Josef Chaim Weinberger

Location 
Goethestr. 70
District
Charlottenburg
Stone was laid
10 August 2014
Born
04 August 1888 in Dukla (Galizien)
Occupation
Eigentümer / Kaufmann
Escape
1944 Palästina
Verhaftet
12 February 1942 to 30 May 1944 in KZ Ferramonti di Tarsia
Survived

Josef Chaim Weinberger wurde am 4. August 1888 in Dukla, Galizien, geboren. Zu dieser Zeit war Galizien ein Kronland im Kaisertum Österreich. Dukla liegt im Süden Westgaliziens, an der Grenze zur heutigen Slowakei. Der Ort war eine vorwiegend jüdische Stadt, 1900 betrug der Anteil der jüdischen Einwohner 79 Prozent. Josef war der Sohn von Isaak Weinberger aus Gorlice und seiner Frau Itte, geb. Unger, aus Dukla. Er hatte zwei Schwestern, Fanny Feige und Mina. Über die Kindheit und Jugend Josefs in Dukla wissen wir nichts. Gut möglich, dass er am Ersten Weltkrieg als österreichischer Soldat teilnahm.<br />
Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerstaates im Jahre 1918 wurde Dukla polnisch. Das schon vorher schwierige Verhältnis zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Stadt entlud sich 1918 in einem heftigen Pogrom. Schon zu Beginn des Krieges 1915 hatten besonders Juden schwer unter der Besatzung durch Russland zu leiden gehabt. Beides trieb viele in die Emigration, die meisten flohen nach Wien. Auch Josef Weinberger finden wir 1919 dort wieder, wir wissen nicht, wann er oder seine ganze Familie dorthin umsiedelten. In diesem Jahr heiratete Josef Weinberger Chanah Silbiger (auch Anna genannt), die ebenfalls aus Westgalizien stammte. Sie war 1898 in Chrzanów als jüngste Tochter von David Hacohen Silbiger und Feigel Fani, geb. Guttner, zur Welt gekommen. Silbigers hatten sechs Kinder, drei Jungen, Moshe, Abraham und Jacques Yakar, und drei Mädchen, Rivka, Miryam und Chanah. Chanahs Familie blieb in Chrzanów, möglicherweise kam Chanah erst nach der Heirat nach Wien.<br />
Josef und Chanah Weinberger lebten fortan in Wien und bekamen dort 1922 (einige Dokumente geben 1921 an) die Tochter Irma Naomi, auch Noomi genannt, und 1924 den Sohn Norbert Naftali. Kurz nach Norberts Geburt siedelte die Familie nach Berlin um, ab 1925 wohnten sie in der Goethestraße 70. Im Berliner Adressbuch ist Josef Weinberger erstmals 1928 zu finden. In Wien hatte sich Josef Weinberger laut seinem Sohn als Bankier betätigt, in Berlin betrieb er ein Verwaltungsbüro. Zweifelsohne war er recht wohlhabend, denn in der Goethestraße bezog er eine 5-Zimmer-Wohnung und 1927 erwarb er zusammen mit dem Juristen Max Majes das Wohnhaus Zionkirchstraße 45, er selbst wohnte weiter in der Goethestraße 70. Die Berufsbezeichnung im Adressbuch lautete jetzt „Eigentümer“, später Kaufmann. 1932 trat er dann eine Stellung an als Abteilungsleiter in der Erko GmbH, die später zur Berliner Radium AG in der Bülowstraße 105 wurde. Dort überwachte er die Fabrikation und Reparatur von Elektro-Radium-Kompressoren und Radium-Emanatoren, Teile, die – so der Geschäftsführer – bei der Herstellung von Geräten wie etwa Heizkissen verwendet wurden.<br />
Wie Josef Weinberger die Machtübernahme der Nationalsozialisten erlebte und die Zunahme an offiziellen antisemitischen Maßnahmen, ist nicht bekannt. Am 14. Mai 1937 starb Chanah an einer Gallenvergiftung und Herzschwäche. Sie wurde noch am selben Tag auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. Im November des gleichen Jahres starb in Wien Josefs Tante Sheindel Puzye, Erben waren ihr Bruder Benjamin Weinberger – also ein Onkel Josefs – und Josef und seine Schwestern Fanny Feigel und Mina. Inwieweit Josef davon erfuhr, bleibt unklar. Jedenfalls scheint die Gestapo nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 verhindert zu haben, dass er das Erbe antreten konnte. Nach den Pogromen vom November 1938 häuften sich die antijüdischen diskriminierenden und demütigenden Maßnahmen dermaßen, dass Josef für sich und seine Kinder die Dringlichkeit erkannte, Deutschland zu verlassen. Irma konnte im Februar 1939 mit der Jugend-Alija, der von der Reichsvertretung der Juden organisierten Auswanderung junger Leute nach Palästina, dorthin gelangen, 1943 beantragte sie die Einbürgerung. Norbert, 14-jährig, war schon im Januar 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet worden.<br />
