Dr. Günther Loebinger

Location 
Brandenburgische Straße 38
District
Wilmersdorf
Stone was laid
17 June 2022
Born
27 November 1899 in Schlesiengrube, Kreis Beuthen (Schlesien) / Chropaczów
Occupation
Rechtsanwalt
Deportation
on 01 July 1943 to Theresienstadt
Later deported
on 28 October 1944 to Auschwitz
Murdered
01 November 1944 in Auschwitz

Günther Loebinger wird am 27. November 1899 in Schlesiengrube, Kreis Beuthen in Oberschlesien geboren und wächst in einer großen jüdischen Familie mit vier Geschwistern auf - er ist das zweitjüngste Kind. Seine Eltern sind Wiktor (*5. Dezember 1863, gestorben 3. Dezember 1938) und Paula Loebinger (geb. Tichauer, Geburtsdatum unbekannt, gestorben 30. Mai 1926). Sohn Günther ist – wie seine spätere Ehefrau Maria in den Entschädigungsanträgen später schreiben wird- ein Familienmensch und unterstützt seine Angehörigen in großzügigster Weise. Wie die Familie ihren jüdischen Glauben gelebt hat, ist nicht bekannt.

In Beuthen besucht Günther das Gymnasium, studiert an der Universität Breslau Jura. Als 17-jähriger kämpft er freiwillig im Ersten Weltkrieg und wird wegen besonderer „Tapferkeit vor dem Feind“ mit einer Medaille ausgezeichnet. Am 10. November 1926 legt er seine große juristische Staatsprüfung ab und erwirbt den Doktortitel. Bis 1927 bekleidet er ein Richteramt in Hindenburg, Oberschlesien. 1928 folgt er dem Angebot des angesehenen Berliner Kammergerichtsanwaltes Dr. Hans-Fritz Abraham und tritt dessen Rechtsanwalts - Sozietät bei. Die Kanzlei ist auf Hypotheken– und Aufwertungswesen spezialisiert. Großmandanten wie Stadtgemeinden, Banken, Konzerne und Versicherungsgesellschaften zählen zum treuen Mandantenstamm. Der Sitz der Kanzlei befindet sich an renommierter Adresse in der Friedrichstraße 182 II.

Mit dem Eintritt in die Kanzlei wird auch Dr. Günther Loebinger beim Kammergericht als Rechtsanwalt zugelassen. Seine Zukunftsaussichten sind glänzend.

1931 lernt er seine zukünftige Ehefrau Maria (geb. Heller) kennen. Am 19. August 1937 heiraten sie und wohnen in der Brandenburgischen Straße 38 (Vorderhaus I. Stock) in Wilmersdorf.

Bei dem Machtantritt der Nazis glauben auch sie - wie viele andere, „dass (sich) das Regime ( ) bald totlaufen würde“ schreibt Maria in ihrem Entschädigungsantrag. „(E)s schien unmöglich, dass sich eine solch barbarische Regierung in einem bis dahin zivilisierten Land halten könnte“.

Doch mit dem reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte am 1. April 1933 verändert sich die Situation für Juden dramatisch. Die Einnahmen der Kanzlei brechen ein. Die Mandanten beauftragen keine jüdischen Rechtsanwälte mehr und auch Dr. Hans- Fritz Abraham ist Opfer dieser antijüdischen Politik. 1933 wird Dr. Günther Loebinger die Zulassung als Kammergerichtsanwalt entzogen, 1934 muss er aus der Kanzlei ausscheiden. Als ehemaliger Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg darf er noch als Rechtsanwalt zugelassen bleiben und lässt sich in eigener Kanzlei in der Dircksenstraße 26 nieder.

Während des Novemberpogroms 1938 wird er am 9. November in das KZ Sachsenhausen verschleppt und in Geiselhaft genommen (Häftlingsnummer 8863, Häftlingsblock 37). Maria Loebinger schreibt in ihrem Entschädigungsantrag: „Es kamen drei furchtbare Wochen der Ungewissheit und Sorge um meinen Mann, in denen ich alles versuchte, um etwas über sein Schicksal zu erfahren. Dann kam er zurück, mit geschorenem Kopf, abgemagert, nicht zum Erkennen“. Am 2. Dezember 1938 wird ihr Mann aus der Haft entlassen.
Ende 1938 wird ihm die Zulassung als Rechtsanwalt endgültig entzogen, „darf“ aber wegen seiner Kriegsauszeichnung nach der Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen als einer der wenigen jüdischen Rechtsanwälte unter der abwertenden Bezeichnung „Konsulent“ weiter jüdische Mandanten vertreten.

