Lesser Weinberg

Location 
Johanniterstr. 3
Historical name
Planufer 26
District
Kreuzberg
Stone was laid
19 November 2008
Born
10 March 1872 in Jakobsdorf
Deportation
on 24 September 1942 to Theresienstadt
Dead
22 February 1943 in Theresienstadt

Lesser Weinberg wurde am 10. März 1872 in der etwa 60 Kilometer nördlich von Bromberg (Bydgoszcz) gelegenen kleinen Ortschaft Jakobsdorf in Westpreußen (dem heutigen Jakubowo Lniano in Polen) geboren. Über seine Eltern haben sich ebenso wenig Informationen erhalten wie über seine Kindheit und Jugend in der dörflichen Gemeinschaft von Jakobsdorf, welche im Jahr 1905 106 Einwohner zählte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelte es sich aber bei der am 16. Mai 1871 in Jakobsdorf geborenen Anna Weinberg um seine Schwester. Ob Lesser Weinberg noch weitere Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Nach seiner Schulausbildung schlug er eine kaufmännische Laufbahn ein.<br />
<br />
Um die Jahrhundertwende heiratete Lesser Weinberg die aus Neuhof (dem heutigen Nowy Dwór) stammende, 1875 geborene Martha Littmann und ließ sich mit ihr in Neumark (Nowe Miasto Lubawskie) nieder, wo auch die Eltern und weitere Verwandte der Braut lebten. Am 9. Mai 1901 und am 3. Oktober 1904 kamen in Neumark ihre Kinder Herbert und Lilli Weinberg zur Welt, die später vermutlich die zweiklassige Elementarschule des Ortes besuchten. Wann die Familie Weinberg Neumark verließ, ist nicht bekannt. Vermutlich aber spätestens als der Ort nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags 1920 an Polen abgetreten wurde. In den 1920er-Jahren lebten Martha und Lesser Weinberg in der brandenburgischen Kleinstadt Zossen. Ihre Wohnung lag an der Adresse Berliner Straße 11. Im selben Haus betrieb das Ehepaar ein Textilwarengeschäft, mit dem sie bis zu ihrem Wegzug 1933 ihren Unterhalt bestritten.<br />
<br />
Lessers Sohn Herbert Weinberg hatte nach seinem Schulabschluss ein Jurastudium begonnen und war seit Anfang der 1930er-Jahre in Berlin als Rechtsanwalt und Assessor tätig. 1933 zog er aus der Hasenheide 63 in eine Wohnung am Planufer 26 (heutige Johanniterstraße 3) in Kreuzberg, die er sich mit seiner Schwester Lilli teilte. Im gleichen Jahr verließen Martha und Lesser Weinberg Zossen und bezogen am 18. Mai 1933 in der Wohnung ihrer Kinder am Planufer 26 ein Zimmer zur Untermiete. In Berlin lebten in den 1930er-Jahren neben Marthas Geschwistern, Abraham und Siegfried Littmann sowie Elvira Kaminskyund deren Kindern, auch Lessers Schwester Anna Weinberg, die den Kaufmann Markus Baruch geheiratet hatte. Markus war 1869 in der damals westpreußischen Stadt Gollub (heute Golub-Dobrzyń) an der Drewenz (Drwęca) geboren worden. Das Ehepaar hatte drei Töchter, von denen nur eine namentlich bekannt ist, die 1913 geborene Herta Baruch, später verheiratete Lazarus.<br />
<br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Lesser Weinberg und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Lesser Weinbergs Sohn Herbert wurde mit dem „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ vom 7. April 1933 die Zulassung entzogen. Er war möglicherweise noch eine Zeitlang als Rechtsberater tätig. Bis Mitte der 1930er-Jahre wurde er in den Berliner Adressbücher mit der Berufsbezeichnung Assessor geführt. Mit dem „Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung“ (dem späteren RBerG) von 1935 war auch dieses Betätigungsfeld für die aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen jüdischen Rechtsanwälte versperrt.<br />
<br />
