene, geb. Gottschalk, waren mit ihren Söhnen Herbert und Hans Gerd (Gerado), zwölf und neun Jahre alt, schon 1933 nach Lima ausgewandert. Der Grund für dieses Ziel war, dass Helenes Bruder Hermann Gottschalk schon seit 1921 in Lima lebte. So trafen sich Helga Wolff und Gerd Weinstein bei einer Party 1951 in Lima. Am 26. März 1952 fand in Dallas/Texas die standesamtliche Hochzeit statt und am nächsten Tag, dem 27. März, die religiöse Trauung im Büro von Rabbiner Olan. Mit Gerd bekam Helga 3 Töchter. Sie erfreuen sich heute in den USA an 5 Enkeln und 2 Urenkeln. Am 26. März 2022 konnten beide das seltene Fest ihres 70jährigen Ehejubiläums – Gnadenhochzeit – begehen.
Im Jahr 2005 schrieben Helga Weinstein, geb. Wolff, und ihr Pflegebruder Léon Berliner an die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem und äußerten die Bitte, ihre Pflegeeltern Gabriel und Marie-Louise Lanoux als Gerechte unter den Völkern anzuerkennen. Nach Prüfung hat Yad Vashem dieser Bitte entsprochen und das Ehepaar Lanoux im Dezember 2007 postum geehrt. Lanoux Gabriel & Marie-Louise (Robin) (yadvashem.org) „Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt" (Mishnah, Sanhedrin 4:5).