Eva Mamlok

Location 
Neuenburger Str. 1
Historical name
Neuenburger Str. 3
District
Kreuzberg
Stone was laid
10 October 2011
Born
06 May 1918 in Berlin
Deportation
on 13 January 1942 to Riga
Later deported
on 01 October 1944 to Stutthof / Sztutowo
Murdered
23 December 1944 in Stutthof
Biography

Eva Mamlok wurde am 6. Mai 1918 in Berlin als Kind jüdischer Eltern geboren. Die Familie bestand in den 1930er-Jahren aus Martha Mamlok und ihren zwei Töchtern Eva und Hilde. Die drei lebten gemeinsam in der Neuenburgerstr. 3 in Berlin-Kreuzberg, wo Martha Mamlok von 1932 bis zur Liquidation des Geschäfts 1940 die „Wein und Spirituosenhandlung Martha Mamlok“ betrieb. 
Eva Mamlok war früh politisch engagiert und aktiv. Sie war Mitglied in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und nach deren Zerschlagung im Juni 1933 aktiv im illegalen Widerstand. Mit nur 14 Jahren wurde Eva Mamlok 1933 erstmals verhaftet, als sie mit weißer Farbe am Hertie-Kaufhaus am Halleschen Tor, einem der größten Kaufhäuser Berlins, mit großen Buchstaben „Nieder mit Hitler“ auf das Dach schrieb. Weil sie Jugendliche war, wurde sie jedoch nach nur wenigen Tage wieder freigelassen. Ihre nächste Widerstandsaktion war das Niederlegen von Blumensträußen auf den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf dem Friedhof der Sozialisten in Friedrichsfelde. Auch dabei wurde sie entdeckt und am 24. November 1934 vor Ort verhaftet. Der drei Wochen später am 11. Dezember 1934 ausgestellte Schutzhaftbefehl beschrieb das Handeln von Eva Mamlok als „staatsfeindlich“. Bis Mai 1935 kam die inzwischen 16-Jährige in das niedersächsische Konzentrationslager Moringen. Nach ihrer Entlassung setzte sie aktiv ihre Widerstandstätigkeit fort und verteilte Flugblätter gegen Faschismus und Krieg. 
Eva Mamlok beteiligte sich an politischen Diskussionen in verschiedenen Widerstandsgruppen Berlins und baute selbst eine antifaschistische jüdische Mädchenwiderstandsgruppe auf. Die Gruppe entwickelte sich aus dem Bund Deutsch-Jüdischer Jugend und verteilte Antikriegsflugblätter und entsprechende Schriften. 1937 wanderte ihr Freund und politischer Mitkämpfer Peter Siemsen nach Argentinien aus. Vermutlich von ihm bekam Eva Mamlok eine unehelich geborene Tochter, die von ihrer Mutter und ihrer Schwester versorgt wurde. Von 1939 bis 1941 mussten Eva Mamlok und die meisten Mädchen der von ihr angeführten jüdischen Widerstandsgruppe Zwangsarbeit in der Schraubenfabrik „F. Butzke Schrauben-Industrie und Fassondreherei GmbH“ in der Brandenburgstraße 74–75 am Moritzplatz leisten. 
Im September 1941 wurden Eva mit zwei weiteren Mädchen der Gruppe – Inge Gerson-Berner und Inge Levinson – wegen erneuter politischer Aktionen denunziert und im Anschluss verhaftet. Die Frauen kamen ins Polizeigefängnis am Berliner Alexanderplatz. Ein Gericht verurteilte alle drei wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode, schwächte aber später die Strafen auf KZ-Haft ab. Am 13. Januar 1942 wurde Eva Mamlok mit dem „8. Osttransport“ unter der laufenden Nummer 70 von Berlin aus nach Riga deportiert. Bis 1944 befand sie sich im Ghetto von Riga sowie in Arbeitskommandos nahe der lettischen Hauptstadt. Auf Anordnung der Sicherheitspolizei Riga wurde Eva Mamlok am 1. Oktober 1944 ins Konzentrationslager Stutthof gebracht, wo sie die Häftlingsnummer 94020 bekam. Am 23. Dezember 1944 um 8.35 Uhr starb sie im Block 21 an „allgemeiner Körperschwäche“. Einzige Überlebende der von Eva Mamlok gegründeten und geführten Widerstandsgruppe war Inge Gerson-Berner, die Eva Mamlok als immer gut gelaunte und politisch hochmotivierte junge Frau in der Schraubenfabrik bei der Zwangsarbeit kennengelernt hatte. Was aus ihrer Mutter Martha Mamlok und ihrer Schwester Hilde Mamlok wurde ist ebenso unbekannt, wie das Schicksal ihrer Tochter. 
 

