Marta Silten née Friedberg

Location 
Reinhardtstr. 5
Historical name
Karlstr. 20a
District
Mitte
Stone was laid
August 2010
Born
12 October 1877 in Berlin
Escape into death
07 July 1943 in Westerbork

Marta Friedberg kam am 12. Oktober 1877 in der Wohnung ihrer Eltern in der Lindenstraße 55 (heute Axel-Springer-Straße) in Berlin-Mitte zur Welt. Ihre Mutter Antonie Friedberg (geb. Ahrweiler) stammte aus Düsseldorf, wo Martas Großvater Leopold Ahrweiler als Bankier tätig war. Martas Vater Martin Friedberg hatte in späteren Jahren den Posten eines Handelsrichters inne und wurde in der Weimarer Republik in die Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählt. Er war Inhaber einer Fabrik, die Knöpfe und Posamentenwaren (Kordeln, Quasten, Spitzen und dergleichen) herstellte. Der Betrieb, den sein Vater Louis Friedberg gegründet hatte, befand sich anfangs in der Lindenstraße und später am Hausvogteiplatz, dem damaligen Zentrum der Berliner Textilbranche. Marta wuchs mit ihren zwei älteren Schwestern Sophie und Else auf. Sophies Ehemann Ludwig Levy und dessen Bruder Berthold wurden in den 1890er-Jahren Mitinhaber des Familienbetriebs. <br />
Im Alter von 22 Jahren heiratete Marta Friedberg am 15. Mai 1900 den elfeinhalb Jahre älteren Apotheker Dr. Ernst Silberstein. Im Jahr vor der Heirat hatte er die Kaiser-Friedrich-Apotheke in der Karlstraße 20a übernommen. Die Apotheke gibt es auch heute noch, sie trägt jetzt den Namen Galenusapotheke, die Adresse lautet seit der Umbenennung der Straße Reinhardtstraße 5. <br />
1901 und 1904 wurden die beiden Söhne Hans und Fritz geboren. Die Familie lebte in der Wohnung über der Apotheke. Im Jahr 1918 wurde der Familienname von Silberstein zu Silten geändert. Der jüngere Sohn Fritz promovierte in Chemie und Pharmazie und übernahm Ende der 1920er-Jahre die Apotheke seines Vaters. 1931 heiratete er die Fotografin Ilse Teppich, die nach der Heirat ihren Beruf aufgab. Ende Mai 1933 kam Marta Siltens Enkelin Ruth Gabriele zur Welt. Fritz Silten wohnte mit seiner Familie in Charlottenburg, während Marta und Ernst Silten weiter über der Apotheke wohnen blieben.<br />
Bereits kurz nach Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft floh Marta Siltens älteste Schwester Sophie, die seit 1918 verwitwet war, nach Dänemark. Sie starb wenig später im März 1934 in Kopenhagen. Ihre Enkel und Urenkel leben bis heute in Dänemark. Die zweite Schwester Else, die noch Ende der 1930er-Jahre mit ihrem nichtjüdischen Ehemann Bruno Bahn in Steglitz gewohnt hatte, ging wie ihre beiden erwachsenen Töchter nach England. Sie starb 1978 mit über hundert Jahren in Nottingham. <br />
Auch Marta Siltens älterer Sohn Heinz emigrierte nach England. Er ließ sich in London nieder, heiratete die Engländerin Kathleen Howison und änderte seinen Vornamen zu Henry. Er starb Anfang der 1950er-Jahre in einem Sanatorium im Schwarzwald.<br />
Im Juli 1936 wurde Fritz Silten zum Verkauf der Apotheke gezwungen. Im Frühjahr 1936 war infolge der antisemitischen Nürnberger Gesetze eine Verordnung erlassen worden, die jüdische Inhaber von Apotheken zur Verpachtung zwang. Fritz Siltens Anwalt schrieb 1960 im Wiedergutmachungsverfahren: „Die Folge der Verordnung vom 26.3.1936 war, daß ein Verkauf bezüglich der einzelnen im Judenbesitz befindlichen Apotheken nicht mehr stattfand, vielmehr mußte der damalige jüdische Apothekenbesitzer die Apotheke an einen von der zuständigen Gauwirtschaftsleitung der NSDAP ausgesuchten ‚alten Kämpfer‘ zu einem ‚Scheinpreis‘ überlassen.“ 1933 gab es in Deutschland den Angaben des Anwalts zufolge 258 Apotheken mit jüdischen Inhabern, im Oktober 1936 keine einzige mehr.<br />
