Marianne Lewy

Location 
Kurfürstendamm 92
District
Halensee
Stone was laid
14 April 2015
Born
30 April 1925 in Berlin
Deportation
on 19 April 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Marianne Lewy war noch nicht einmal zwanzig Jahre alt, als man sie ermordete. Über die Hälfte ihres Lebens war sie den Demütigungen der Nazi-Diktatur ausgesetzt. Als Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler berufen wurde, hatte die Tochter eines Bankiers ihr erstes Schuljahr absolviert. Drei Monate später erließ die Regierung das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“. Der Anteil jüdischer Schüler durfte nur noch fünf Prozent betragen. Es war der Beginn zahlreicher Repressionen - auch für Kinder.

Als jüngstes von drei Geschwistern wird Marianne Lewy am 30. April 1925 geboren. Fünf Jahre zuvor hatte ihr Vater David Lewy das „Bankgeschäft D. und M. Lewy (Banken und Versicherungen)“ gegründet. Sein Partner, der Bankier Dr. Max Lewy, ist ein naher Verwandter. Firmen- und Wohnsitz der Familie ist der Kurfürstendamm 91/92 neben dem Lehniner Platz. Eigentümer war die Havag Hausverwaltung AG. Das Aktienkapital betrug 50.000 Reichsmark. Die Hälfte davon gehörte David Lewy. Auch die restlichen Anteile waren größtenteils im Familienbesitz. Die Geschäfte florieren. Denn damals dominierten kleine Privatbanken das Wirtschaftsleben. In Berlin gab es Hunderte davon.

In der Acht-Zimmer-Wohnung der Familie Lewy gab es für Tochter Marianne viel Abwechslung. Den Salon mit dem Blüthner-Flügel, das Herrenzimmer mit der großen Bibliothek, mehrere Schlafzimmer mit Perserteppichen, Möbel aus wertvollen Hölzern, die Halle mit Clubsesseln, das Esszimmer mit echtem KPM-Service und wertvollen Bildern, Zierrat aus Gold und Silber – und natürlich Zimmer für die elf Jahre ältere Schwester Erika Hildegard und den sechs Jahre älteren Bruder Arthur Günther.

Die Heimat des Kaufmanns David Lewy war die preußische Provinz Posen. Das Städtchen Schildberg (poln. Ostrzeszow) nordwestlich von Breslau zog im 19. Jahrhundert viele Juden aus dem ländlichen Umland an. Es gab eine Synagoge, eine jüdische Schule und einen jüdischen Friedhof. David Lewy wurde dort am 2. Mai 1879 oder 1880 geboren. Die Familie Lewy muss eine gut situierte und auch emanzipierte Familie gewesen sein. Denn Davids drei Jahre ältere Schwester Johanna studierte ab 1903 Medizin, erst in Breslau, dann in München. Der Arztberuf war für Frauen damals noch unüblich. Nach ihrer Approbation 1909 arbeitet Dr. Johanna Lewy-Hirsch in Berlin, ist Mitglied des „Vereins sozialistischer Ärzte“, wird 1927 für die Wahl zur Ärztekammer in Berlin vorgeschlagen und hat später ihre gynäkologische Praxis im Hause ihres Bruders David am Kurfürstendamm.

Auch in Berlin-Kreuzberg hat Marianne Lewy mehrere Tanten und Onkel - die Geschwister ihrer Mutter. Auch die Großeltern leben hier. Die Heimat dieser Familie war die Kleinstadt Samter (poln. Szamotuly), die bis 1918 zur preußischen Provinz Posen gehörte. Hier wurde Mariannes Mutter Emma Lewy am 23. April 1892 als Tochter von Theodor Tefel Mottek und seiner Frau Helene geboren. Sie hatte vier ältere Brüder und eine jüngere Schwester. Juden gab es seit dem 15. Jahrhundert in Samter. Es war eine starke Gemeinde mit vielen Mitgliedern. Die Motteks waren zumeist Viehhändler, aber auch Destillateure oder sie handelten mit Kolonialwaren. Wegen der deutsch-polnischen Konflikte wanderten viele Juden der Region aus. Einige Angehörige der Familie Mottek zogen gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Berlin.

