Salomon Birnbaum

Location 
Rosenheimer Str. 31
District
Schöneberg
Stone was laid
20 December 2014
Born
17 December 1883 in Dubno (Russland)
Occupation
Studienrat
Forced Labour
Polnisch-Übersetzer (Wehrmachtsdienststelle)
Deportation
on 12 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Salomon Birnbaum kam am 17. Dezember 1883 als Sohn des Kaufmanns Hersch Birnbaum und dessen Frau Lina, geb. Marschalkowich, in Dubno/Ukraine geboren. Die Familie wurde in Posen ansässig. Dort mache Salomon Birnbaum 1905 sein Abitur.<br />
Er studierte an der Technischen Hochschule (heute TU) in Charlottenburg und an der Berliner Universität Mathematik, Physik und Chemie. 1913 legte er die Lehramtsprüfung ab und unterrichtete zunächst in Posen. Von 1922 an lehrte er am Prinz-Heinrich-Gymnasium in der Schöneberger Grunewaldstraße Mathematik und Naturwissenschaften. 1925 heiratete er 25-jährige Sima Mirel Rapaport, die aus Minsk/Weißrussland stammte. Die Ehe blieb kinderlos.<br />
Im März 1934 wurde Salomon Birnbaum als Jude seines Lehramts enthoben und zwangspensioniert. Zunächst konnte er noch an der jüdischen Oberschule in Berlin-Mitte unterrichten. Nach 1939 wurde er wegen seiner polnischen Sprachkenntnisse für eine Wehrmachtsstelle zwangsverpflichtet. Seine Frau musste Zwangsarbeit in einer Großwäscherei in Berlin-Köpenick verrichten. <br />
Der letzte freigewählte Wohnsitz des Ehepaares war in der Rosenheimer Str. 31 in Schöneberg. Am 1. Dezember 1942 wurden sie aus ihrer Wohnung vertrieben und zwangsweise in die Bozener Str. 9 einquartiert. <br />
Salomon Birnbaum war ein beeindruckender und beliebter Pädagoge, das geht aus den Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen ehemaliger Schüler und Schülerinnen hervor. Sie schildern ihre Treffen mit dem geachteten Lehrer, noch lange nach seiner Amtsenthebung, und zeigen schlaglichtartig sein Schicksal als Jude im nationalsozialistischen Berlin: <br />
„Die Schüler protestierten auch gegen die Entlassung von Professor ‚Sally‘ Birnbaum, dem beliebten Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften: In der ganzen Schule wurden Unterschriften für eine Petition zu seinen Gunsten gesammelt. Noch im Winter 36/37 stattete ihm die Unterprima geschlossen einen Besuch in seiner Wohnung in der Rosenheimer Straße ab.“ (Eric Hobsbawm: Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert, München 2009, S. 73 f.)<br />
Diesen Besuch im Winter 1936 schildert Jens Rehn, ehemaliger Schüler des Prinz-Heinrich-Gymnasiums: „Gestern abend war die ganze Klasse bei Birnbaum in der Wohnung; wir hatten irgendetwas aus der Differentialrechnung nicht begriffen. Er wohnt gar nicht weit weg in der Rosenheimer Straße, Gartenhaus, Parterre. Hinterher hat er uns mathematische Witze erzählt und seine Frau machte Kaffee für uns. Er unterrichtet jetzt an der jüdischen Schule, ist aber nicht mehr so dick wie früher.“ (Das Prinz-Heinrich-Gymnasium zu Schöneberg 1890–1945. Geschichte einer Schule, hg. von Heinrich Stallmann, Berlin 1965, S. 106)<br />
