Amalie Sorauer, geboren am 5. September 1873 in Orzesze (Oppeln, Kreis Pleß), Schlesien wuchs im Kreise zahlreicher Geschwister und Halbgeschwister auf. Ihr Vater Julius Joel Sorauer, Verwalter einer Glashütte, heiratete in erster Ehe Bertha Löwenstamm (1824 – 1867), mit der er 7 Kinder hatte. Zwei von ihnen starben noch in ihrem ersten Lebensjahr.
Bis 1854 wurde der Nachname Sohrauer noch mit einem h geschrieben, abgeleitet vom Namen der oberschlesischen Stadt Sohrau, aus der die Familie vermutlich ursprünglich stammte.
Bertha Sorauer starb 1867 und hinterließ ihrem Mann die Sorge für seine 5 Kinder. Bertha hatte eine jüngere Schwester, Friederike (1835 – 1885), die nun an deren Stelle Haushalt und Versorgung der Kinder übernahm. Julius und Friederike heirateten am 28. Januar 1868 – Friederike war damals schon schwanger - und im Laufe der Jahre kamen 4 Kinder zur Welt: Hermann am 28. April 1868, Moritz am 30. Mai 1870, Salo am 19. Januar 1872, und als jüngste der Geschwister Amalie am 5. September 1873. Ihre Mutter Friederike starb 1885, als Amalie gerade 12 Jahre alt war und ihr Vater Julius starb 1900.
Wie ihre Halbschwestern Cäcilie Oberländer (1863 - 1943), Dorothea Cassirer (1855 – 1943) und Rosalie Tichauer (1861 - 1900) ging auch Amalie nach Berlin. Im Gegensatz zu ihnen blieb sie ledig und kinderlos.
Über Amalie Sorauers Leben in Berlin ist nichts bekannt, weder Angaben über eine Berufstätigkeit noch ihre Adressen sind in einem zugänglichen Dokument hinterlegt.
Irgendwann ist sie zu ihrer Halbschwester Dorothea und deren Ehemann Ludwig Cassirer in die Nassauische Straße 61 gezogen. Das Ehepaar Cassirer lebte nachweislich seit 1935 in diesem Haus, vorher in der Helmstedter Straße 30. Ob Amalie vorher schon bei ihnen gelebt hat, ist nicht bekannt. Sie wird für die 18 Jahre ältere Dorothea und den 22 Jahre älteren Ludwig eine Stütze bei der Bewältigung ihres täglichen Lebens gewesen sein, denn die Lebensumstände für die jüdische Bevölkerung waren Ende der 1930er-Jahre katastrophal.
Dorothea und Ludwig Cassirer mussten ihre Wohnung noch vor der geplanten Deportation verlassen. Ludwig starb im Oktober 1942 in dem sogenannten „Siechenheim“ der Israelischen Synagogengemeinde Adass Jisroel, Elsässer Straße 85, Dorothea am 1. März 1943 im Jüdischen Altersheim, Gerlachstraße 20/21 in Friedrichshain. Dieses Altenheim diente wie viele andere als Sammelstelle für die alten Menschen, deren Deportation unmittelbar bevorstand.
Amalie wurde aus der Wohnung Nassauische Straße 61 abgeholt und am 30. Oktober 1942 mit dem Transport I/74 in das böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie erlag den unmenschlichen Bedingungen des Ghettos am 20. Januar 1943. Zynischerweise wurde in der vom Ghettoarzt ausgestellten „Todesfallanzeige“ als Todesursache „Altersschwäche“ verzeichnet.
Für Amalie Sorauers Halbschwester Cecilie Oberländer und ihre Familie wurden 2011 vor dem Haus Else – Lasker – Schüler – Straße 5 Stolpersteine verlegt.