Josef suchte nun selbst nach einem Weg, Deutschland zu verlassen. Visa und Affidavits zu bekommen war nach den Novemberpogromen erheblich schwieriger geworden. Für Palästina hatte die britische Mandatsregierung die Einwanderungszertifikate drastisch eingeschränkt. Nach Kriegsausbruch wurde es noch schwieriger. Josef entschloss sich zu einer der abenteuerlichen „Alija-Bet-Reisen“, der illegalen Fahrten nach Palästina, auch Sonder-Hachschara genannt. Illegal waren sie nur für die Briten. Sie wurden von der Reichsvereinigung der Juden und dem Palästinaamt organisiert – mit Hilfe der Gestapo, die zunächst die Auswanderung von Juden unterstützte.<br />
Josef konnte sich die nötigen 200 Dollar beschaffen, die für die 5. Sonder-Hachschara in der Schweiz zu bezahlen waren. Noch im November 1938 hatte er sich gezwungen gesehen, mit Einverständnis der Witwe von Max Majes’, Antonie Majes, das Haus in der Zionskirchstraße an zwei „Arier“ zu verkaufen. Josef brauchte zunächst das Geld, um u.a. die „Judenabgabe“ zu bezahlen, zu der Juden nach den Pogromen verdonnert worden waren. Nach Ablösung der Hypotheken erhielt er 13.000 RM, die auf ein Sperrkonto überwiesen wurden. Offenbar erhielt er die Erlaubnis, davon die Transaktion in die Schweiz zu tätigen und außerdem, da er kein Geld bei der Ausreise mitnehmen durfte, Möbel und Kleidung zu kaufen, die er in fünf Kisten und zwei Koffern einer Speditionsfirma übergab, um sie nach Palästina zu verfrachten. Die nötigen Papiere wurden mit Hilfe deutscher und internationaler jüdischer Organisationen unter Duldung der Gestapo beschafft, am 15. Mai 1940 wurde ihm ein Pass ausgestellt. Dann musste alles sehr schnell gehen. Die Gruppe der 5. Sonder-Hachschara wurde über Wien nach Pressburg (Bratislava) transportiert und nach einer kurzen Internierung im Lager Patronka begann schon am 18. Mai Josefs Odyssee. <br />
An diesem 18. Mai 1940 bestieg Josef Weinberger mit weiteren 406 Juden im Hafen von Pressburg den Flussdampfer Pentcho. Später kamen noch 101 Passagiere dazu. Es handelte sich um einen älteren Raddampfer, den eine jüdische Organisation gekauft und instandgesetzt hatte, um die Einreiseverbote der Briten nach Palästina zu umgehen. Da die Donau als internationales Gewässer galt und folglich keine Transitvisa erforderlich waren, war dieser Weg eine mögliche Fluchtgelegenheit. Die Pentcho hatte jedoch noch viele Hindernisse zu überwinden, bis sie Mitte September die Dardanellen passieren konnte. Geplant war, dass sie dort von einem seetüchtigen Schiff abgelöst werden sollte, doch dieses war schlichtweg nicht da. Die Pentcho war in keinem guten technischen Zustand, sie war überladen und hatte ständig Schwierigkeiten, sich mit Lebensmitteln und Kraftstoff zu versorgen. Dennoch wagten es Besatzung und Passagiere weiterzufahren. Anfang Oktober erreichte das Schiff die Dodekanes-Inseln, die damals unter italienischer Besatzung standen. Am 9. Oktober explodierte ein Kessel und anschließend lief die Pentcho auf einen Felsen bei der unbewohnten Insel Kamilonisi nahe Rhodos auf. Alle Passagiere, das meiste Gepäck und Teile der Ausrüstung konnten gerettet werden, bevor das Schiff sank. Josefs Reisegepäck allerdings fiel beim Ausladen ins Meer und verschwand in den Wellen.<br />
