Ursula Martha Lindmann

Location 
Giesebrechtstr. 09
District
Charlottenburg
Stone was laid
08 May 2011
Born
20 February 1920 in Berlin
Deportation
on 27 October 1941 to Łódź / Litzmannstadt
Murdered
in Łódź / Litzmannstadt

Diese drei Stolpersteine wurden am 8.5.2011 verlegt. Der Stolperstein zum Gedenken an Ursula Martha Lindmann wurde von Dr. Peter und Christiane Roell gespendet.<br />
I<br />
Anita Martha Lindmann geb. Loeser wurde am 18. März 1890 in Hamburg geboren. Sie war verheiratet mit Dr. Max Lindmann. Ihre beiden Töchter wurden in Berlin geboren: Ursula Martha Amalie am 20. Februar 1920 und Ingrid Olga am 11. April 1923. Anita war von Beruf Gürtlerin, Ingrid Schneiderin. Die Familie wohnte im Parterre in der Giesebrechtstraße 9. Alle waren evangelisch. Max Lindmann starb 1939. Im Adressbuch von 1939 ist Anita als Haushaltsvorstand und Witwe geführt. <br />
<br />
Die Familie hatte früher eine gutbürgerliche Existenz. Zu der Garderobe der drei Frauen gehörten Abendkleider, Kostüme, Wollkleider und seidene Blusen, zu ihrem Hausrat silbernes Besteck. Im Januar 1941 betrug das Gesamtvermögen nach ihrer Depotaufstellung 5500 Mark. Bei der Deutschen Bank hatte Anita zwei Depots, darunter 2000 Deutsche Conti Gas Aktien und 1200 Aktien der Klöcknerwerke sowie zu Hause 300 Mark in bar. Am 15. Juli 1941 mussten die drei ihre Wohnung in der Giesebrechtstraße verlassen und in eine wesentlich kleinere Wohnung in der Soorstraße 28 umziehen. Zwar hatten sie Wohnzimmer und Speisezimmer, mussten sich aber zu dritt ein Schlafzimmer teilen.<br />
<br />
Die drei Frauen hatten Beschäftigungen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Anita Lindmann war von Beruf Gürtlerin und arbeitete als Vertreterin bei der Firma Frischamm oder Frischmann, Ingrid war gelernte Schneiderin. Die beiden Schwestern arbeiteten im Jahr der Verhaftung bei Zeiss-Ikon und erhielten einen Wochenlohn von 20 Mark. Von besonderer Tragik ist die Heirat der älteren Tochter Ursula mit dem gleichaltrigen Reklamefotografen Walter Danielsohn am 23. Oktober 1941, sechs Tage vor der Deportation. <br />
<br />
Am 29. Oktober 1941 wurden Anita, Ursula und Ingrid mit ihrem Mann Walter von der Sammelstelle Levetzowstraße 7/8, einer jüdischen Synagoge, zusammen mit über tausend weiteren Menschen ins Ghetto nach Lodz gebracht. Viele Menschen starben bereits während des Transports. Die Familie überlebte zunächst im Ghetto der von den deutschen Besatzern in Litzmannstadt umbenannten polnischen Stadt. Dann wurde Anita als erste am 9. Mai 1942 in das 60 Kiloeter entfernte Chelmno deportiert und am selben Tag ermordet. Ursula erlitt dasselbe Schicksal am 12. September 1942. Da war sie 22 Jahre alt. Ihr Mann Walter Danielsohn folgte ihr am 26. Juni 1944. Ingrids Todesdatum ist nicht bekannt.<br />
<br />
Währenddessen sorgte sich im März 1942 der Verwalter der Wohnung Soorstr. 28, Hans Stephan, um die Bezahlung der Stromkosten von 10,98 Mark und den Mietausfall für die versiegelte Wohnung im November und Dezember 1941. Diese seien verursacht durch Anita Lindmann und Angehörige, die „evakuiert“ und von der Gestapo abgeholt wurden. In einem Schreiben an das Finanzamt Moabit-West bat er um Erstattung. Dieser Bitte wurde stattgegeben.<br />
<br />
Um den Rest des Vermögens kümmerte sich der Oberfinanzpräsident mit der Frage ans Finanzamt, ob noch Sicherheiten für die Reichsfluchtsteuer vorhanden seien. Die Deutsche Bank teilt dem OFP am 20.11.1942 mit, dass nicht klar sei, ob die Voraussetzung für Vermögensverfall vorlägen. Sie könne erst überweisen, wenn „die Kundin außerhalb des Reichsgebiets abgeschoben“ worden sei. Litzmannstadt (Lodz) gehöre zum Reichsgebiet, eine Überweisung sei nicht möglich. Dieser Schriftwechsel zog sich bis 1944 hin.<br />
<br />
Die Deutsche Bank erteilte im November 1942 eine Vollmacht für Oscar Loeser, Anitas Bruder, letzte Adresse Hamburg, Faßweg 8. Ob sie ihn erreicht hat, ist unbekannt. Am 27. August 1950 schrieb er, nun unter der Adresse 1, Carringway, London, an den Treuhänder für zwangsübertragene Vermögen, Berlin, er habe Unterlagen über seine in Polen vergaste Schwester, zuletzt wohnhaft in der Giesebrechtstraße 9 und bitte um Anmeldungsformulare trotz Verstreichens der Frist. Er erhielt eine abschlägige Antwort. Die Frist sei abgelaufen. Er solle bei der Deutschen Bank nachfragen, ob noch Werte vorhanden seien und sich dann an die Nachfolgeorganisation IRSO wenden. Ob er damit Erfolg hatte, ist der Akte nicht zu entnehmen.<br />
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Diese drei Stolpersteine wurden am 8.5.2011 verlegt. Der Stolperstein zum Gedenken an Ursula Martha Lindmann wurde von Dr. Peter und Christiane Roell gespendet.
I
Anita Martha Lindmann geb. Loeser wurde am 18. März 1890 in Hamburg geboren. Sie war verheiratet mit Dr. Max Lindmann. Ihre beiden Töchter wurden in Berlin geboren: Ursula Martha Amalie am 20. Februar 1920 und Ingrid Olga am 11. April 1923. Anita war von Beruf Gürtlerin, Ingrid Schneiderin. Die Familie wohnte im Parterre in der Giesebrechtstraße 9. Alle waren evangelisch. Max Lindmann starb 1939. Im Adressbuch von 1939 ist Anita als Haushaltsvorstand und Witwe geführt.