Das Jahr 1933 war nicht nur wegen der Machtergreifung der Nazis ein Schicksalsjahr für Marianne Lewy und ihre Familie. Mit nur 53 Jahren stirbt ihr Vater am 13. Juni 1933 an einem Nervenleiden. Er war zuletzt in der privaten Heil- und Pflegeanstalt Berolinum für „Gemüts- und Nervenkranke“ in Berlin-Lankwitz untergebracht. Die geschlossene Anstalt mit offener Abteilung hatte der jüdische Arzt James Fraenkel 1890 gegründet. Mariannes Mutter sorgt von nun an für sich und ihre 18, 14 und 8 alten Kinder allein. Das Bankgeschäft D. und M. Lewy wird zeitnah nach dem Tod von David Lewy liquidiert. Aber noch ist Emma Lewy vermögend. Die Beschränkungen für Juden setzen erst nach und nach ein.

Mariannes ältere Geschwister verlassen Nazi-Deutschland noch rechtzeitig. Erika emigriert nach Argentinien in die Provinz Cordoba und heiratet dort. Arthur Günther wandert in die USA aus, ändert seinen Namen in Arthur John Gunther, wird Seeoffizier, lebt erst in Los Angeles und später in New York. Mariannes Tante, Dr. Johanna Lewy-Hirsch emigriert 1939 zusammen mit ihrem Ehemann nach London. Marianne bleibt in Berlin bei ihrer Mutter. Der Kurfürstendamm ist auch zu jener Zeit noch ein Boulevard mit Restaurants, Geschäften, Kinos und Theatern. Gleich gegenüber dem Haus der Familie Lewy befindet sich das vom jüdischen Architekten Mendelsohn 1927/28 erbaute futuristische Bau mit dem „Universum-Kino“ und dem „Kabarett der Komiker“ darin. Doch Marianne und ihrer Familie ist der Besuch dort nicht gestattet. Juden war der Besuch von Kulturveranstaltungen ab 1938 verboten.

Im Februar 1940 wird das Gebäude Kurfürstendamm 91/92 „zwangsverkauft“. Das Mobiliar der Acht-Zimmer-Wohnung und alle Wertgegenstände muss Emma Lewy abliefern. Das Aktienkapital der Havag Hausverwaltung AG in Höhe von 50.000 Reichsmark wird in der Folge „eingezogen“. Erst der hälftige Anteil der Witwe, später die Anteile der anderen Familienmitglieder. Das Amtsgericht überträgt das Geld zwecks „Abwicklung“ einem „Vermögenspfleger“. Deutsche Bank und Dresdener Bank u.a. werden später ebenfalls die „Einziehung des Vermögens zugunsten des Reiches“ an die Finanzbehörden melden. In den Berliner Adressbüchern ist Mariannes Mutter noch bis 1943 als Wohnungseigentümerin eingetragen. Für einige Zeit wohnt Mariannes Mutter als Untermieterin in der Salzburger Straße 16 in Schöneberg. Vermutlich zusammen mit ihrer Tochter. Anfang 1943 ziehen beide in das „Judenhaus“ in der Schwäbischen Straße 3.

Die 18-jährige Marianne lebt hier ohne Chancen auf eine Zukunft. Ein halbes Jahr zuvor, am 8. August 1942, war ihre Tante Margot Toni Mottek erst in das KZ Ravensbrück bei Berlin und dann nach Auschwitz deportiert worden. Ihr Onkel Israel Isidor Mottek wurde am 6. November 1942 nach Theresienstadt verfrachtet und dort ums Leben gebracht. Am 1. März 1943 wird Ihre Mutter Emma Lewy nach Auschwitz deportiert. Marianne bleibt noch sechs Wochen im „Judenhaus“ wohnen. Am 19. April 1943 wird auch sie abgeholt und in einen Güterzug nach Auschwitz-Birkenau gesteckt.
Es ist der „37. Ost-Transport“.

Die 18-jährige Marianne überlebt das KZ nicht.

Die Nazi-Behörden streiten sich noch im März 1945 – die Sowjetarmee steht 80 Kilometer vor Berlin - um die Immobilie ihrer Eltern. Es geht um eine „Wertzuwachsteuerangelegenheit“. Wenige Wochen später zerstört der Krieg das prächtige Gebäude Kurfürstendamm 91/92. Heute steht dort ein schmuckloser Neubau.
 

