Joseph Mannheim

Location 
Schillingstr. 1
Historical name
Blumenstr. 2
District
Mitte
Born
27 August 1889 in Schivelbein (Pommern) / Świdwin
Occupation
Getreidehändler
Death due to incarceration and torture
13 May 1945 in Berlin

Joseph Mannheim wurde am 27. August 1889 in der Kleinstadt Schivelbein (heute: Świdwin / Polen) in Pommern als Sohn des jüdischen Getreidehändlers Abraham Mannheim und dessen Frau Aurelie (geb. Salinger) geboren. Nach dem Tod seines Vaters heiratete die Mutter erneut, der Nachname seines Stiefvaters lautete Neustadt.<br />
1906 beendete Joseph Mannheim die Rudolf-Virchow-Oberrealschule in Schivelbein mit der mittleren Reife. Anschließend machte er eine Lehre als Handlungsgehilfe in der Getreidebranche in der etwa hundert Kilometer von seinem Heimatort entfernten Kleinstadt Bernstein (Pełczyce). Von 1912 bis 1914 absolvierte er seinen Militärdienst und war dann während des Ersten Weltkriegs Soldat. Nach Kriegsende wurde er Mitinhaber des Getreidehandels, den sein Vater gegründet hatte. Nach Auseinandersetzungen mit seinem Teilhaber Alfred Kronheim, der sein Schwager war, gründete Joseph Mannheim 1922 einen eigenen Betrieb. Neben Getreide, Sämereien und Kartoffeln verkaufte er auch Kohle sowie Futter- und Düngemittel. Als Prokuristin stellte er Erna Röpke ein, die er am 4. Dezember 1923 auf dem Standesamt Köslin heiratete. Ihre beiden Töchter kamen in Schivelbein zur Welt, Gisela am 11. März 1925 und Rita am 25. Oktober 1931. <br />
Joseph Mannheims Frau Erna, die 1898 in Ristow im Kreis Schlawe (Rzyszczewo/Sławno) geboren worden war, war evangelisch und galt als „Arierin“. Inwiefern Religion innerhalb der Familie eine Rolle spielte, geht aus den Quellen nicht hervor. Als im Krieg ausgezeichneter Soldat war Joseph Mannheim Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten und seiner Tochter zufolge „deutschnational bis auf die Knochen“. Sein Getreidehandel, der zu den größten der Stadt zählte, lief während der 1920er-Jahre sehr gut und die Familie hatte dementsprechend einen hohen Lebensstandard. In ihrem großen Haus in der Bahnhofstraße waren ein Kindermädchen, eine Haushälterin und eine Reinigungshilfe beschäftigt.<br />
Bereits vor Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft machte sich ein leichter Rückgang der Geschäftsgewinne bemerkbar, „durch die damals schon auf dem Lande einsetzende Judenhetze“, wie Joseph Mannheims Tochter Gisela später in ihrem Entschädigungsantrag schreibt. Nach dem von der nationalsozialistischen Führung ausgerufenen „Boykotttag“ am 1. April 1933 gingen die Umsätze des Betriebs dann schlagartig zurück. SA- und NSDAP-Mitglieder hielten sich in der Nähe des Geschäfts auf, um Kundschaft fernzuhalten, und zwangen Kunden, gekaufte Waren wieder abzuladen. Nachts wurden die Fenster eingeschlagen und die Fassade beschmiert. Joseph Mannheims Tochter Gisela musste in der Schule auf der „Judenbank“ sitzen, er selbst wurde im Herbst 1933 vor den Augen seiner Tochter auf dem Marktplatz von der SA zusammengeschlagen. Er wurde bewusstlos abtransportiert und in „Schutzhaft“ genommen. Sechs Wochen wurde er in den Polizeigefängnissen Schivelbein und Belgard festgehalten. Nach seiner Entlassung versuchte er unter größten Schwierigkeiten, das Geschäft weiterzuführen. Als er am 31. März 1936 seinen letzten Angestellten entlassen musste, hatten bereits fast alle jüdischen Geschäfte der Stadt wegen der antisemitischen Boykotte schließen müssen. Ab diesem Zeitpunkt hielt Joseph Mannheim sich und seine Familie mit der gelegentlichen Vermittlung von Landmaschinen über Wasser, für die ein Schwager als Generalvertreter tätig war. Außerdem nahm er ein Wandergewerbe auf und verkaufte Kaffee, Tee, Süßwaren, Zigarren und Textilien. <br />
Wie viele andere Familien bemühten sich auch Mannheims um eine Auswanderung. Es gelang ihnen zwar, eine Farm in Brasilien zu kaufen, doch die beantragten Visa trafen nie ein. Während des Novemberpogroms 1938 wurde die Schivelbeiner Synagoge in Brand gesetzt und völlig zerstört, der jüdische Friedhof wurde geschändet. Am Morgen des 10. November standen zwei SA-Männer bei Familie Mannheim vor der Tür. Sie zeigten auf einen Gewehrlauf und sagten, sie hätten hier eine Kugel für den Juden Mannheim. Erna Mannheim antwortete geistesgegenwärtig: „Da hätten Sie aber früher aufstehen müssen! Der ist weg!“, woraufhin die Männer weiterzogen. Joseph Mannheim lief auf Schleichwegen zum Bahnhof und konnte sich retten. <br />