Anfang 1938 emigrierte Fritz Silten in die Niederlande, seine Frau und die damals fünfjährige Tochter kamen im Sommer nach. Einige Monate später – die Angaben in den Quellen reichen von September 1938 bis Februar 1939 – folgte Marta Silten ihrem Sohn und seiner Familie nach Amsterdam und zog zu ihnen in die Noorder Amstellaan 142 (heute: Churchill-laan). Ihr Mann Ernst blieb in Berlin. <br />
Fritz wollte eigentlich mit seiner Familie weiter nach Argentinien, aber das Visum traf nicht rechtzeitig ein. Das nationalsozialistische Deutschland besetzte die Niederlande im Mai 1940 und in der Folgezeit wurden analog zum Deutschen Reich Anordnungen erlassen, die die Freiheit der jüdischen Bevölkerung massiv einschränkten. So wurde es ihnen neben zahlreichen anderen Restriktionen verboten, nach 20 Uhr die Wohnung zu verlassen, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, Parkanlagen, Märkte, Museen, Theater, Kinos oder Konzerte zu besuchen, öffentliche und private Verkehrsmittel zu benutzen und Wohnungen oder Gaststätten nichtjüdischer Inhaber zu betreten. Ende April 1942 wurde auch in den Niederlanden die Kennzeichnungspflicht durch den sogenannten Judenstern angeordnet. Marta Siltens Enkelin Ruth Gabriele Silten berichtete später, dass ihre Eltern sich dagegen entschieden, sich zu verstecken, weil das bedeutet hätte, dass sich die Familie hätte trennen müssen. <br />
Bei Marta Siltens Mann Ernst in Berlin stand am 5. März 1943 die Gestapo vor der Tür, um ihn zur Deportation abzuholen. Seine Haushälterin warnte ihn, woraufhin er sich das Leben nahm. Einige Monate später, am 20. Juni 1943, wurde Marta Silten zusammen mit ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkelin im Rahmen einer großen Verhaftungswelle in ihrer Amsterdamer Wohnung von der Gestapo abgeholt. Die damals zehnjährige Ruth Gabriele erinnerte sich später an die Verhaftung: „Viele Leute standen auf der Straße oder hingen am Fenster und beobachteten, was vor sich ging. Aber nicht jeder war feindselig. Ich erinnere mich deutlich daran, dass Frau Gijtenbeek, die Besitzerin des Lebensmittelladens an der Ecke, zu mir gekommen ist mit einer kleinen Tüte in ihrer Hand. In der Tüte waren Süßigkeiten, die sie mir geben wollte.“ Mit dem Zug wurden Marta, Fritz, Ilse und Ruth Gabriele Silten ins Lager Westerbork im Osten der Niederlande verschleppt. <br />
Wenige Wochen später erfuhr Marta Silten, dass ihr Name auf einer Transportliste für die Deportation in den Osten stand. Die 65-Jährige nahm sich daraufhin am 7. Juli 1943 das Leben. <br />
Ihr Sohn Fritz wurde mit seiner Frau und seiner Tochter im Januar 1944 nach Theresienstadt deportiert. Alle drei überlebten. Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin kehrten sie nach Amsterdam in ihre alte Wohnung zurück. Fritz Silten blieb durch gesundheitliche Folgen der Verfolgung zu 50 Prozent erwerbsbeschränkt. Anfang der 1960er-Jahre zog er mit seiner Frau Ilse in die Schweiz. Ilse starb 1977 an den Folgen der Zwangsarbeit in der Glimmerfabrik in Theresienstadt, Fritz starb drei Jahre später. <br />
Marta Siltens Enkelin Ruth Gabriele ging 1959 in die USA, wo sie Professorin am kalifornischen Pasadena City College wurde. Sie veröffentlichte mehrere Bücher, darunter die autobiografischen Schriften „Between Two Worlds: Autobiography of a Child Survivor of the Holocaust“ (1995) und „Is the War Over? Postwar Years of a Child Survivor of the Holocaust“ (2004). <br />