Marianne Lewy war noch nicht einmal zwanzig Jahre alt, als man sie ermordete. Über die Hälfte ihres Lebens war sie den Demütigungen der Nazi-Diktatur ausgesetzt. Als Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler berufen wurde, hatte die Tochter eines Bankiers ihr erstes Schuljahr absolviert. Drei Monate später erließ die Regierung das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“. Der Anteil jüdischer Schüler durfte nur noch fünf Prozent betragen. Es war der Beginn zahlreicher Repressionen - auch für Kinder.

Als jüngstes von drei Geschwistern wird Marianne Lewy am 30. April 1925 geboren. Fünf Jahre zuvor hatte ihr Vater David Lewy das „Bankgeschäft D. und M. Lewy (Banken und Versicherungen)“ gegründet. Sein Partner, der Bankier Dr. Max Lewy, ist ein naher Verwandter. Firmen- und Wohnsitz der Familie ist der Kurfürstendamm 91/92 neben dem Lehniner Platz. Eigentümer war die Havag Hausverwaltung AG. Das Aktienkapital betrug 50.000 Reichsmark. Die Hälfte davon gehörte David Lewy. Auch die restlichen Anteile waren größtenteils im Familienbesitz. Die Geschäfte florieren. Denn damals dominierten kleine Privatbanken das Wirtschaftsleben. In Berlin gab es Hunderte davon.

In der Acht-Zimmer-Wohnung der Familie Lewy gab es für Tochter Marianne viel Abwechslung. Den Salon mit dem Blüthner-Flügel, das Herrenzimmer mit der großen Bibliothek, mehrere Schlafzimmer mit Perserteppichen, Möbel aus wertvollen Hölzern, die Halle mit Clubsesseln, das Esszimmer mit echtem KPM-Service und wertvollen Bildern, Zierrat aus Gold und Silber – und natürlich Zimmer für die elf Jahre ältere Schwester Erika Hildegard und den sechs Jahre älteren Bruder Arthur Günther.

Die Heimat des Kaufmanns David Lewy war die preußische Provinz Posen. Das Städtchen Schildberg (poln. Ostrzeszow) nordwestlich von Breslau zog im 19. Jahrhundert viele Juden aus dem ländlichen Umland an. Es gab eine Synagoge, eine jüdische Schule und einen jüdischen Friedhof. David Lewy wurde dort am 2. Mai 1879 oder 1880 geboren. Die Familie Lewy muss eine gut situierte und auch emanzipierte Familie gewesen sein. Denn Davids drei Jahre ältere Schwester Johanna studierte ab 1903 Medizin, erst in Breslau, dann in München. Der Arztberuf war für Frauen damals noch unüblich. Nach ihrer Approbation 1909 arbeitet Dr. Johanna Lewy-Hirsch in Berlin, ist Mitglied des „Vereins sozialistischer Ärzte“, wird 1927 für die Wahl zur Ärztekammer in Berlin vorgeschlagen und hat später ihre gynäkologische Praxis im Hause ihres Bruders David am Kurfürstendamm.

Auch in Berlin-Kreuzberg hat Marianne Lewy mehrere Tanten und Onkel - die Geschwister ihrer Mutter. Auch die Großeltern leben hier. Die Heimat dieser Familie war die Kleinstadt Samter (poln. Szamotuly), die bis 1918 zur preußischen Provinz Posen gehörte. Hier wurde Mariannes Mutter Emma Lewy am 23. April 1892 als Tochter von Theodor Tefel Mottek und seiner Frau Helene geboren. Sie hatte vier ältere Brüder und eine jüngere Schwester. Juden gab es seit dem 15. Jahrhundert in Samter. Es war eine starke Gemeinde mit vielen Mitgliedern. Die Motteks waren zumeist Viehhändler, aber auch Destillateure oder sie handelten mit Kolonialwaren. Wegen der deutsch-polnischen Konflikte wanderten viele Juden der Region aus. Einige Angehörige der Familie Mottek zogen gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Berlin.