Zehn Tage später brachte das italienische Militär die Schiffbrüchigen nach Rhodos und internierte sie in einem hastig aufgebauten Zeltlager. Da die Versorgungslage auf der Insel sehr prekär war, bat der Militärgouverneur um ihre rasche Verlegung. Die war aber inmitten des Kriegsgeschehens nicht so einfach und die Schiffbrüchigen mussten noch viele Monate im Lager verbringen, unter sehr schlechten Lebensbedingungen und in der Unsicherheit, ob sie je ihre Reise würden fortsetzen können oder ob sie gar an ihre Ausgangsländer abgeschoben würden. Josef erkrankte an einem Magengeschwür. Erst Anfang 1942 beschloss man, die Schiffbrüchigen der Pentcho nach Italien zu verbringen. Ende März waren dann alle 505 im KZ Ferramonti di Tarsia in Süditalien interniert. Auch Josef Weinberger wurde hier registriert, er traf am 12. Februar 1942 ein. Als seine Ehefrau eingetragen wurde Emilie Furst (Fürst?), am 13. Juli 1882 in Bartelsdorf (Bartovice) geboren, die allerdings erst am 27. März 1942 nach Ferramonti kam. Vielleicht heirateten die beiden erst im Lager. In Ferramonti waren die Bedingungen vergleichsweise mild, obwohl auch hier Lebensmittelknappheit herrschte. Josef Weinberger selbst schrieb später, das KZ sei „nicht grausam [gewesen], aber habe dort gehungert, war krank“. Die Insassen konnten ihr Alltagsleben selbst organisieren. Es gab kulturelle und freizeitliche Veranstaltungen, Heiraten, Geburten und natürliche Todesfälle.<br />
Als am 10. Juli 1943 die Alliierten im nahen Sizilien landeten, keimte Hoffnung auf. Zwei Wochen später wurde Mussolini abgesetzt, sein Nachfolger Badoglio schloss Anfang September einen Separat-Waffenstillstand mit den Alliierten. Die Deutschen zogen sich hinter die Frontlinie in Mittelitalien zurück, Süditalien wurde befreit, auch das Lager Ferramonti. Die meisten Insassen blieben zunächst im Lager; die Briten stellten in Aussicht, sich um ihre Weiterreise zu kümmern. Das brauchte wieder seine Zeit, aber am 30. Mai 1944 konnten tatsächlich 570 Juden, darunter 186 von der Pentcho, ein von der Alliierten Kontrollkommission gechartertes Schiff in Taranto besteigen, das sie nach Alexandria brachte. Von dort erreichten sie per Zug Palästina. Unter ihnen war Josef Weinberger, dessen Ankunft am 5. Juni 1944 in Haifa registriert wurde. Nicht dabei war Emilie Furst, von ihr wird nicht mehr die Rede sein. Josef gab nun als Ehefrau die Holländerin Yetty Bauwman an, die aber nicht mitgekommen sei. Über beide Frauen konnte nichts Weiteres herausgefunden werden. Als Josef Weinberger 1946 eingebürgert wurde, galt seine Ehefrau Yetty immer noch als „im Ausland“.<br />
Auch nicht nach Palästina gekommen war Josefs Umzugsgut. Schon in Ferramonti hatte er erfahren, dass es von der Speditionsfirma Parisi nur bis Triest hatte gebracht werden können. Dort lagerte es im Freihafen. Im Januar 1944 erhielt Parisi ein Schreiben vom Oberkommissar der Operationszone „Adriatisches Küstenland“, wonach der Freihafen von Triest geräumt werden müsse und „soweit das Umzugsgut jüdisch ist, ist es beschlagnahmt und wird verwertet“. Fast neun Jahre korrespondierte Josef Weinberger darüber mit dem Entschädigungsamt, schließlich wurden ihm 10.000 DM zugestanden. Josef Weinberger starb 1967 in Israel.<br />
In Palästina war nicht nur seine Tochter Irma Naomi, auch Norbert siedelte mit seiner Frau Gisela 1949 von England dorthin um. Josefs Schwester Feigel, verheiratete Löw-Stieglitz, lebte ebenfalls dort. Seine Schwester Mina, verheiratete Lagstein, war 1942 in Wien gestorben. Chanas Eltern jedoch, David und Fanni Feigel Silbiger, die weiter in Chrzanów gelebt hatten, wurden 1943 in Auschwitz ermordet. Auch Chanas Schwester Rivka, verheiratete Tobias, und ihr Bruder Abraham mit seiner Frau Frimet kamen in der Shoa um.