Jens Rehn besuchte seinen früheren Lehrer auch im Dezember 1941: „Am Abend besuche ich Birnbaum. Es ist schon ziemlich spät. Ich läute lange, ehe er mir die Tür öffnet. Er muss einen mächtigen Schrecken bekommen haben, als er mich im stockdunklen Treppenhaus nicht erkannte. Er war dünn geworden und zitterte immer noch, als wir schon einige Zeit im Wohnzimmer saßen und sprachen. Ich hätte meine Marineuniform mit dem langen Mantel ausziehen sollen … Birnbaum fragte nach den anderen aus meiner Klasse, er erinnerte sich noch genau an unsere Namen und Gesichter … ‚Uns Sie?‘ frage ich. ‚Tja‘, sagt er und dann sagt er nichts mehr. ‚Er beschäftigt sich mit Reihen- und Zahlentheorien, ein sehr schwieriges Gebiet‘, sagt seine Frau und schweigt auch.“ (ebd., S. 109)<br />
Hans Kuhnert, ebenfalls ein ehemaliger Schüler, begegnete Salomon Birnbaum an Weihnachten 1942:<br />
„In der Münchener Straße kam mir wie ein Gespenst ein kleine magere gebeugte Gestalt in einem dünnen, abgetragenen Mäntelchen mit Judenstern entgegen. Ich ging vorüber. Nach ein paar Schritten traf es mich wie ein Schlag: Das war doch ... ‚Sally‘! Ich kehrte um, lief hinter ihm her, rief schon von weitem: ‚Bitte erschrecken Sie nicht, Herr Dr. Birnbaum.‘ ... <br />
Er fragte mich, ob ich denn wisse, was mit den jüdischen Mitbürgern vor sich gehe. Ich sagte ihm, ich wisse alles, versuchte ihm Mut zuzusprechen, er solle versuchen durchzuhalten, es könne ja nicht mehr lange dauern, der Krieg sei verloren und mit ihm die Nazis ...<br />
Er hörte zu, aber er konnte nicht mehr glauben. Er meinte, seine Frau und er würden sich so lange nicht mehr halten können.... Wie schieden voreinander, ich voller Hoffnung, er voller Skepsis. Er hat recht behalten. Nie in meinem Leben werde ich diese Szene im nächtlichen verdunkelten Berlin vergessen.“ (ebd., S. 112)<br />
<br />
Salomon Birnbaum und seine Frau Sima wurden am 12. März 1943 im Rahmen der sogenannten Fabrikaktion mit dem „36. Osttransport“ zusammen mit 941 weiteren jüdischen Menschen vom Güterbahnhof Moabit nach Auschwitz deportiert und ermordet.<br />

Salomon Birnbaum kam am 17. Dezember 1883 als Sohn des Kaufmanns Hersch Birnbaum und dessen Frau Lina, geb. Marschalkowich, in Dubno/Ukraine geboren. Die Familie wurde in Posen ansässig. Dort mache Salomon Birnbaum 1905 sein Abitur.
Er studierte an der Technischen Hochschule (heute TU) in Charlottenburg und an der Berliner Universität Mathematik, Physik und Chemie. 1913 legte er die Lehramtsprüfung ab und unterrichtete zunächst in Posen. Von 1922 an lehrte er am Prinz-Heinrich-Gymnasium in der Schöneberger Grunewaldstraße Mathematik und Naturwissenschaften. 1925 heiratete er 25-jährige Sima Mirel Rapaport, die aus Minsk/Weißrussland stammte. Die Ehe blieb kinderlos.
Im März 1934 wurde Salomon Birnbaum als Jude seines Lehramts enthoben und zwangspensioniert. Zunächst konnte er noch an der jüdischen Oberschule in Berlin-Mitte unterrichten. Nach 1939 wurde er wegen seiner polnischen Sprachkenntnisse für eine Wehrmachtsstelle zwangsverpflichtet. Seine Frau musste Zwangsarbeit in einer Großwäscherei in Berlin-Köpenick verrichten.
Der letzte freigewählte Wohnsitz des Ehepaares war in der Rosenheimer Str. 31 in Schöneberg. Am 1. Dezember 1942 wurden sie aus ihrer Wohnung vertrieben und zwangsweise in die Bozener Str. 9 einquartiert.