Biography

Eva Mamlok kam am 6. Mai 1918 in Berlin als Kind der jüdischen Kaufleute Albert Mamlok und Martha, geb. Peiser, zur Welt. Ihr Vater hatte seit 1923 mit seinem Bruder Julius die Weingroßhandlung Mamlok & Söhne Wein und Spirituosen AG in der Markgrafenstraße 84 in Kreuzberg inne. 1932 erlosch die Firma, ob wegen der Weltwirtschaftskrise oder bereits im Zusammenhang mit Verfolgungsmaßnahmen ist nicht mehr nachvollziehbar. Am 10. November 1936 starb Albert Mamlok im Alter von 58 Jahren im Jüdischen Krankenhaus Berlin an einer Erkrankung; er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beigesetzt. Sein Bruder Julius Mamlok war bereits am 19. März 1933 in Zehlendorf gestorben.

Evas Mutter Martha Mamlok betrieb von 1932 bis Ende 1938 in der Neuenburger Straße 3 in einem Ladengeschäft im Souterrain noch die Wein- und Spirituosenhandlung Martha Mamlok. Nach den Novemberpogromen 1938 wurde Jüdinnen und Juden der Betrieb von Einzelhandelsverkaufsstellen mit Wirkung zum Jahresende 1938 untersagt. Ob das Geschäft von den Novemberpogromen betroffen war, ist nicht belegt, aber wahrscheinlich. Mit Sicherheit brach der Familie spätestens nach 1938 die wirtschaftliche Existenzgrundlage weg. Die Familie bestand nunmehr aus Martha Mamlok und ihren zwei Töchtern Eva und Hildegard (geb. 20.11.1912, gest. 11.12.1941 an Tuberkulose), zudem lebte die unverheiratete Schwester von Martha, Rosa Peiser, mit in der 3-Zimmer-Wohnung in der Neuenburger Straße 3. Der Eigentümer des Gebäudes war die böhmisch-lutherische Bethlehemsgemeinde, deren Pfarrhaus sich dort auch befand. Die Gemeinde verzichtete offenbar darauf, der Familie zu kündigen, als die entsprechenden NS-Verordnungen den Mieterschutz für jüdische Mieter aufhoben.

Am 3. September 1939 brachte die unverheiratete Eva Mamlok im Jüdischen Krankenhaus Berlin ihre Tochter Tana zur Welt. Seit August 1938 waren für jüdische Kinder nur noch wenige Vornamen gestattet, darunter Tana. Der Vater ist im Geburtseintrag nicht genannt; der anderthalb Jahre zuvor emigrierte ehemalige Lebensgefährte von Eva Mamlok, Pieter Siemsen, kann es nicht gewesen sein.

Nach der Erinnerung ihrer späteren Freundin und Arbeitskollegin Inge Berner war der Vater des Kindes nicht jüdisch, doch um ihn vor dem „Rassenschande“-Paragraphen der Nürnberger Gesetze zu schützen, habe Eva angegeben, er sei ein ausgewanderter Jude. Im Geburtseintrag beim Standesamt Berlin-Wedding wird Eva Mamloks Beruf mit „Hausangestellte“ angegeben.

Eva Mamlok war früh politisch engagiert und aktiv. Sie war Mitglied in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und nach deren Zerschlagung im Juni 1933 aktiv im illegalen Widerstand. Laut Überlieferung wurde sie als Jugendliche erstmals verhaftet, als sie auf das Dach des Warenhauses am Halleschen Tor kletterte und darauf „Nieder mit Hitler!“ schrieb. Wegen ihres Alters sei sie jedoch gleich wieder freigelassen worden. Damit müsste dies vor 1933 passiert sein, da die 1918 geborene Eva Mamlok im Mai 1932 bereits vierzehn Jahre alt und damit strafmündig war.