Josef Chaim Weinberger wurde am 4. August 1888 in Dukla, Galizien, geboren. Zu dieser Zeit war Galizien ein Kronland im Kaisertum Österreich. Dukla liegt im Süden Westgaliziens, an der Grenze zur heutigen Slowakei. Der Ort war eine vorwiegend jüdische Stadt, 1900 betrug der Anteil der jüdischen Einwohner 79 Prozent. Josef war der Sohn von Isaak Weinberger aus Gorlice und seiner Frau Itte, geb. Unger, aus Dukla. Er hatte zwei Schwestern, Fanny Feige und Mina. Über die Kindheit und Jugend Josefs in Dukla wissen wir nichts. Gut möglich, dass er am Ersten Weltkrieg als österreichischer Soldat teilnahm.
Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerstaates im Jahre 1918 wurde Dukla polnisch. Das schon vorher schwierige Verhältnis zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Stadt entlud sich 1918 in einem heftigen Pogrom. Schon zu Beginn des Krieges 1915 hatten besonders Juden schwer unter der Besatzung durch Russland zu leiden gehabt. Beides trieb viele in die Emigration, die meisten flohen nach Wien. Auch Josef Weinberger finden wir 1919 dort wieder, wir wissen nicht, wann er oder seine ganze Familie dorthin umsiedelten. In diesem Jahr heiratete Josef Weinberger Chanah Silbiger (auch Anna genannt), die ebenfalls aus Westgalizien stammte. Sie war 1898 in Chrzanów als jüngste Tochter von David Hacohen Silbiger und Feigel Fani, geb. Guttner, zur Welt gekommen. Silbigers hatten sechs Kinder, drei Jungen, Moshe, Abraham und Jacques Yakar, und drei Mädchen, Rivka, Miryam und Chanah. Chanahs Familie blieb in Chrzanów, möglicherweise kam Chanah erst nach der Heirat nach Wien.
Josef und Chanah Weinberger lebten fortan in Wien und bekamen dort 1922 (einige Dokumente geben 1921 an) die Tochter Irma Naomi, auch Noomi genannt, und 1924 den Sohn Norbert Naftali. Kurz nach Norberts Geburt siedelte die Familie nach Berlin um, ab 1925 wohnten sie in der Goethestraße 70. Im Berliner Adressbuch ist Josef Weinberger erstmals 1928 zu finden. In Wien hatte sich Josef Weinberger laut seinem Sohn als Bankier betätigt, in Berlin betrieb er ein Verwaltungsbüro. Zweifelsohne war er recht wohlhabend, denn in der Goethestraße bezog er eine 5-Zimmer-Wohnung und 1927 erwarb er zusammen mit dem Juristen Max Majes das Wohnhaus Zionkirchstraße 45, er selbst wohnte weiter in der Goethestraße 70. Die Berufsbezeichnung im Adressbuch lautete jetzt „Eigentümer“, später Kaufmann. 1932 trat er dann eine Stellung an als Abteilungsleiter in der Erko GmbH, die später zur Berliner Radium AG in der Bülowstraße 105 wurde. Dort überwachte er die Fabrikation und Reparatur von Elektro-Radium-Kompressoren und Radium-Emanatoren, Teile, die – so der Geschäftsführer – bei der Herstellung von Geräten wie etwa Heizkissen verwendet wurden.
Wie Josef Weinberger die Machtübernahme der Nationalsozialisten erlebte und die Zunahme an offiziellen antisemitischen Maßnahmen, ist nicht bekannt. Am 14. Mai 1937 starb Chanah an einer Gallenvergiftung und Herzschwäche. Sie wurde noch am selben Tag auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. Im November des gleichen Jahres starb in Wien Josefs Tante Sheindel Puzye, Erben waren ihr Bruder Benjamin Weinberger – also ein Onkel Josefs – und Josef und seine Schwestern Fanny Feigel und Mina. Inwieweit Josef davon erfuhr, bleibt unklar. Jedenfalls scheint die Gestapo nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 verhindert zu haben, dass er das Erbe antreten konnte. Nach den Pogromen vom November 1938 häuften sich die antijüdischen diskriminierenden und demütigenden Maßnahmen dermaßen, dass Josef für sich und seine Kinder die Dringlichkeit erkannte, Deutschland zu verlassen. Irma konnte im Februar 1939 mit der Jugend-Alija, der von der Reichsvertretung der Juden organisierten Auswanderung junger Leute nach Palästina, dorthin gelangen, 1943 beantragte sie die Einbürgerung. Norbert, 14-jährig, war schon im Januar 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet worden.