Dies war, wie seine Ehefrau Maria schreibt, „(e)in sehr zweischneidiges Schwert. Die ‚Zulassung’ eines Geächteten als Vertreter der Geächteten wurde mehr und mehr zur Geissel. Da mein Mann eine großartige Unerschrockenheit an den Tag legte, wo es galt zu helfen, oder – besser gesagt - die Lage der Untersuchungsgefangenen zu mildern, deren ‚Verbrechen’ fast ausschliesslich nur eine Umgehung der diskriminierenden Sonderbestimmungen darstellten.“, „lebten wir in einer ständigen Spannung und Furcht vor einer Verhaftung.“

Sie suchen verzweifelt nach Fluchtwegen.

„Seit der Rückkehr meines Mannes aus dem Konzentrationslager hatte ich Hilferufe in alle Welt ausgesandt, an Menschen teilweise, die ich kaum oder gar nicht kannte, aber jeder Hoffnungsstrahl zerrann immer wieder in ein Nichts. Wir hatten wegen unserer Auswanderung Verbindungen zu den Vereinigten Staaten, Kuba, Australien, Chile, Bolivien und Brasilien eingeleitet. Wir machten die fantastischsten Fluchtpläne, kamen mit skrupellosen Menschen zusammen, die sich unsere Not zunutze machten, Vorauszahlungen geben liessen und sich nie wieder meldeten; wir konnten sie ja nicht belangen. Endlich, im Sommer 1939, schien sich das Glück zu wenden: Mein Onkel in England hatte erreicht, dass wir ein Permit für dort erhielten. Wir waren gerade mit den Vorbereitungen zur Ausreise fertig, unsere Papiere lagen bereits bei der Gestapo in der Kleiststrasse, als der Krieg ausbrach, und auch diese Hoffnung zunichte machte.“ (ebda.)

Nach Jahren vergeblicher Bemühungen um Ausreise, ständiger Angst vor Verhaftung und Deportation und immer größer werdender Verzweiflung beschließen sie unterzutauchen. Am Tag vor der geplanten Flucht in die Illegalität - sie hatten in einem südlichen Vorort Berlins ein Versteck gefunden - werden sie am 18. Juni 1943 (oder am 17. Juni, wie Maria angibt) von einer „Horde“ von Abholern – wie Maria schreibt - verhaftet und in das Sammellager Große Hamburger Straße gebracht. Dass sie in dieser aussichtslosen Lage versuchen, in den Tod zu flüchten, deutet Maria nur an; ihre Versuche werden vereitelt.
Am 1. Juli 1943 werden sie mit dem 94. Alterstransport (Welle 57) nach Theresienstadt deportiert – eine „Bevorzugung“ wegen der besonderen Kriegsauszeichnung ihres Mannes, wie Maria schreibt.

Nach mehr als einem Jahr werden sie von dort aus am 28. Oktober 1944 mit dem letzten „Herbsttransport“ nach Auschwitz deportiert (Bezeichnung „Ev -“ ; Ankunft 30.10.1944, Günther Loebinger hat die Transportnummer 1332, Maria die Transportnummer 1333).

Dr. Günther Loebinger wird bei Ankunft in Auschwitz sofort ermordet. Sein Todesdatum wird durch Gerichtsbeschluss auf den 1. November 1944 festgesetzt.
Seine vier Geschwister und deren Angehörige werden alle ermordet:
Sein Bruder Walter (*18. Juni 1895) – ebenfalls ein Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg- lebte mit seiner Familie, seiner Frau Ella nèe Rosenthal (* 6. Januar 1896) in Rossberg, Schlesien und den beiden Söhnen Ernst (*23. Januar 1924) und Kurt (*5. Juni 1927) in Berlin, in der Eisenacher Straße 80 (Schöneberg). Die Familie wurde am 1. März 1943 mit dem 31. Transport nach Auschwitz deportiert.