Salomon Birnbaum war ein beeindruckender und beliebter Pädagoge, das geht aus den Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen ehemaliger Schüler und Schülerinnen hervor. Sie schildern ihre Treffen mit dem geachteten Lehrer, noch lange nach seiner Amtsenthebung, und zeigen schlaglichtartig sein Schicksal als Jude im nationalsozialistischen Berlin:
„Die Schüler protestierten auch gegen die Entlassung von Professor ‚Sally‘ Birnbaum, dem beliebten Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften: In der ganzen Schule wurden Unterschriften für eine Petition zu seinen Gunsten gesammelt. Noch im Winter 36/37 stattete ihm die Unterprima geschlossen einen Besuch in seiner Wohnung in der Rosenheimer Straße ab.“ (Eric Hobsbawm: Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert, München 2009, S. 73 f.)
Diesen Besuch im Winter 1936 schildert Jens Rehn, ehemaliger Schüler des Prinz-Heinrich-Gymnasiums: „Gestern abend war die ganze Klasse bei Birnbaum in der Wohnung; wir hatten irgendetwas aus der Differentialrechnung nicht begriffen. Er wohnt gar nicht weit weg in der Rosenheimer Straße, Gartenhaus, Parterre. Hinterher hat er uns mathematische Witze erzählt und seine Frau machte Kaffee für uns. Er unterrichtet jetzt an der jüdischen Schule, ist aber nicht mehr so dick wie früher.“ (Das Prinz-Heinrich-Gymnasium zu Schöneberg 1890–1945. Geschichte einer Schule, hg. von Heinrich Stallmann, Berlin 1965, S. 106)
Jens Rehn besuchte seinen früheren Lehrer auch im Dezember 1941: „Am Abend besuche ich Birnbaum. Es ist schon ziemlich spät. Ich läute lange, ehe er mir die Tür öffnet. Er muss einen mächtigen Schrecken bekommen haben, als er mich im stockdunklen Treppenhaus nicht erkannte. Er war dünn geworden und zitterte immer noch, als wir schon einige Zeit im Wohnzimmer saßen und sprachen. Ich hätte meine Marineuniform mit dem langen Mantel ausziehen sollen … Birnbaum fragte nach den anderen aus meiner Klasse, er erinnerte sich noch genau an unsere Namen und Gesichter … ‚Uns Sie?‘ frage ich. ‚Tja‘, sagt er und dann sagt er nichts mehr. ‚Er beschäftigt sich mit Reihen- und Zahlentheorien, ein sehr schwieriges Gebiet‘, sagt seine Frau und schweigt auch.“ (ebd., S. 109)
Hans Kuhnert, ebenfalls ein ehemaliger Schüler, begegnete Salomon Birnbaum an Weihnachten 1942:
„In der Münchener Straße kam mir wie ein Gespenst ein kleine magere gebeugte Gestalt in einem dünnen, abgetragenen Mäntelchen mit Judenstern entgegen. Ich ging vorüber. Nach ein paar Schritten traf es mich wie ein Schlag: Das war doch ... ‚Sally‘! Ich kehrte um, lief hinter ihm her, rief schon von weitem: ‚Bitte erschrecken Sie nicht, Herr Dr. Birnbaum.‘ ...
Er fragte mich, ob ich denn wisse, was mit den jüdischen Mitbürgern vor sich gehe. Ich sagte ihm, ich wisse alles, versuchte ihm Mut zuzusprechen, er solle versuchen durchzuhalten, es könne ja nicht mehr lange dauern, der Krieg sei verloren und mit ihm die Nazis ...
Er hörte zu, aber er konnte nicht mehr glauben. Er meinte, seine Frau und er würden sich so lange nicht mehr halten können.... Wie schieden voreinander, ich voller Hoffnung, er voller Skepsis. Er hat recht behalten. Nie in meinem Leben werde ich diese Szene im nächtlichen verdunkelten Berlin vergessen.“ (ebd., S. 112)

Salomon Birnbaum und seine Frau Sima wurden am 12. März 1943 im Rahmen der sogenannten Fabrikaktion mit dem „36. Osttransport“ zusammen mit 941 weiteren jüdischen Menschen vom Güterbahnhof Moabit nach Auschwitz deportiert und ermordet.