Josef suchte nun selbst nach einem Weg, Deutschland zu verlassen. Visa und Affidavits zu bekommen war nach den Novemberpogromen erheblich schwieriger geworden. Für Palästina hatte die britische Mandatsregierung die Einwanderungszertifikate drastisch eingeschränkt. Nach Kriegsausbruch wurde es noch schwieriger. Josef entschloss sich zu einer der abenteuerlichen „Alija-Bet-Reisen“, der illegalen Fahrten nach Palästina, auch Sonder-Hachschara genannt. Illegal waren sie nur für die Briten. Sie wurden von der Reichsvereinigung der Juden und dem Palästinaamt organisiert – mit Hilfe der Gestapo, die zunächst die Auswanderung von Juden unterstützte.
Josef konnte sich die nötigen 200 Dollar beschaffen, die für die 5. Sonder-Hachschara in der Schweiz zu bezahlen waren. Noch im November 1938 hatte er sich gezwungen gesehen, mit Einverständnis der Witwe von Max Majes’, Antonie Majes, das Haus in der Zionskirchstraße an zwei „Arier“ zu verkaufen. Josef brauchte zunächst das Geld, um u.a. die „Judenabgabe“ zu bezahlen, zu der Juden nach den Pogromen verdonnert worden waren. Nach Ablösung der Hypotheken erhielt er 13.000 RM, die auf ein Sperrkonto überwiesen wurden. Offenbar erhielt er die Erlaubnis, davon die Transaktion in die Schweiz zu tätigen und außerdem, da er kein Geld bei der Ausreise mitnehmen durfte, Möbel und Kleidung zu kaufen, die er in fünf Kisten und zwei Koffern einer Speditionsfirma übergab, um sie nach Palästina zu verfrachten. Die nötigen Papiere wurden mit Hilfe deutscher und internationaler jüdischer Organisationen unter Duldung der Gestapo beschafft, am 15. Mai 1940 wurde ihm ein Pass ausgestellt. Dann musste alles sehr schnell gehen. Die Gruppe der 5. Sonder-Hachschara wurde über Wien nach Pressburg (Bratislava) transportiert und nach einer kurzen Internierung im Lager Patronka begann schon am 18. Mai Josefs Odyssee.
An diesem 18. Mai 1940 bestieg Josef Weinberger mit weiteren 406 Juden im Hafen von Pressburg den Flussdampfer Pentcho. Später kamen noch 101 Passagiere dazu. Es handelte sich um einen älteren Raddampfer, den eine jüdische Organisation gekauft und instandgesetzt hatte, um die Einreiseverbote der Briten nach Palästina zu umgehen. Da die Donau als internationales Gewässer galt und folglich keine Transitvisa erforderlich waren, war dieser Weg eine mögliche Fluchtgelegenheit. Die Pentcho hatte jedoch noch viele Hindernisse zu überwinden, bis sie Mitte September die Dardanellen passieren konnte. Geplant war, dass sie dort von einem seetüchtigen Schiff abgelöst werden sollte, doch dieses war schlichtweg nicht da. Die Pentcho war in keinem guten technischen Zustand, sie war überladen und hatte ständig Schwierigkeiten, sich mit Lebensmitteln und Kraftstoff zu versorgen. Dennoch wagten es Besatzung und Passagiere weiterzufahren. Anfang Oktober erreichte das Schiff die Dodekanes-Inseln, die damals unter italienischer Besatzung standen. Am 9. Oktober explodierte ein Kessel und anschließend lief die Pentcho auf einen Felsen bei der unbewohnten Insel Kamilonisi nahe Rhodos auf. Alle Passagiere, das meiste Gepäck und Teile der Ausrüstung konnten gerettet werden, bevor das Schiff sank. Josefs Reisegepäck allerdings fiel beim Ausladen ins Meer und verschwand in den Wellen.