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Marta Friedberg kam am 12. Oktober 1877 in der Wohnung ihrer Eltern in der Lindenstraße 55 (heute Axel-Springer-Straße) in Berlin-Mitte zur Welt. Ihre Mutter Antonie Friedberg (geb. Ahrweiler) stammte aus Düsseldorf, wo Martas Großvater Leopold Ahrweiler als Bankier tätig war. Martas Vater Martin Friedberg hatte in späteren Jahren den Posten eines Handelsrichters inne und wurde in der Weimarer Republik in die Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählt. Er war Inhaber einer Fabrik, die Knöpfe und Posamentenwaren (Kordeln, Quasten, Spitzen und dergleichen) herstellte. Der Betrieb, den sein Vater Louis Friedberg gegründet hatte, befand sich anfangs in der Lindenstraße und später am Hausvogteiplatz, dem damaligen Zentrum der Berliner Textilbranche. Marta wuchs mit ihren zwei älteren Schwestern Sophie und Else auf. Sophies Ehemann Ludwig Levy und dessen Bruder Berthold wurden in den 1890er-Jahren Mitinhaber des Familienbetriebs.
Im Alter von 22 Jahren heiratete Marta Friedberg am 15. Mai 1900 den elfeinhalb Jahre älteren Apotheker Dr. Ernst Silberstein. Im Jahr vor der Heirat hatte er die Kaiser-Friedrich-Apotheke in der Karlstraße 20a übernommen. Die Apotheke gibt es auch heute noch, sie trägt jetzt den Namen Galenusapotheke, die Adresse lautet seit der Umbenennung der Straße Reinhardtstraße 5.
1901 und 1904 wurden die beiden Söhne Hans und Fritz geboren. Die Familie lebte in der Wohnung über der Apotheke. Im Jahr 1918 wurde der Familienname von Silberstein zu Silten geändert. Der jüngere Sohn Fritz promovierte in Chemie und Pharmazie und übernahm Ende der 1920er-Jahre die Apotheke seines Vaters. 1931 heiratete er die Fotografin Ilse Teppich, die nach der Heirat ihren Beruf aufgab. Ende Mai 1933 kam Marta Siltens Enkelin Ruth Gabriele zur Welt. Fritz Silten wohnte mit seiner Familie in Charlottenburg, während Marta und Ernst Silten weiter über der Apotheke wohnen blieben.
Bereits kurz nach Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft floh Marta Siltens älteste Schwester Sophie, die seit 1918 verwitwet war, nach Dänemark. Sie starb wenig später im März 1934 in Kopenhagen. Ihre Enkel und Urenkel leben bis heute in Dänemark. Die zweite Schwester Else, die noch Ende der 1930er-Jahre mit ihrem nichtjüdischen Ehemann Bruno Bahn in Steglitz gewohnt hatte, ging wie ihre beiden erwachsenen Töchter nach England. Sie starb 1978 mit über hundert Jahren in Nottingham.
Auch Marta Siltens älterer Sohn Heinz emigrierte nach England. Er ließ sich in London nieder, heiratete die Engländerin Kathleen Howison und änderte seinen Vornamen zu Henry. Er starb Anfang der 1950er-Jahre in einem Sanatorium im Schwarzwald.
Im Juli 1936 wurde Fritz Silten zum Verkauf der Apotheke gezwungen. Im Frühjahr 1936 war infolge der antisemitischen Nürnberger Gesetze eine Verordnung erlassen worden, die jüdische Inhaber von Apotheken zur Verpachtung zwang. Fritz Siltens Anwalt schrieb 1960 im Wiedergutmachungsverfahren: „Die Folge der Verordnung vom 26.3.1936 war, daß ein Verkauf bezüglich der einzelnen im Judenbesitz befindlichen Apotheken nicht mehr stattfand, vielmehr mußte der damalige jüdische Apothekenbesitzer die Apotheke an einen von der zuständigen Gauwirtschaftsleitung der NSDAP ausgesuchten ‚alten Kämpfer‘ zu einem ‚Scheinpreis‘ überlassen.“ 1933 gab es in Deutschland den Angaben des Anwalts zufolge 258 Apotheken mit jüdischen Inhabern, im Oktober 1936 keine einzige mehr.
