Heinrich Michelsohn

Location 
Giesebrechtstr. 13
District
Charlottenburg
Stone was laid
22 September 2010
Born
25 April 1878 in Krone an der Brahe / Koronowo
Deportation
on 14 December 1942 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Heinrich Michelsohn wurde am 25. April 1878 in Krone a. d. Brahe, Posen (heute poln. Koronowo) geboren. Er war ein Sohn des Fabrikanten Jonathan Michelsohn und dessen Frau Lina geb. Lehmann. Über sein Elternhaus wissen wir leider nicht viel mehr, weder ob Heinrich noch Geschwister hatte und auch nicht, in welcher Branche sein Vater tätig war. Heinrich machte eine kaufmännische Ausbildung und möglicherweise auch eine Lehre als Bautischler. Als er im Juni 1904 Rosa Süßmann in Berlin heiratete, war seine Mutter bereits verstorben, der Vater lebte weiterhin in Krone an der Brahe. Wann Heinrich in die Hauptstadt kam, bleibt unklar. 1904 wohnte er in der Königsstraße 56, offenbar zur Untermiete, da er im Adressbuch nicht verzeichnet ist. Nach der Heirat bezog er mit Rosa sehr wahrscheinlich eine eigene Wohnung: Das Adressbuch 1905 führt einen Heinrich Michelsohn an, Tischlermeister, und Mitinhaber der „Bautischlerei mit elektrischem Betrieb“ A. Paul H. Neumann & Co in der Chausseestr 67, er selbst wohnhaft in der Prinzenstraße 42. Da Heinrich Michelsohn auch später als Tiefbauunternehmer tätig war, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich hier um ihn handelt.<br />
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Rosa Süßmann kam am 12. April 1874 in Breslau als Tochter des kaufmännischen Agenten Gumpert (Gustav) Süßmann und seiner Frau Friederike geb. Fröhlich auf die Welt. 1904 wohnte die Familie Süßmann nicht mehr in Breslau sondern bereits in Berlin, in der Raupachstraße 12. Neun Monate nach der Hochzeit, am 31. März 1905, brachte Rosa ihre Tochter Lisbeth zur Welt. Kurz darauf zogen Michelsohns in die Chausseestraße, in die Nähe des Betriebes, zunächst in die Nr. 94, nach dem Ersten Weltkrieg in die Nr. 111/112. Noch vor dem Krieg scheint die Bautischlerei nicht mehr bestanden zu haben, Heinrich Michelsohn ist nun als Vertreter der Firma Schall Secura u Co f. Straßen u Tiefbau eingetragen. Neun Jahre nach dem ersten Kind gebar Rosa am 16. Februar 1914 einen Sohn, Günther Ernst.<br />
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Heinrich Michelsohn war Mitglied in dem Freimaurerorden der „Odd Fellows“, Berolina Loge Nr. 15. Es handelt sich – er existiert heute noch - um einen philanthropischen, weltlichen Orden, in dem man unabhängig von der Religionszugehörigkeit eintreten konnte. In einem Mitgliederverzeichnis von 1920 wird Heinrich Michelsohn als Tiefbauunternehmer bezeichnet. Um 1928 kaufte er zusammen mit Hermann Korytowski eine Kiesgrube, wahrscheinlich die Kiesgrube „Ceres“ in Petersdorf bei Fürstenwalde, bei der er bis in die 30er Jahre Geschäftsführer war. Um 1933 – laut Adressbuch – bezog die Familie eine sechs-Zimmer-Wohnung in der Giesebrechtstraße 13. Folgt man Tochter Lisbeth, war Heinrich Michelsohn schon vorher an der Grund-Erwerbsgesellschaft beteiligt, der das Haus gehörte, und somit Miteigentümer.<br />
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Heinrich Michelsohn verdiente sehr gut und laut mehreren Zeugen pflegten er und seine Familie einen gediegenen Lebensstil, mit Dienstpersonal, Auto und wertvollen Möbeln. Als Kapitalanlage erstand Heinrich nicht nur erlesenen Schmuck, sondern auch ungefasste Brillanten. Rosa spielte auf dem eigenen Flügel, ihre Tochter berichtet, sie sei eine ausgebildete Pianistin gewesen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet jedoch für Michelsohns das alles ins Wanken. Das Haus Giesebrechtstraße 13 wurde 1934 zwangsversteigert, die Kiesgrubenfirma wurde wenige Jahre darauf „arisiert“. Wie alle Juden bekamen Heinrich und Rosa zunehmend den staatlich sanktionierten Antisemitismus im Alltag zu spüren. Am schmerzlichsten sicherlich war aber, dass am 15. Februar 1935, einen Tag vor seinem 21. Geburtstag, ihr Sohn Günther im Sankt-Gertrauden-Krankenhaus starb, „auch er ein Opfer Hitlers“, wie seine Schwester später schrieb - ohne dass die genaueren Umstände bekannt wären. Lisbeth selbst wanderte noch im gleichen Jahr im November nach Palästina aus. <br />
<br />
Heinrich und Rosa blieben in der Giesebrechtstraße. Zwar konnte Rosa ihre Tochter 1936/37 in Tel Aviv besuchen, sie kehrte jedoch nach Berlin zurück. Hier verschärfte sich die Lage für Juden zunehmend, besonders stark nach den Pogromen im November 1938. Heinrich fand eine Beschäftigung bei der Jüdischen Gemeinde, musste aber auch eine monatliche Unterstützung von 150.- RM durch einen Bruder annehmen (es bleibt unklar, ob es ein leiblicher Bruder oder ein Logenbruder war). In ihre große Wohnung wurden ihnen jüdische Untermieter eingewiesen, Ida Ingeborg Meinhardt und Julia Ehrlich. 1940 wurden Michelsohns gezwungen, ihre Wohnung ganz aufzugeben und selber in eine 2-Zimmer-Wohnung in der Prager Straße 23 zu ziehen. Ihre Möbel mussten sie größtenteils weit unter Preis „verschleudern“. Schmuck und Wertsachen – natürlich auch die Brillianten – hatten sie in der Pfandleihanstalt in der Jägerstraße abzugeben.<br />
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In der Prager Straße wurden Heinrich und Rosa Michelsohn Mitte Dezember 1942 von der Gestapo abgeholt und in das Sammellager im umfunktionierten jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht. Am 14. Dezember 1942 deportierte man sie mit 813 weiteren Leidensgenossen nach Auschwitz. Dort wurden sie ermordet.