Die Familie hatte früher eine gutbürgerliche Existenz. Zu der Garderobe der drei Frauen gehörten Abendkleider, Kostüme, Wollkleider und seidene Blusen, zu ihrem Hausrat silbernes Besteck. Im Januar 1941 betrug das Gesamtvermögen nach ihrer Depotaufstellung 5500 Mark. Bei der Deutschen Bank hatte Anita zwei Depots, darunter 2000 Deutsche Conti Gas Aktien und 1200 Aktien der Klöcknerwerke sowie zu Hause 300 Mark in bar. Am 15. Juli 1941 mussten die drei ihre Wohnung in der Giesebrechtstraße verlassen und in eine wesentlich kleinere Wohnung in der Soorstraße 28 umziehen. Zwar hatten sie Wohnzimmer und Speisezimmer, mussten sich aber zu dritt ein Schlafzimmer teilen.

Die drei Frauen hatten Beschäftigungen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Anita Lindmann war von Beruf Gürtlerin und arbeitete als Vertreterin bei der Firma Frischamm oder Frischmann, Ingrid war gelernte Schneiderin. Die beiden Schwestern arbeiteten im Jahr der Verhaftung bei Zeiss-Ikon und erhielten einen Wochenlohn von 20 Mark. Von besonderer Tragik ist die Heirat der älteren Tochter Ursula mit dem gleichaltrigen Reklamefotografen Walter Danielsohn am 23. Oktober 1941, sechs Tage vor der Deportation.

Am 29. Oktober 1941 wurden Anita, Ursula und Ingrid mit ihrem Mann Walter von der Sammelstelle Levetzowstraße 7/8, einer jüdischen Synagoge, zusammen mit über tausend weiteren Menschen ins Ghetto nach Lodz gebracht. Viele Menschen starben bereits während des Transports. Die Familie überlebte zunächst im Ghetto der von den deutschen Besatzern in Litzmannstadt umbenannten polnischen Stadt. Dann wurde Anita als erste am 9. Mai 1942 in das 60 Kiloeter entfernte Chelmno deportiert und am selben Tag ermordet. Ursula erlitt dasselbe Schicksal am 12. September 1942. Da war sie 22 Jahre alt. Ihr Mann Walter Danielsohn folgte ihr am 26. Juni 1944. Ingrids Todesdatum ist nicht bekannt.

Währenddessen sorgte sich im März 1942 der Verwalter der Wohnung Soorstr. 28, Hans Stephan, um die Bezahlung der Stromkosten von 10,98 Mark und den Mietausfall für die versiegelte Wohnung im November und Dezember 1941. Diese seien verursacht durch Anita Lindmann und Angehörige, die „evakuiert“ und von der Gestapo abgeholt wurden. In einem Schreiben an das Finanzamt Moabit-West bat er um Erstattung. Dieser Bitte wurde stattgegeben.

Um den Rest des Vermögens kümmerte sich der Oberfinanzpräsident mit der Frage ans Finanzamt, ob noch Sicherheiten für die Reichsfluchtsteuer vorhanden seien. Die Deutsche Bank teilt dem OFP am 20.11.1942 mit, dass nicht klar sei, ob die Voraussetzung für Vermögensverfall vorlägen. Sie könne erst überweisen, wenn „die Kundin außerhalb des Reichsgebiets abgeschoben“ worden sei. Litzmannstadt (Lodz) gehöre zum Reichsgebiet, eine Überweisung sei nicht möglich. Dieser Schriftwechsel zog sich bis 1944 hin.

Die Deutsche Bank erteilte im November 1942 eine Vollmacht für Oscar Loeser, Anitas Bruder, letzte Adresse Hamburg, Faßweg 8. Ob sie ihn erreicht hat, ist unbekannt. Am 27. August 1950 schrieb er, nun unter der Adresse 1, Carringway, London, an den Treuhänder für zwangsübertragene Vermögen, Berlin, er habe Unterlagen über seine in Polen vergaste Schwester, zuletzt wohnhaft in der Giesebrechtstraße 9 und bitte um Anmeldungsformulare trotz Verstreichens der Frist. Er erhielt eine abschlägige Antwort. Die Frist sei abgelaufen. Er solle bei der Deutschen Bank nachfragen, ob noch Werte vorhanden seien und sich dann an die Nachfolgeorganisation IRSO wenden. Ob er damit Erfolg hatte, ist der Akte nicht zu entnehmen.