Lilli, die im Dezember 1935 den gebürtigen Berliner Berthold Ascher geheiratet hatte, trug als Heimarbeiterin mit zum Einkommen der Familie bei. Sie hatte vermutlich bereits im Zossener Textilgeschäft ihrer Eltern ausgeholfen und übernahm in Berlin Aufträge in Heimarbeit. Ihr Ehemann, der als kaufmännischer Angestellter tätig war, zog nach der Hochzeit ebenfalls in die Familienwohnung am Planufer 26. Seit Ende der 1930er- oder Anfang der 1940er-Jahre mussten beide Zwangsarbeit leisten – zuletzt in der Berliner „Iris Type GmbH“. Herbert Weinberg arbeitete noch 1939/40 als Angestellter und zuletzt 1941 als Auswanderungsberater. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich Lesser Weinberg und seine Verwandten nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.<br />
<br />
Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Spätsommer 1942 erhielten Martha und Lesser Weinberg den Deportationsbescheid. Sie wurden am 24. September 1942 mit dem „66. Alterstransport“ aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Der 70-jährige Lesser Weinberg überlebte die katastrophalen Zustände im Ghetto nur wenige Wochen. Der in Theresienstadt ausgefüllte Totenschein gibt den 22. Februar 1943 als Todestag an. Kaum verlässlich ist die notierte Todesursache „Hirnschlag“, da die NS-Ärzte die tatsächlichen Todesursachen mit kaschierenden Sammelbegriffen verschleierten. Martha Weinberg überdauerte fast zwei Jahre die Zustände im Ghetto, bevor die 69-Jährige am 16. August 1944 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.<br />
<br />
Nur wenige der Verwandten von Lesser Weinberg überlebten die NS-Verfolgung: Lessers Tochter Lilli wurde Ende Februar 1943 mit ihrem Ehemann Berthold Ascher im Rahmen der sogenannten Fabrik-Aktion, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, verhaftet und in das Sammellager im Tattersall der Rathenower Kaserne in der Feldzeugmeisterstraße in Moabit verschleppt. Von dort wurden sie am 2. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Berthold Ascher wurde nicht unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz ermordet, sondern mit der Häftlingsnummer 105179 ins Stammlager selektiert. Sein Name findet sich auf einer Liste zum „Häftlingskrankenbau“, wo er am 5. April 1943 erfasst wurde. Ob auch Lilli Ascher in das Stammlager selektiert wurde, ist nicht bekannt. Weder sie noch ihr Ehemann gehörten zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz. Genauso wenig wie Herbert Weinberg, der am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Aus dem Familienzweig von Lessers Ehefrau Martha wurde deren Bruder Siegfried Littmann mit seiner Ehefrau im November 1941 in das Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet, ihre Schwester Elvira überlebte mit ihrem Ehemann im Exil in Brasilien. Das Schicksal ihres Bruder Abraham ist ungeklärt, aber dessen Frau und Kinder überlebten im Exil. Ebenfalls ungeklärt ist das Schicksal von Marthas Brüdern Adolf, Louis und Walter Littmann. Lesser Weinbergs Schwester Anna wurde mit ihrem Ehemann Markus Baruch am 13. Juli 1942 mit dem „20. Alterstransport“ aus Berlin nach Theresienstadt deportiert. Sie hatten zuletzt in der Straßburger Straße 34 im Prenzlauer Berg gewohnt. Am 19. September 1942 wurde die beiden aus Theresienstadt weiter in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet. Ihre Tochter Herta Lazarus, geborene Baruch, wurde am 1. März 1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Lesser Weinberg wurde am 10. März 1872 in der etwa 60 Kilometer nördlich von Bromberg (Bydgoszcz) gelegenen kleinen Ortschaft Jakobsdorf in Westpreußen (dem heutigen Jakubowo Lniano in Polen) geboren. Über seine Eltern haben sich ebenso wenig Informationen erhalten wie über seine Kindheit und Jugend in der dörflichen Gemeinschaft von Jakobsdorf, welche im Jahr 1905 106 Einwohner zählte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelte es sich aber bei der am 16. Mai 1871 in Jakobsdorf geborenen Anna Weinberg um seine Schwester. Ob Lesser Weinberg noch weitere Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Nach seiner Schulausbildung schlug er eine kaufmännische Laufbahn ein.

