Pauline Mendelsohn née Haase

Location 
Neue Grünstraße 28
District
Mitte
Stone was laid
20 September 2013
Born
01 July 1862 in Budsin/ Budzyn
Deportation
on 07 August 1942 to Theresienstadt
Later deported
on 26 September 1942 to Treblinka
Murdered
in Treblinka

Pauline Haase wurde am 1. Juli 1862 in der damals preußischen Ortschaft Budsin in Posen (dem heutigen Budzyń in Polen), die rund 100 Kilometer westlich von Inowrazlaw liegt, geboren. Sie war die Tochter von Abraham und Dora Haase. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Pauline Haase haben sich leider keine weiteren Quellen erhalten. Es ist auch nicht bekannt, ob sie das einzige Kind ihrer Eltern blieb, oder ob sie noch Geschwister hatte. Ihre Eltern gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach zur kleinen jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Pauline etwa 150 der rund 1800 Einwohner zählten. Am 6. Mai 1891 heiratete die damals 28-Jährige den aus Inowrazlaw stammenden Fleischermeister Louis Mendelsohn. Louis war der Sohn von Joseph und Anna Mendelsohn und wie sein Vater Inhaber einer Fleischerei in der Innenstadt. Das Ehepaar nahm sich eine gemeinsame Wohnung in Inowrazlaw. 1893 kam ihr erstes Kind zur Welt, ihr Sohn Leopold. In den 1890er-Jahren folgten drei weitere Kinder: 1895 und 1896 ihre Töchter Dorothea und Alma und im Jahr 1899 ihr jüngster Sohn Adolf.

Die Familie dürfte in Inowrazlaw (von 1903 bis 1920 und von 1939 bis 1945 hieß die Stadt Hohensalza) zur gutbürgerlichen Mittelschicht gezählt haben. Wenigstens bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (1914–1918) bestritt Louis Mendelsohn das Familieneinkommen mit seiner Fleischerei. Die Kinder besuchten die Volksschule. Leopold und Adolf Mendelsohn absolvierten anschließend kaufmännische Ausbildungen im Textilwesen. Dorothea Mendelsohn erhielt eine Ausbildung zur Buchhalterin und Alma Mendelsohn trat als Lehrling in ein Modewarengeschäft ein. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Hohensalza gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages polnisch. Die Mendelsohns entschlossen sich die Stadt zu verlassen und siedelten sich Anfang der 1920er-Jahre in Bad Polzin (Połczyn-Zdrój) an. Die pommersche Kleinstadt liegt etwa 130 Kilometer nordöstlich von Stettin (Szczecin) und war bis ins 20. Jahrhundert ein bedeutender Badekurort mit viel Fremdenverkehr. Es ist anzunehmen, dass Paulines Ehemann auch in Bad Polzin noch eine Zeitlang eine Fleischerei führte. In den Adressbüchern, die für die Stadt erst wieder für 1933 vorliegen, wird er allerdings bereits als Rentner an der Wohnadresse Brunnenstraße 31 (ul. 5 Marca) geführt. Paulines Tochter Alma wohnte unweit entfernt davon in der Brunnenstraße 21.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Pauline Mendelsohn und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Die Söhne von Pauline lebten mit ihren Familien in Berlin. Leopold hatte dort 1921 Rita Wolfsfeld (*1899) geheiratet, 1925 eine Tochter namens Marion bekommen, und war bis Ende der 1930er-Jahre der Inhaber einer Herrenkleiderfabrik in der Spandauer Straße 11 in Mitte. Adolf hatte Erna Schwersenz (*1905) geheiratet, 1930 einen Sohn namens Manfred Claus bekommen, und arbeitete als Textilunternehmer in der Hauptstadt. Auch Dorothea hatte 1920 in Berlin geheiratet und lebte mit ihrem Ehemann Stefan (Sally) Finkelstein und ihren zwei Kindern in Berlin, bevor das Ehepaar mit den Kindern Ende der 1930er-Jahre aus Deutschland nach Südamerika entkommen konnten. Sie lebten später in Kolumbien. Der minderjährigen Tochter von Leopold, Marion, gelang es noch 1939 in das britische Mandatsgebiet Palästina zu entkommen.

Ob auch Pauline und Louis Mendelsohn den Versuch unternahmen, Deutschland zu verlassen, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Sollten sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. 1936/1937 verließen sie gemeinsam mit ihrer Tochter Alma die Kleinstadt Bad Polzin und zogen nach Berlin –– vermutlich, weil sie hofften, in der Anonymität der Großstadt einen besseren Schutz finden zu können und näher bei ihren Kindern und Enkelkindern zu sein. Sie kamen in einer Wohnung in der Seydelstraße 25a in Berlin-Mitte nahe des Spittelmarktes unter.

Unterdessen drängten immer mehr Gesetze und Sondererlasse die Familienmitglieder in die Position von Rechtlosen im eigenen Land. Leopold Mendelsohn wurde 1939 – nach den Pogromen im Juni und November 1938 – im Rahmen der Zwangsveräußerung jüdischer Gewerbebetriebe („Arisierung“) gezwungen, die „Leopold Mendelsohn & Co. GmbH“ Herrenkleiderfabrik zu liquidieren. Er konnte daraufhin, genauso wie sein Bruder Adolf, nicht mehr unternehmerisch oder anderweitig berufstätig sein. Adolf Mendelsohn war im März 1938 von der Gestapo aufgegriffen worden, als er noch versucht hatte, auf einem Potsdamer Markt Gewerbehandel zu treiben. 1939 zogen Pauline, Louis und Alma Mendelsohn in eine Wohnung in der Dresdener Straße 79 in Kreuzberg. Die Wohnung wurde von Alma gemietet; Pauline und Louis bewohnten ein Zimmer zur Untermiete bei ihrer Tochter.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Jüdinnen und Juden beginnen würde. Die Eltern von Alma Mendelsohn erhielten den Deportationsbescheid im Spätsommer 1942. Sie mussten ihr Zimmer in der Dresdener Straße räumen und wurden im August 1942 im Sammellager an der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Von dort aus wurden die beiden Ehepartner am 7. August 1942 mit dem „39. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert und wenige Wochen später, am 26. September 1942, weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie beide ermordet wurden. Pauline Mendelsohn war zu diesem Zeitpunkt 80 Jahre alt, ihr Ehemann 82 Jahre alt.

Nur wenige ihrer Verwandten überlebten die NS-Verfolgung: Paulines Tochter Alma wurde im Februar 1943 aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Leopold und Rita Mendelsohn waren im Dezember 1942 nach Theresienstadt und im Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert worden, wo sie ermordet wurden. Ihre Tochter Marion überlebte im Exil in Palästina. Dorothea Mendelsohn, verheiratete Finkelstein, ihr Ehemann Stefan (Sally) Finkelstein und ihre Kinder überlebten im Exil in Südamerika. Adolf Mendelsohn, seine Ehefrau Erna und sein Sohn Manfred Claus waren im November 1941 aus Berlin in das Ghetto Minsk deportiert worden. Keiner der drei Familienmitglieder gehörte zu den wenigen Überlebenden des Minsker Ghettos.