Das Kaufhaus, dessen Dach vom Hochbahnsteig am Halleschen Tor weithin sichtbar war, wurde 1933 seinen jüdischen Eigentümern entzogen und zwangsweise umfirmiert von Tietz zu Hertie.

Diese Aktion ist nicht durch Polizeiberichte oder Zeitungsartikel belegt, sondern nur durch mündliche Überlieferung der einzigen Überlebenden ihrer späteren Widerstandsgruppe, Inge Berner. Aktenkundig wurde Eva Mamlok dann, als sie am Buß- und Bettag, dem 21. November 1934, zusammen mit dem Neuköllner Sozialisten Edgar Würgau (1914–1963) Blumen oder einen Kranz auf die Gräber von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am Friedhof der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde niederlegte. An dieser Aktion der von den Nazis verbotenen KPD waren zahlreiche Personen beteiligt, sie wurde am darauffolgenden Totensonntag wiederholt. Würgau und Mamlok wurden verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen. Würgau wurde bei der Verhaftung misshandelt und in den KZ Lichtenburg und Esterwegen interniert. Bereits am 27. November wurde Mamloks Überführung in das niedersächsische Frauenkonzentrationslager Moringen befürwortet. Die am 11. Dezember 1934 erfolgte Begründung der Schutzhaft „bis auf weiteres“ bescheinigte ihr, sie sei „staatsfeindlich eingestellt“.

Es ist anzunehmen, dass auch die Aktion auf dem Kaufhausdach, ähnlich wie die Kranzniederlegung, von einer Gruppe aus dem sozialistischen und kommunistischen Spektrum geplant und ausgeführt wurde und jedenfalls keine Einzelaktion war.

Nachkriegsaussagen des überlebenden Edgar Würgau in seiner Entschädigungsakte weisen darauf hin, dass die beiden Verbindungen zur Boysen-Harnack-Gruppe hatten, später bekannt als Rote Kapelle. Am 20. Dezember 1934 wurde die 16-jährige Eva Mamlok in das KZ Moringen überführt, wo sie bis zum 8. Mai 1935 inhaftiert blieb. Laut einem Brief des Moringer Direktors Hugo Krack an ihre Mutter Martha hatte sie in Moringen Kontakt mit Kommunistinnen.

Eva Mamlok beteiligte sich auch nach ihrer Entlassung aus Moringen weiter aktiv an Widerstandsgruppen in Berlin. In diesem Umfeld lernte sie um 1936 Pieter Siemsen (1914–2004) kennen, der aus einer sozialdemokratischen Familie stammte, und mit dem sie bis zu seiner Auswanderung nach Argentinien im Herbst 1937 liiert blieb. Aus dem Besitz von Siemsen stammt das einzige bekannte Foto, ihr Abschiedsbrief an ihn ist das einzige von ihr selbst überlieferte Dokument.

Als Jüdin musste Eva Mamlok ab 1940 Zwangsarbeit leisten, in diesem Fall in der Fabrik der F. Butzke Schrauben-Industrie und Fassondreherei GmbH in der Brandenburgstraße 72–75 (heute Lobeckstraße 76) in Kreuzberg, wo vermutlich Rüstungsgüter produziert wurden. Hier lernte sie im April 1941 Inge Berner (1922–2012, damals noch Inge Gerson) kennen. Diese war bis ca. 1938 Teil der Gruppe um Herbert Baum gewesen und eng mit Marianne Joachim und Hella Hirsch befreundet, empfand jedoch nach eigener Aussage zunehmend Distanz zu Baums völliger Abkehr vom Judentum. Nun schloss sie sich der Gruppe um Eva Mamlok an, die zumindest am Arbeitsplatz ausschließlich aus Frauen bestand. Sie verliehen verbotene Literatur, schrieben Anti-Hitler-Slogans an Hauswände und verteilten Flugblätter. Über Kontaktleute hielten sie Verbindung zu anderen Gruppen.