Heinrich Michelsohn wurde am 25. April 1878 in Krone a. d. Brahe, Posen (heute poln. Koronowo) geboren. Er war ein Sohn des Fabrikanten Jonathan Michelsohn und dessen Frau Lina geb. Lehmann. Über sein Elternhaus wissen wir leider nicht viel mehr, weder ob Heinrich noch Geschwister hatte und auch nicht, in welcher Branche sein Vater tätig war. Heinrich machte eine kaufmännische Ausbildung und möglicherweise auch eine Lehre als Bautischler. Als er im Juni 1904 Rosa Süßmann in Berlin heiratete, war seine Mutter bereits verstorben, der Vater lebte weiterhin in Krone an der Brahe. Wann Heinrich in die Hauptstadt kam, bleibt unklar. 1904 wohnte er in der Königsstraße 56, offenbar zur Untermiete, da er im Adressbuch nicht verzeichnet ist. Nach der Heirat bezog er mit Rosa sehr wahrscheinlich eine eigene Wohnung: Das Adressbuch 1905 führt einen Heinrich Michelsohn an, Tischlermeister, und Mitinhaber der „Bautischlerei mit elektrischem Betrieb“ A. Paul H. Neumann & Co in der Chausseestr 67, er selbst wohnhaft in der Prinzenstraße 42. Da Heinrich Michelsohn auch später als Tiefbauunternehmer tätig war, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich hier um ihn handelt.

Rosa Süßmann kam am 12. April 1874 in Breslau als Tochter des kaufmännischen Agenten Gumpert (Gustav) Süßmann und seiner Frau Friederike geb. Fröhlich auf die Welt. 1904 wohnte die Familie Süßmann nicht mehr in Breslau sondern bereits in Berlin, in der Raupachstraße 12. Neun Monate nach der Hochzeit, am 31. März 1905, brachte Rosa ihre Tochter Lisbeth zur Welt. Kurz darauf zogen Michelsohns in die Chausseestraße, in die Nähe des Betriebes, zunächst in die Nr. 94, nach dem Ersten Weltkrieg in die Nr. 111/112. Noch vor dem Krieg scheint die Bautischlerei nicht mehr bestanden zu haben, Heinrich Michelsohn ist nun als Vertreter der Firma Schall Secura u Co f. Straßen u Tiefbau eingetragen. Neun Jahre nach dem ersten Kind gebar Rosa am 16. Februar 1914 einen Sohn, Günther Ernst.