Die anderen Familienmitglieder, die Schwester Edith (*1890) mit ihrem Ehemann Hans Grünberger (*1988) und Tochter Lucie (*1926), die Schwester Frieda (*1896) mit ihrem Ehemann Fritz Pinczower (*1895) und die Schwester Betty verwitwete Israel (*1902) lebten in Beuthen. Alle Juden aus Beuthen wurden zwischen April und Juni 1942 nach Ausschwitz deportiert. Von der Familie hat niemand überlebt.

 

Günther Loebinger wurde am 27. November 1899 in Schlesiengrube, Kreis Beuthen in Oberschlesien geboren und wuchs in einer großen jüdischen Familie mit vier Geschwistern auf. Er war das zweitjüngste Kind. Seine Eltern waren Wiktor (geboren: 5. Dezember 1863, gestorben: 3. Dezember 1938) und Paula Loebinger (geb. Tichauer, Geburtsdatum unbekannt, gestorben am 30. Mai 1926). Günther war – wie seine spätere Ehefrau Maria in den Entschädigungsanträgen schreiben wird – ein Familienmensch und unterstützte seine Angehörigen in großzügigster Weise. Wie und ob die Familie den jüdischen Glauben gelebt hat, ist nicht bekannt.

In Beuthen besuchte Günther das Gymnasium und studierte an der Universität Breslau Jura. Als 17-jähriger kämpfte er freiwillig im Ersten Weltkrieg. Er wird wegen besonderer „Tapferkeit vor dem Feind“ mit einer Medaille ausgezeichnet. Am 10. November 1926 legte er seine große juristische Staatsprüfung ab und erwarb den Doktortitel. Bis 1927 bekleidete er ein Richteramt in Hindenburg, Oberschlesien. 1928 folgte er dem Angebot des angesehenen Berliner Kammergerichtsanwaltes Dr. Hans-Fritz Abraham und trat dessen Rechtsanwalts-Sozietät bei. Die Kanzlei war auf Hypotheken– und Aufwertungswesen spezialisiert. Großmandanten wie Stadtgemeinden, Banken, Konzerne und Versicherungsgesellschaften zählten zum treuen Mandantenstamm. Der Sitz der Kanzlei befand sich an renommierter Adresse in der Friedrichstraße 182 II.

Mit dem Eintritt in die Kanzlei wird auch Dr. Günther Loebinger beim Kammergericht als Rechtsanwalt zugelassen. Seine Zukunftsaussichten waren glänzend.
1931 lernte er seine zukünftige Ehefrau Maria (geb. Heller) kennen. Am 19. August 1937 heirateten sie und wohnten in der Brandenburgischen Straße 38 (Vorderhaus I. Stock) in Wilmersdorf.

Beim Machtantritt der Nazis glaubten auch sie wie viele andere, „dass (sich) das Regime (...) bald totlaufen würde“, schreibt Maria in ihrem Entschädigungsantrag. „(E)s schien unmöglich, dass sich eine solch barbarische Regierung in einem bis dahin zivilisierten Land halten könnte“.

Doch mit dem reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte am 1. April 1933 verändert sich die Situation für Juden dramatisch. Die Einnahmen der Kanzlei brechen ein. Die Mandanten beauftragen keine jüdischen Rechtsanwälte mehr und auch Dr. Hans-Fritz Abraham ist Opfer dieser antijüdischen Politik. 1933 wurde Dr. Günther Loebinger die Zulassung als Kammergerichtsanwalt entzogen, 1934 musste er aus der Kanzlei ausscheiden. Als ehemaliger Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg konnte er noch als Rechtsanwalt arbeiten. So ließ er sich mit eigener Kanzlei in der Dircksenstraße 26 nieder.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde er am 9. November in das KZ Sachsenhausen verschleppt und in Geiselhaft genommen (Häftlingsnummer 8863, Häftlingsblock 37). Maria Loebinger schreibt in ihrem Entschädigungsantrag: „Es kamen drei furchtbare Wochen der Ungewissheit und Sorge um meinen Mann, in denen ich alles versuchte, um etwas über sein Schicksal zu erfahren. Dann kam er zurück, mit geschorenem Kopf, abgemagert, nicht zum Erkennen“. Am 2. Dezember 1938 wurde ihr Mann aus der Haft entlassen.
Ende 1938 verlor er endgültig seine Zulassung als Rechtsanwalt. Günther „durfte“ aber wegen seiner Kriegsauszeichnung als einer der wenigen jüdischen Rechtsanwälte unter der abwertenden Bezeichnung „Konsulent“ weiter jüdische Mandanten vertreten.