Das Jahr 1933 war nicht nur wegen der Machtergreifung der Nazis ein Schicksalsjahr für Marianne Lewy und ihre Familie. Mit nur 53 Jahren stirbt ihr Vater am 13. Juni 1933 an einem Nervenleiden. Er war zuletzt in der privaten Heil- und Pflegeanstalt Berolinum für „Gemüts- und Nervenkranke“ in Berlin-Lankwitz untergebracht. Die geschlossene Anstalt mit offener Abteilung hatte der jüdische Arzt James Fraenkel 1890 gegründet. Mariannes Mutter sorgt von nun an für sich und ihre 18, 14 und 8 alten Kinder allein. Das Bankgeschäft D. und M. Lewy wird zeitnah nach dem Tod von David Lewy liquidiert. Aber noch ist Emma Lewy vermögend. Die Beschränkungen für Juden setzen erst nach und nach ein.

Mariannes ältere Geschwister verlassen Nazi-Deutschland noch rechtzeitig. Erika emigriert nach Argentinien in die Provinz Cordoba und heiratet dort. Arthur Günther wandert in die USA aus, ändert seinen Namen in Arthur John Gunther, wird Seeoffizier, lebt erst in Los Angeles und später in New York. Mariannes Tante, Dr. Johanna Lewy-Hirsch emigriert 1939 zusammen mit ihrem Ehemann nach London. Marianne bleibt in Berlin bei ihrer Mutter. Der Kurfürstendamm ist auch zu jener Zeit noch ein Boulevard mit Restaurants, Geschäften, Kinos und Theatern. Gleich gegenüber dem Haus der Familie Lewy befindet sich das vom jüdischen Architekten Mendelsohn 1927/28 erbaute futuristische Bau mit dem „Universum-Kino“ und dem „Kabarett der Komiker“ darin. Doch Marianne und ihrer Familie ist der Besuch dort nicht gestattet. Juden war der Besuch von Kulturveranstaltungen ab 1938 verboten.

Im Februar 1940 wird das Gebäude Kurfürstendamm 91/92 „zwangsverkauft“. Das Mobiliar der Acht-Zimmer-Wohnung und alle Wertgegenstände muss Emma Lewy abliefern. Das Aktienkapital der Havag Hausverwaltung AG in Höhe von 50.000 Reichsmark wird in der Folge „eingezogen“. Erst der hälftige Anteil der Witwe, später die Anteile der anderen Familienmitglieder. Das Amtsgericht überträgt das Geld zwecks „Abwicklung“ einem „Vermögenspfleger“. Deutsche Bank und Dresdener Bank u.a. werden später ebenfalls die „Einziehung des Vermögens zugunsten des Reiches“ an die Finanzbehörden melden. In den Berliner Adressbüchern ist Mariannes Mutter noch bis 1943 als Wohnungseigentümerin eingetragen. Für einige Zeit wohnt Mariannes Mutter als Untermieterin in der Salzburger Straße 16 in Schöneberg. Vermutlich zusammen mit ihrer Tochter. Anfang 1943 ziehen beide in das „Judenhaus“ in der Schwäbischen Straße 3.

Die 18-jährige Marianne lebt hier ohne Chancen auf eine Zukunft. Ein halbes Jahr zuvor, am 8. August 1942, war ihre Tante Margot Toni Mottek erst in das KZ Ravensbrück bei Berlin und dann nach Auschwitz deportiert worden. Ihr Onkel Israel Isidor Mottek wurde am 6. November 1942 nach Theresienstadt verfrachtet und dort ums Leben gebracht. Am 1. März 1943 wird Ihre Mutter Emma Lewy nach Auschwitz deportiert. Marianne bleibt noch sechs Wochen im „Judenhaus“ wohnen. Am 19. April 1943 wird auch sie abgeholt und in einen Güterzug nach Auschwitz-Birkenau gesteckt.
Es ist der „37. Ost-Transport“.

Die 18-jährige Marianne überlebt das KZ nicht.

Die Nazi-Behörden streiten sich noch im März 1945 – die Sowjetarmee steht 80 Kilometer vor Berlin - um die Immobilie ihrer Eltern. Es geht um eine „Wertzuwachsteuerangelegenheit“. Wenige Wochen später zerstört der Krieg das prächtige Gebäude Kurfürstendamm 91/92. Heute steht dort ein schmuckloser Neubau.