Heinrich Michelsohn war Mitglied in dem Freimaurerorden der „Odd Fellows“, Berolina Loge Nr. 15. Es handelt sich – er existiert heute noch - um einen philanthropischen, weltlichen Orden, in dem man unabhängig von der Religionszugehörigkeit eintreten konnte. In einem Mitgliederverzeichnis von 1920 wird Heinrich Michelsohn als Tiefbauunternehmer bezeichnet. Um 1928 kaufte er zusammen mit Hermann Korytowski eine Kiesgrube, wahrscheinlich die Kiesgrube „Ceres“ in Petersdorf bei Fürstenwalde, bei der er bis in die 30er Jahre Geschäftsführer war. Um 1933 – laut Adressbuch – bezog die Familie eine sechs-Zimmer-Wohnung in der Giesebrechtstraße 13. Folgt man Tochter Lisbeth, war Heinrich Michelsohn schon vorher an der Grund-Erwerbsgesellschaft beteiligt, der das Haus gehörte, und somit Miteigentümer.

Heinrich Michelsohn verdiente sehr gut und laut mehreren Zeugen pflegten er und seine Familie einen gediegenen Lebensstil, mit Dienstpersonal, Auto und wertvollen Möbeln. Als Kapitalanlage erstand Heinrich nicht nur erlesenen Schmuck, sondern auch ungefasste Brillanten. Rosa spielte auf dem eigenen Flügel, ihre Tochter berichtet, sie sei eine ausgebildete Pianistin gewesen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet jedoch für Michelsohns das alles ins Wanken. Das Haus Giesebrechtstraße 13 wurde 1934 zwangsversteigert, die Kiesgrubenfirma wurde wenige Jahre darauf „arisiert“. Wie alle Juden bekamen Heinrich und Rosa zunehmend den staatlich sanktionierten Antisemitismus im Alltag zu spüren. Am schmerzlichsten sicherlich war aber, dass am 15. Februar 1935, einen Tag vor seinem 21. Geburtstag, ihr Sohn Günther im Sankt-Gertrauden-Krankenhaus starb, „auch er ein Opfer Hitlers“, wie seine Schwester später schrieb - ohne dass die genaueren Umstände bekannt wären. Lisbeth selbst wanderte noch im gleichen Jahr im November nach Palästina aus.

Heinrich und Rosa blieben in der Giesebrechtstraße. Zwar konnte Rosa ihre Tochter 1936/37 in Tel Aviv besuchen, sie kehrte jedoch nach Berlin zurück. Hier verschärfte sich die Lage für Juden zunehmend, besonders stark nach den Pogromen im November 1938. Heinrich fand eine Beschäftigung bei der Jüdischen Gemeinde, musste aber auch eine monatliche Unterstützung von 150.- RM durch einen Bruder annehmen (es bleibt unklar, ob es ein leiblicher Bruder oder ein Logenbruder war). In ihre große Wohnung wurden ihnen jüdische Untermieter eingewiesen, Ida Ingeborg Meinhardt und Julia Ehrlich. 1940 wurden Michelsohns gezwungen, ihre Wohnung ganz aufzugeben und selber in eine 2-Zimmer-Wohnung in der Prager Straße 23 zu ziehen. Ihre Möbel mussten sie größtenteils weit unter Preis „verschleudern“. Schmuck und Wertsachen – natürlich auch die Brillianten – hatten sie in der Pfandleihanstalt in der Jägerstraße abzugeben.

In der Prager Straße wurden Heinrich und Rosa Michelsohn Mitte Dezember 1942 von der Gestapo abgeholt und in das Sammellager im umfunktionierten jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht. Am 14. Dezember 1942 deportierte man sie mit 813 weiteren Leidensgenossen nach Auschwitz. Dort wurden sie ermordet.