Dies war, wie seine Ehefrau Maria schreibt, „(e)in sehr zweischneidiges Schwert. Die ‚Zulassung’ eines Geächteten als Vertreter der Geächteten wurde mehr und mehr zur Geissel. Da mein Mann eine großartige Unerschrockenheit an den Tag legte, wo es galt zu helfen oder, besser gesagt, die Lage der Untersuchungsgefangenen zu mildern“, deren „Verbrechen“ fast ausschließlich eine Umgehung der antisemitischen Sonderbestimmungen darstellten, „lebten wir in einer ständigen Spannung und Furcht vor einer Verhaftung.“

Maria beschreibt ausführlich die Bemühungen des Ehepaares um eine Flucht. „Seit der Rückkehr meines Mannes aus dem Konzentrationslager hatte ich Hilferufe in alle Welt ausgesandt, an Menschen teilweise, die ich kaum oder gar nicht kannte, aber jeder Hoffnungsstrahl zerrann immer wieder in ein Nichts. Wir hatten wegen unserer Auswanderung Verbindungen zu den Vereinigten Staaten, Kuba, Australien, Chile, Bolivien und Brasilien eingeleitet. Wir machten die fantastischsten Fluchtpläne, kamen mit skrupellosen Menschen zusammen, die sich unsere Not zunutze machten, Vorauszahlungen geben liessen und sich nie wieder meldeten; wir konnten sie ja nicht belangen. Endlich, im Sommer 1939, schien sich das Glück zu wenden: Mein Onkel in England hatte erreicht, dass wir ein Permit für dort erhielten. Wir waren gerade mit den Vorbereitungen zur Ausreise fertig, unsere Papiere lagen bereits bei der Gestapo in der Kleiststrasse, als der Krieg ausbrach, und auch diese Hoffnung zunichte machte.“

Nach Jahren vergeblicher Bemühungen um Ausreise, ständiger Angst vor Verhaftung und Deportation und immer größer werdender Verzweiflung beschlossen die Loebingers schließlich unterzutauchen. In einem südlichen Berliner Vorort hatten sie ein Versteck gefunden. Einen Tag vor der geplanten Flucht in die Illegalität werden sie am 17. oder 18. Juni 1943 – hier weichen die Quellen leicht voneinander ab – von einer „Horde“ von Abholern, wie Maria schreibt, verhaftet und in das Sammellager Große Hamburger Straße gebracht. Dass sie in dieser aussichtslosen Lage erfolglos versuchten, in den Tod zu flüchten, deutet sie nur an.
Am 1. Juli 1943 wurden sie mit dem 94. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert – eine „Bevorzugung“ wegen der besonderen Kriegsauszeichnung ihres Mannes.

Nach mehr als einem Jahr werden sie von dort am 28. Oktober 1944 mit dem letzten „Herbsttransport“ nach Auschwitz deportiert (Bezeichnung „Ev -“ ; Ankunft 30.10.1944, Günther Loebinger hat die Transportnummer 1332, Maria die Transportnummer 1333).

Dr. Günther Loebinger wird bei seiner Ankunft in Auschwitz sofort ermordet. Sein Todesdatum wird durch Gerichtsbeschluss auf den 1. November 1944 festgesetzt.
Neben ihm kamen auch seine vier Geschwister und deren Angehörige sämtlich in der Shoah ums Leben:
Sein Bruder Walter (*18. Juni 1895) – ebenfalls ein Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg – lebte mit seiner Familie, seiner Frau Ella (geb. Rosenthal) und den beiden Söhnen Ernst (*23. Januar 1924) und Kurt (*5. Juni 1927) in Berlin, in der Eisenacher Straße 80 (Schöneberg). Die Familie wurde am 1. März 1943 mit dem 31. Transport nach Auschwitz deportiert.

Die anderen Familienmitglieder, die Schwester Edith (*1890) mit ihrem Ehemann Hans Grünberger (*1888) und Tochter Lucie (*1926), die Schwester Frieda (*1896) mit ihrem Ehemann Fritz Pinczower (*1895) und die Schwester Betty verwitwete Israel (*1902) lebten in Beuthen. Alle Jüdinnen und Juden aus Beuthen wurden zwischen April und Juni 1942 nach Auschwitz deportiert.