Inge Berner war nach 1945 die einzige Überlebende dieser Gruppe. Ihr kommt sowohl als Widerständige als auch als Zeitzeugin große Bedeutung zu. Sie legte direkt nach Kriegsende sowie später in den USA immer wieder Zeugnis ab und erinnerte sich an Eva Mamlok als mutige, lebenslustige Person. An der Drehmaschine in der Fabrik habe sie die längst verbotene „Dreigroschenoper“ gesungen: „She was very beautiful, full of fun, and always singing.“

Im September 1941 wurde Eva mit zwei weiteren Frauen der Gruppe – Inge Gerson und Inge Lewinson – wegen des Verleihs verbotener Bücher denunziert und verhaftet. Die Frauen kamen ins Polizeigefängnis am Berliner Alexanderplatz, wo sie getrennt verhört wurden. Berner konnte nach eigener Erinnerung die Flugblätter in ihrer Handtasche noch rechtzeitig durch die Toilette entsorgen. Ebenso nach Erinnerung von Inge Berner verurteilte man nach mehrmonatiger Haft alle drei wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode, schwächte aber später die Strafen auf KZ-Haft ab. In ihrer frühesten Erinnerung direkt nach der Befreiung 1945 schrieb Berner auch, man habe sie zunächst für das KZ Ravensbrück bestimmt, wo die Nazis Jüdinnen zu dieser Zeit schon systematisch ermordeten.

Am 13. Januar 1942 wurde Eva Mamlok mit dem „8. Osttransport“ unter der laufenden Nummer 70 von Berlin aus gemeinsam mit Inge Berner und weiteren Frauen aus dem Gefängnis nach Riga deportiert. Bis 1944 befand sie sich im Ghetto von Riga sowie in Arbeitskommandos nahe der lettischen Hauptstadt und dann ab 1943 im KZ Riga Kaiserwald, wo sie weiter Zwangsarbeit leisten musste und nach Überlieferung von Inge Berner auch weiter im Widerstand aktiv war. Unter anderem habe Berners in Berlin verbliebene, mit einem nichtjüdischen Mann verheiratete Tante Dorothea Skodowski ihr über einen Kontaktmann einen präparierten Kuchen ins Rigaer Ghetto geschickt, in dem eine Miniaturkamera versteckt gewesen sei. Diese sei dann zur Dokumentation von Gräueltaten im Ghetto verwendet worden. Nach Überlieferung Berners war Mamlok in Riga mit Percy Gurwitz (1919–2011) liiert, Berner dagegen heiratete den Rigaer Max Brin (1924–1945) und nannte sich kurzzeitig Gerson-Brin. So hätten sie als “Kleeblatt” allen Widrigkeiten zum Trotz die Grausamkeiten des Ghettos zeitweilig vergessen können; jedoch auch alle vier an Aktivitäten des Widerstands teilgehabt.

Bei Auflösung des KZ Kaiserwald wurde Eva Mamlok am 1. Oktober 1944 ins Konzentrationslager Stutthof gebracht, wo sie die Häftlingsnummer 94020 bekam. Dort verloren sich Inge und Eva aus den Augen, so dass ihr weiteres Schicksal lediglich durch ihren Totenschein überliefert ist. Am 23. Dezember 1944 um 8.35 Uhr starb sie laut Angaben des NS-Lagerarztes im Block 21 an „allgemeiner Körperschwäche“; ein Euphemismus für die Ermordung durch systematische Unterernährung, schwerste körperliche Arbeit und völlig mangelhafte hygienische und medizinische Versorgung.

Evas in Berlin verbliebene Mutter Martha Mamlok wurde zusammen mit ihrer Schwester Rosa Peiser mit dem „21. Osttransport“ vom 19. Oktober 1942 ebenfalls nach Riga deportiert und dort gleich nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 ermordet. Tana Mamlok, Evas dreijährige Tochter, landete spätestens nach der Deportation der Großmutter alleine in Berlin im Jüdischen Waisenhaus in der Schönhauser Allee 162, ihre letzte bekannte Station vor der Deportation war die Alte Schönhauser Straße 4. Nach der zwangsweisen Auflösung des Waisenhauses wurde Tana mit dem „23. Osttransport“ vom 29. November 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. Unter den 998 Personen dieses Transports waren 75 Kinder im Alter von 10 Monaten bis 16 Jahren, überwiegend aus dem Jüdischen Waisenhaus in der Schönhauser Allee 162. Warum Tana getrennt von ihrer Großmutter deportiert wurde, ist nicht bekannt. In der für sie ausgefüllten Vermögenserklärung wird sie als „Waisenkind“ mit unbekanntem Geburtsort bezeichnet; von Martha Mamlok und Rosa Peiser sind keine Vermögenserklärungen erhalten.