Zehn Tage später brachte das italienische Militär die Schiffbrüchigen nach Rhodos und internierte sie in einem hastig aufgebauten Zeltlager. Da die Versorgungslage auf der Insel sehr prekär war, bat der Militärgouverneur um ihre rasche Verlegung. Die war aber inmitten des Kriegsgeschehens nicht so einfach und die Schiffbrüchigen mussten noch viele Monate im Lager verbringen, unter sehr schlechten Lebensbedingungen und in der Unsicherheit, ob sie je ihre Reise würden fortsetzen können oder ob sie gar an ihre Ausgangsländer abgeschoben würden. Josef erkrankte an einem Magengeschwür. Erst Anfang 1942 beschloss man, die Schiffbrüchigen der Pentcho nach Italien zu verbringen. Ende März waren dann alle 505 im KZ Ferramonti di Tarsia in Süditalien interniert. Auch Josef Weinberger wurde hier registriert, er traf am 12. Februar 1942 ein. Als seine Ehefrau eingetragen wurde Emilie Furst (Fürst?), am 13. Juli 1882 in Bartelsdorf (Bartovice) geboren, die allerdings erst am 27. März 1942 nach Ferramonti kam. Vielleicht heirateten die beiden erst im Lager. In Ferramonti waren die Bedingungen vergleichsweise mild, obwohl auch hier Lebensmittelknappheit herrschte. Josef Weinberger selbst schrieb später, das KZ sei „nicht grausam [gewesen], aber habe dort gehungert, war krank“. Die Insassen konnten ihr Alltagsleben selbst organisieren. Es gab kulturelle und freizeitliche Veranstaltungen, Heiraten, Geburten und natürliche Todesfälle.
Als am 10. Juli 1943 die Alliierten im nahen Sizilien landeten, keimte Hoffnung auf. Zwei Wochen später wurde Mussolini abgesetzt, sein Nachfolger Badoglio schloss Anfang September einen Separat-Waffenstillstand mit den Alliierten. Die Deutschen zogen sich hinter die Frontlinie in Mittelitalien zurück, Süditalien wurde befreit, auch das Lager Ferramonti. Die meisten Insassen blieben zunächst im Lager; die Briten stellten in Aussicht, sich um ihre Weiterreise zu kümmern. Das brauchte wieder seine Zeit, aber am 30. Mai 1944 konnten tatsächlich 570 Juden, darunter 186 von der Pentcho, ein von der Alliierten Kontrollkommission gechartertes Schiff in Taranto besteigen, das sie nach Alexandria brachte. Von dort erreichten sie per Zug Palästina. Unter ihnen war Josef Weinberger, dessen Ankunft am 5. Juni 1944 in Haifa registriert wurde. Nicht dabei war Emilie Furst, von ihr wird nicht mehr die Rede sein. Josef gab nun als Ehefrau die Holländerin Yetty Bauwman an, die aber nicht mitgekommen sei. Über beide Frauen konnte nichts Weiteres herausgefunden werden. Als Josef Weinberger 1946 eingebürgert wurde, galt seine Ehefrau Yetty immer noch als „im Ausland“.
Auch nicht nach Palästina gekommen war Josefs Umzugsgut. Schon in Ferramonti hatte er erfahren, dass es von der Speditionsfirma Parisi nur bis Triest hatte gebracht werden können. Dort lagerte es im Freihafen. Im Januar 1944 erhielt Parisi ein Schreiben vom Oberkommissar der Operationszone „Adriatisches Küstenland“, wonach der Freihafen von Triest geräumt werden müsse und „soweit das Umzugsgut jüdisch ist, ist es beschlagnahmt und wird verwertet“. Fast neun Jahre korrespondierte Josef Weinberger darüber mit dem Entschädigungsamt, schließlich wurden ihm 10.000 DM zugestanden. Josef Weinberger starb 1967 in Israel.
In Palästina war nicht nur seine Tochter Irma Naomi, auch Norbert siedelte mit seiner Frau Gisela 1949 von England dorthin um. Josefs Schwester Feigel, verheiratete Löw-Stieglitz, lebte ebenfalls dort. Seine Schwester Mina, verheiratete Lagstein, war 1942 in Wien gestorben. Chanas Eltern jedoch, David und Fanni Feigel Silbiger, die weiter in Chrzanów gelebt hatten, wurden 1943 in Auschwitz ermordet. Auch Chanas Schwester Rivka, verheiratete Tobias, und ihr Bruder Abraham mit seiner Frau Frimet kamen in der Shoa um.