Moritz Scharlinski

Location 
Hufelandstr. 35
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
04 April 2022
Born
09 March 1869 in Blumenau (Ostpreussen)
Occupation
Tuchhändler
Escape
1938 nach England
Survived

Moritz Scharlinski wurde am 09. März 1869 als Sohn des Kaufmanns Caspar Scharlinski und dessen Ehefrau Rosalie geb. Reibach im ostpreußischen Blumenau geboren. Mit Anfang Zwanzig zog Moritz Scharlinski nach Berlin und arbeitete dort als Tuchhändler. Am 04. Oktober 1892 heiratete er Clara Cohn, Tochter eines Kaufmannes, der ebenfalls im Textilhandel tätig war. Das Paar brachte zehn Kinder zur Welt, von denen fünf Töchter und zwei Söhne das Kleinkindalter überlebten. 1913 zog die Familie in die Hufelandstraße 35 in Prenzlauer Berg. Das Geschäft von Moritz Scharlinski florierte. Seit 1925 weist das Berliner Adressbuch eine Tuchgroßhandlung aus, die er an dieser Adresse betrieb. Die Familie wohnte und arbeitete in der 2. Etage, in einer Wohnung mit sieben bis acht Zimmern. Moritz Scharlinski hatte die schwere und sicher auch entbehrungsreiche Zeit seiner Jugend in Ostpreußen hinter sich gelassen. Die Kinder wuchsen heran, heirateten, zogen aus. In den zwanziger und dreißiger Jahren vergrößerte sich die Familie von Moritz und Clara Scharlinski durch eine Vielzahl an Enkelkindern, die nach und nach geboren wurden. Der Familienzusammenhalt war groß. Sonntags trafen sich alle regelmäßig in der Wohnung der Großeltern Scharlinski in der Hufelandstraße und aßen gemeinsam, redeten, spielten.<br />
Dieser familiären Idylle wurde mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 ein jähes Ende gesetzt. Bereits im April 1933 wurden jüdische Geschäfte und Praxen boykottiert, jüdische Beamte entlassen, wenig später fand der Ausschluss der jüdischen Bevölkerung aus dem kulturellen Leben statt – der Beginn der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung der Jüdinnen und Juden. Auch Familie Scharlinski spürte diese Veränderungen deutlich. War das Zusammenleben von jüdischer und nicht-jüdischer Bevölkerung in der Hufelandstraße bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend friedlich, hingen von nun an immer mehr Hakenkreuzfahnen aus den Fenstern, offene Anfeindungen nahmen zu, ebenso die Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben und der Entzug ihrer Existenzgrundlage.<br />
1938 flüchtete Moritz Scharlinski mit seiner Frau nach England. Dorthin war bereits einer ihrer Söhne um 1934 ausgewandert. Er gehörte zu den rund 120.000 Jüdinnen und Juden aus Deutschland, die bis Ende 1937 emigrierten. Moritz Scharlinski hatte bis kurz vor seiner Flucht eine Auswanderung ausgeschlossen. Dass Juden im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft, das eigene Leben riskiert oder auf den Schlachtfeldern gelassen hatten, wurde von Moritz Scharlinski in Gesprächen mit seinen Kindern und deren Ehepartnern immer wieder als Grund gegen eine Emigration genannt. Unvorstellbar war der Gedanke, dass dieser Teil der deutschen Bevölkerung nun sukzessive aus dem gesellschaftlichen, dem privaten und dem Leben selbst vertrieben werden sollte. <br />
Von den sieben Kindern von Moritz und Clara Scharlinski konnten sich sechs retten. Alfred, Erwin und Frieda gelang wie den Eltern die Flucht nach England, Ella, Margarete und Ruth kamen über Zwischenstationen in die USA. Nur Betty, das drittjüngste Kind, schaffte es nicht, rechtzeitig zu fliehen. Sie wurde am 09. Dezember 1942 mit ihrer 11-jährigen Tochter Renate von Berlin nach Auschwitz deportiert und sehr wahrscheinlich direkt nach ihrer Ankunft ermordet.<br />
Moritz Scharlinski starb 1952 in Willesden, Middlesex, London.<br />

