Kurt Dietrich

Location 
Giesebrechtstr. 19
District
Charlottenburg
Stone was laid
08 May 2011
Born
26 December 1910 in Breslau (Schlesien) / Wrocław
Deportation
on 16 June 1943 to Theresienstadt
Later deported
on 12 October 1944 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Über Kurt Dietrichs Leben konnte sehr wenig ermittelt werden. Er wurde am 26. Dezember 1910 in Breslau geboren. Unmöglich zu sagen, wer seine Eltern waren – vor dem Ersten Weltkrieg zeigt das Adressbuch Breslau über 40 Einträge mit den Familiennamen „Dietrich“. Für Kurts weiteren Werdegang sind wir auf Vermutungen angewiesen. Eine Quelle besagt, er habe 1939 noch in Breslau gewohnt und sei Jurist gewesen. Tatsächlich verzeichnet das dortige Adressbuch in diesem Jahr nur einen Kurt Dietrich, Dr. jur., Bankjurist, in der Neudorfstraße 35. Erstmalig ist er 1937 registriert, da war er Referendar. Handelt es sich wirklich um den hier gesuchten Kurt Dietrich, müsste er vor dem 17. Mai 1939 nach Berlin gezogen sein. Denn bei der Volkszählung an diesem Tag wurde er in der Berliner Giesebrechtstraße 19 erfasst, offenbar als Untermieter, da er nicht als Hauptmieter im Adressbuch erscheint.

Die wenigen gesicherten Daten über Kurt Dietrich konnten der „Vermögenserklärung“ entnommen werden, das 16-seitige Formular, das unmittelbar vor der Deportation auszufüllen war, um der Oberfinanzdirektion die Beschlagnahmung jüdischen Vermögens zu erleichtern. Kurt Dietrich gab nur die Daten zur Person auf den ersten beiden Seiten an, ein wie auch immer geartetes Vermögen hatte er wohl nicht mehr. Daher wissen wir, dass er konfessioneller „Dissident“ war, sich also nicht dem jüdischen Glauben zugehörig sah. Er unterstreicht, dass er „Geltungsjude“ sei, eine NS-Kategorie, die Menschen bezeichnete, deren Großeltern nicht alle Juden waren, und die nicht im jüdischen Glaube erzogen worden waren. Sie wurden zunächst von der Deportation zurückgestellt - möglich, dass man das für Kurt Dietrich nicht anerkannte, da nur sein Großvater väterlicherseits kein Jude gewesen war. Ferner erfahren wir, dass er ledig war und dass er sich seit etwa 4 ½ Monaten - seit dem 26. Januar 1943 – im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2-4 befand, vermutlich also schwer krank war. Seine Kennkarte, die nach der Bekanntmachung vom Juli 1938 für alle Juden Pflicht war, wurde in Bad Harzburg ausgestellt, eines der wenigen Kurorte, in denen Juden noch geduldet wurden. Da die Karten in der Regel im ersten Halbjahr 1939 ausgestellt wurden, muss sich Kurt Dietrich in der Zeit dort aufgehalten haben, vielleicht unmittelbar vor seinem Umzug nach Berlin. Als Beruf gibt er „Arbeiter“ an, und man darf annehmen, dass der noch junge Mann vor seinem Krankenhausaufenthalt zur Zwangsarbeit herangezogen worden war.

Im Mai/Juni 1943 räumte die Gestapo jüdische Krankenhäuser. Ende Mai waren bereits die „liegenden Patienten“ und zahlreiches Personal des Krankenhauses und Siechenheims in der Auguststraße nach Theresienstadt deportiert worden. Nun war das Krankenhaus in der Iranischen Straße dran. Am 8. Juni unterschrieb Kurt Dietrich seine „Vermögenserklärung“, am 16. Juni wurde er mit ca. 200 anderen „liegenden Patienten“, zahlreichem Pflegepersonal und Angestellten der Berliner Jüdischen Gemeinde – 430 Menschen im Ganzen, darunter etliche „Geltungsjuden“ – ebenfalls nach Theresienstadt deportiert. 81 Menschen überlebten, Kurt Dietrich gehörte nicht dazu. Er überlebte zwar noch über ein Jahr in Theresienstadt den dortigen menschenverachtenden Lebensbedingungen zum Trotz, wurde dann aber am 12. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert, diesmal zusammen mit 1500 weiteren Opfern, und dort ums Leben gebracht.

Ein Jahr zuvor, am 12. Oktober 1943, wurde in Berlin der Gerichtsvollzieher in die Giesebrechtstraße 19 geschickt, um eventuellen Besitz von Kurt Dietrich zu beschlagnahmen. Der Bericht lautet: „Nachlass wurde nicht vorgefunden. Die Wohnung ist geräumt.“