Um die Jahrhundertwende heiratete Lesser Weinberg die aus Neuhof (dem heutigen Nowy Dwór) stammende, 1875 geborene Martha Littmann und ließ sich mit ihr in Neumark (Nowe Miasto Lubawskie) nieder, wo auch die Eltern und weitere Verwandte der Braut lebten. Am 9. Mai 1901 und am 3. Oktober 1904 kamen in Neumark ihre Kinder Herbert und Lilli Weinberg zur Welt, die später vermutlich die zweiklassige Elementarschule des Ortes besuchten. Wann die Familie Weinberg Neumark verließ, ist nicht bekannt. Vermutlich aber spätestens als der Ort nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags 1920 an Polen abgetreten wurde. In den 1920er-Jahren lebten Martha und Lesser Weinberg in der brandenburgischen Kleinstadt Zossen. Ihre Wohnung lag an der Adresse Berliner Straße 11. Im selben Haus betrieb das Ehepaar ein Textilwarengeschäft, mit dem sie bis zu ihrem Wegzug 1933 ihren Unterhalt bestritten.

Lessers Sohn Herbert Weinberg hatte nach seinem Schulabschluss ein Jurastudium begonnen und war seit Anfang der 1930er-Jahre in Berlin als Rechtsanwalt und Assessor tätig. 1933 zog er aus der Hasenheide 63 in eine Wohnung am Planufer 26 (heutige Johanniterstraße 3) in Kreuzberg, die er sich mit seiner Schwester Lilli teilte. Im gleichen Jahr verließen Martha und Lesser Weinberg Zossen und bezogen am 18. Mai 1933 in der Wohnung ihrer Kinder am Planufer 26 ein Zimmer zur Untermiete. In Berlin lebten in den 1930er-Jahren neben Marthas Geschwistern, Abraham und Siegfried Littmann sowie Elvira Kaminskyund deren Kindern, auch Lessers Schwester Anna Weinberg, die den Kaufmann Markus Baruch geheiratet hatte. Markus war 1869 in der damals westpreußischen Stadt Gollub (heute Golub-Dobrzyń) an der Drewenz (Drwęca) geboren worden. Das Ehepaar hatte drei Töchter, von denen nur eine namentlich bekannt ist, die 1913 geborene Herta Baruch, später verheiratete Lazarus.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Lesser Weinberg und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Lesser Weinbergs Sohn Herbert wurde mit dem „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ vom 7. April 1933 die Zulassung entzogen. Er war möglicherweise noch eine Zeitlang als Rechtsberater tätig. Bis Mitte der 1930er-Jahre wurde er in den Berliner Adressbücher mit der Berufsbezeichnung Assessor geführt. Mit dem „Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung“ (dem späteren RBerG) von 1935 war auch dieses Betätigungsfeld für die aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen jüdischen Rechtsanwälte versperrt.

Lilli, die im Dezember 1935 den gebürtigen Berliner Berthold Ascher geheiratet hatte, trug als Heimarbeiterin mit zum Einkommen der Familie bei. Sie hatte vermutlich bereits im Zossener Textilgeschäft ihrer Eltern ausgeholfen und übernahm in Berlin Aufträge in Heimarbeit. Ihr Ehemann, der als kaufmännischer Angestellter tätig war, zog nach der Hochzeit ebenfalls in die Familienwohnung am Planufer 26. Seit Ende der 1930er- oder Anfang der 1940er-Jahre mussten beide Zwangsarbeit leisten – zuletzt in der Berliner „Iris Type GmbH“. Herbert Weinberg arbeitete noch 1939/40 als Angestellter und zuletzt 1941 als Auswanderungsberater. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich Lesser Weinberg und seine Verwandten nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Spätsommer 1942 erhielten Martha und Lesser Weinberg den Deportationsbescheid. Sie wurden am 24. September 1942 mit dem „66. Alterstransport“ aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Der 70-jährige Lesser Weinberg überlebte die katastrophalen Zustände im Ghetto nur wenige Wochen. Der in Theresienstadt ausgefüllte Totenschein gibt den 22. Februar 1943 als Todestag an. Kaum verlässlich ist die notierte Todesursache „Hirnschlag“, da die NS-Ärzte die tatsächlichen Todesursachen mit kaschierenden Sammelbegriffen verschleierten. Martha Weinberg überdauerte fast zwei Jahre die Zustände im Ghetto, bevor die 69-Jährige am 16. August 1944 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.

Nur wenige der Verwandten von Lesser Weinberg überlebten die NS-Verfolgung: Lessers Tochter Lilli wurde Ende Februar 1943 mit ihrem Ehemann Berthold Ascher im Rahmen der sogenannten Fabrik-Aktion, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, verhaftet und in das Sammellager im Tattersall der Rathenower Kaserne in der Feldzeugmeisterstraße in Moabit verschleppt. Von dort wurden sie am 2. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Berthold Ascher wurde nicht unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz ermordet, sondern mit der Häftlingsnummer 105179 ins Stammlager selektiert. Sein Name findet sich auf einer Liste zum „Häftlingskrankenbau“, wo er am 5. April 1943 erfasst wurde. Ob auch Lilli Ascher in das Stammlager selektiert wurde, ist nicht bekannt. Weder sie noch ihr Ehemann gehörten zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz. Genauso wenig wie Herbert Weinberg, der am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Aus dem Familienzweig von Lessers Ehefrau Martha wurde deren Bruder Siegfried Littmann mit seiner Ehefrau im November 1941 in das Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet, ihre Schwester Elvira überlebte mit ihrem Ehemann im Exil in Brasilien. Das Schicksal ihres Bruder Abraham ist ungeklärt, aber dessen Frau und Kinder überlebten im Exil. Ebenfalls ungeklärt ist das Schicksal von Marthas Brüdern Adolf, Louis und Walter Littmann. Lesser Weinbergs Schwester Anna wurde mit ihrem Ehemann Markus Baruch am 13. Juli 1942 mit dem „20. Alterstransport“ aus Berlin nach Theresienstadt deportiert. Sie hatten zuletzt in der Straßburger Straße 34 im Prenzlauer Berg gewohnt. Am 19. September 1942 wurde die beiden aus Theresienstadt weiter in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet. Ihre Tochter Herta Lazarus, geborene Baruch, wurde am 1. März 1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.