Anfang 1938 emigrierte Fritz Silten in die Niederlande, seine Frau und die damals fünfjährige Tochter kamen im Sommer nach. Einige Monate später – die Angaben in den Quellen reichen von September 1938 bis Februar 1939 – folgte Marta Silten ihrem Sohn und seiner Familie nach Amsterdam und zog zu ihnen in die Noorder Amstellaan 142 (heute: Churchill-laan). Ihr Mann Ernst blieb in Berlin.
Fritz wollte eigentlich mit seiner Familie weiter nach Argentinien, aber das Visum traf nicht rechtzeitig ein. Das nationalsozialistische Deutschland besetzte die Niederlande im Mai 1940 und in der Folgezeit wurden analog zum Deutschen Reich Anordnungen erlassen, die die Freiheit der jüdischen Bevölkerung massiv einschränkten. So wurde es ihnen neben zahlreichen anderen Restriktionen verboten, nach 20 Uhr die Wohnung zu verlassen, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, Parkanlagen, Märkte, Museen, Theater, Kinos oder Konzerte zu besuchen, öffentliche und private Verkehrsmittel zu benutzen und Wohnungen oder Gaststätten nichtjüdischer Inhaber zu betreten. Ende April 1942 wurde auch in den Niederlanden die Kennzeichnungspflicht durch den sogenannten Judenstern angeordnet. Marta Siltens Enkelin Ruth Gabriele Silten berichtete später, dass ihre Eltern sich dagegen entschieden, sich zu verstecken, weil das bedeutet hätte, dass sich die Familie hätte trennen müssen.
Bei Marta Siltens Mann Ernst in Berlin stand am 5. März 1943 die Gestapo vor der Tür, um ihn zur Deportation abzuholen. Seine Haushälterin warnte ihn, woraufhin er sich das Leben nahm. Einige Monate später, am 20. Juni 1943, wurde Marta Silten zusammen mit ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkelin im Rahmen einer großen Verhaftungswelle in ihrer Amsterdamer Wohnung von der Gestapo abgeholt. Die damals zehnjährige Ruth Gabriele erinnerte sich später an die Verhaftung: „Viele Leute standen auf der Straße oder hingen am Fenster und beobachteten, was vor sich ging. Aber nicht jeder war feindselig. Ich erinnere mich deutlich daran, dass Frau Gijtenbeek, die Besitzerin des Lebensmittelladens an der Ecke, zu mir gekommen ist mit einer kleinen Tüte in ihrer Hand. In der Tüte waren Süßigkeiten, die sie mir geben wollte.“ Mit dem Zug wurden Marta, Fritz, Ilse und Ruth Gabriele Silten ins Lager Westerbork im Osten der Niederlande verschleppt.
Wenige Wochen später erfuhr Marta Silten, dass ihr Name auf einer Transportliste für die Deportation in den Osten stand. Die 65-Jährige nahm sich daraufhin am 7. Juli 1943 das Leben.
Ihr Sohn Fritz wurde mit seiner Frau und seiner Tochter im Januar 1944 nach Theresienstadt deportiert. Alle drei überlebten. Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin kehrten sie nach Amsterdam in ihre alte Wohnung zurück. Fritz Silten blieb durch gesundheitliche Folgen der Verfolgung zu 50 Prozent erwerbsbeschränkt. Anfang der 1960er-Jahre zog er mit seiner Frau Ilse in die Schweiz. Ilse starb 1977 an den Folgen der Zwangsarbeit in der Glimmerfabrik in Theresienstadt, Fritz starb drei Jahre später.
Marta Siltens Enkelin Ruth Gabriele ging 1959 in die USA, wo sie Professorin am kalifornischen Pasadena City College wurde. Sie veröffentlichte mehrere Bücher, darunter die autobiografischen Schriften „Between Two Worlds: Autobiography of a Child Survivor of the Holocaust“ (1995) und „Is the War Over? Postwar Years of a Child Survivor of the Holocaust“ (2004).