Moritz Scharlinski wurde am 09. März 1869 als Sohn des Kaufmanns Caspar Scharlinski und dessen Ehefrau Rosalie geb. Reibach im ostpreußischen Blumenau geboren. Mit Anfang Zwanzig zog Moritz Scharlinski nach Berlin und arbeitete dort als Tuchhändler. Am 04. Oktober 1892 heiratete er Clara Cohn, Tochter eines Kaufmannes, der ebenfalls im Textilhandel tätig war. Das Paar brachte zehn Kinder zur Welt, von denen fünf Töchter und zwei Söhne das Kleinkindalter überlebten. 1913 zog die Familie in die Hufelandstraße 35 in Prenzlauer Berg. Das Geschäft von Moritz Scharlinski florierte. Seit 1925 weist das Berliner Adressbuch eine Tuchgroßhandlung aus, die er an dieser Adresse betrieb. Die Familie wohnte und arbeitete in der 2. Etage, in einer Wohnung mit sieben bis acht Zimmern. Moritz Scharlinski hatte die schwere und sicher auch entbehrungsreiche Zeit seiner Jugend in Ostpreußen hinter sich gelassen. Die Kinder wuchsen heran, heirateten, zogen aus. In den zwanziger und dreißiger Jahren vergrößerte sich die Familie von Moritz und Clara Scharlinski durch eine Vielzahl an Enkelkindern, die nach und nach geboren wurden. Der Familienzusammenhalt war groß. Sonntags trafen sich alle regelmäßig in der Wohnung der Großeltern Scharlinski in der Hufelandstraße und aßen gemeinsam, redeten, spielten.
Dieser familiären Idylle wurde mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 ein jähes Ende gesetzt. Bereits im April 1933 wurden jüdische Geschäfte und Praxen boykottiert, jüdische Beamte entlassen, wenig später fand der Ausschluss der jüdischen Bevölkerung aus dem kulturellen Leben statt – der Beginn der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung der Jüdinnen und Juden. Auch Familie Scharlinski spürte diese Veränderungen deutlich. War das Zusammenleben von jüdischer und nicht-jüdischer Bevölkerung in der Hufelandstraße bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend friedlich, hingen von nun an immer mehr Hakenkreuzfahnen aus den Fenstern, offene Anfeindungen nahmen zu, ebenso die Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben und der Entzug ihrer Existenzgrundlage.
1938 flüchtete Moritz Scharlinski mit seiner Frau nach England. Dorthin war bereits einer ihrer Söhne um 1934 ausgewandert. Er gehörte zu den rund 120.000 Jüdinnen und Juden aus Deutschland, die bis Ende 1937 emigrierten. Moritz Scharlinski hatte bis kurz vor seiner Flucht eine Auswanderung ausgeschlossen. Dass Juden im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft, das eigene Leben riskiert oder auf den Schlachtfeldern gelassen hatten, wurde von Moritz Scharlinski in Gesprächen mit seinen Kindern und deren Ehepartnern immer wieder als Grund gegen eine Emigration genannt. Unvorstellbar war der Gedanke, dass dieser Teil der deutschen Bevölkerung nun sukzessive aus dem gesellschaftlichen, dem privaten und dem Leben selbst vertrieben werden sollte.
Von den sieben Kindern von Moritz und Clara Scharlinski konnten sich sechs retten. Alfred, Erwin und Frieda gelang wie den Eltern die Flucht nach England, Ella, Margarete und Ruth kamen über Zwischenstationen in die USA. Nur Betty, das drittjüngste Kind, schaffte es nicht, rechtzeitig zu fliehen. Sie wurde am 09. Dezember 1942 mit ihrer 11-jährigen Tochter Renate von Berlin nach Auschwitz deportiert und sehr wahrscheinlich direkt nach ihrer Ankunft ermordet.
Moritz Scharlinski starb 1952 in Willesden, Middlesex, London.