Sein Vorhaben, nach Dänemark zu fliehen, scheiterte. Die Gestapo holte ihn aus dem Zug und laut polizeilicher Anweisung durfte er nicht mehr nach Schivelbein zurückkehren. Er ging daraufhin nach Berlin, wohin ihm seine Frau und seine Töchter im Januar 1939 folgten. Seine Firma wurde am 3. Dezember 1938 aus dem Handelsregister gelöscht. Anfangs kam Joseph Mannheim in einem möblierten Zimmer bei einer Frau Stein in der Schillstraße 15 unter. Eine Genehmigung, dort mit seiner Familie dauerhaft einzuziehen, wurde ihm verwehrt. Auch für eine 1-Zimmer-Wohnung in der Barbarossastraße, deren Bewohnerin emigrierte, bekamen Mannheims keine Wohngenehmigung. Schließlich wurden sie Ende Januar 1939 über das jüdische Wohnungsamt zur Untermiete bei Frau Fuchs in der Blumenstraße 90 eingewiesen. Das Haus existiert heute nicht mehr, es befand sich etwa an der Stelle der heutigen Singerstraße 1. Weitere Wohnungen, in denen die Familie Mannheim in den folgenden Jahren unterkam, befanden sich in der (heute ebenfalls nicht mehr existierenden) Wallnertheaterstraße 36 und in der Blumenstraße 2.<br />
Joseph Mannheim musste ab 1940 Zwangsarbeit leisten. Unter anderem wurde er in der Straßenreinigung und bei schweren Transportarbeiten eingesetzt und musste Lumpen sortieren. Auch seine Tochter Gisela wurde dienstverpflichtet, ihre Lehre als Kaufmannsgehilfin durfte sie aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung als „Mischling ersten Grades“ nicht abschließen. Ihre jüngere Schwester Rita wurde 1942 vom Besuch der Oberschule ausgeschlossen. Unterstützung erhielt die Familie von Erna Mannheims Verwandten, die regelmäßig Pakete schickten. Fast alle Verwandten Joseph Mannheims wurden deportiert und ermordet. Er selbst wurde zwar mehrfach verhaftet, blieb aber durch seine nichtjüdische Ehefrau von der Deportation verschont.<br />
Im Jahr 1942 wurde er zusammen mit seiner Frau und seinen Töchtern festgenommen. Im Sammellager in der Großen Hamburger Straße empörte sich seine Tochter Gisela lautstark, wie sie später berichtete. Sie behauptete gegenüber der Gestapo, sie seien „versippt“ bis in höchste Kreise und die Polizisten würden es noch schwer bereuen, eine „arische“ Familie zu deportieren. Die Familie wurde daraufhin tatsächlich wieder nach Hause gebracht, wo Unbekannte bereits das Siegel der Gestapo zerstört hatten, um in die Wohnung zu gelangen. <br />
Am 27. Februar 1943, als bei der später als „Fabrikaktion“ bezeichneten Großrazzia ein großer Teil der in Berlin verbliebenen jüdischen Bevölkerung verhaftet wurde, war Joseph Mannheim aufgrund einer schweren Erkrankung nicht bei der Arbeit. Doch wen die Gestapo bei der Razzia nicht in den Zwangsarbeitsbetrieben antraf, den holte sie von zu Hause oder von der Straße ab. Joseph Mannheim lag mit hohem Fieber im Bett, als er verhaftet wurde. Seine Tochter Gisela machte sich auf die Suche nach ihm. In der Leitstelle der Gestapo sagte man ihr, sie solle in der Rosenstraße nachfragen. Am frühen Morgen des folgenden Tages, einem kalten Wintersonntag, machte sich Gisela mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Verlobten auf den Weg. Als sie in der Rosenstraße eintrafen, hatte sich dort bereits eine größere Menschenmenge versammelt. Gisela erinnerte sich später, wie sie die Protestierenden, überwiegend Frauen, schon von Weitem rufen hörte: „Gebt uns unsere Männer raus! Gebt uns unsere Kinder raus!“ Etwa 2000 der im Zuge der „Fabrikaktion“ Verhafteten, die den Nürnberger Gesetzen zufolge als „arisch versippt“ galten, wurden in der Rosenstraße 2–4 festgehalten. Giselas Verlobter Arno, der seine Wehrmachtsuniform trug, brachte in Erfahrung, dass Joseph Mannheim sich tatsächlich in dem ehemaligen Gebäude der Jüdischen Gemeinde befand. Bis zum Abend harrten die Angehörigen der Verhafteten zusammen auf der Straße aus. Giselas Erinnerung zufolge hielten sich die anwesenden SS-Männer und Polizisten zurück und es gelang sogar, ein Paket mit Lebensmitteln, Decken und Kleidung für ihren Vater abzugeben. An den folgenden Tagen beteiligten sich Joseph Mannheims Frau und seine Tochter Rita weiter an den Protesten, während Gisela zur Arbeit gehen musste. Am 10. März 1943, einen Tag vor Giselas achtzehntem Geburtstag, wurde Joseph Mannheim als einer der letzten Inhaftierten der Rosenstraße entlassen. Er sah blass und elend aus, wollte aber mit seiner Tochter nicht über die Erlebnisse während seiner Haft sprechen. Ende August 1944 wurde er erneut festgenommen und für vier Wochen im Sammellager in der Schulstraße inhaftiert, aber auch dieses Mal konnte er wieder nach Hause zurückkehren. <br />
Als in den letzten Kriegstagen Ende April 1945 der Kampf um Berlin tobte, suchte Joseph Mannheim mit seiner Familie Schutz im großen Luftschutzbunker unter dem Alexanderplatz. Die SS durchsuchte den Bunker, um kurz vor Kriegsende auch noch die letzten Juden zu ermorden, denen es bisher gelungen war, sich in Berlin zu verstecken. Joseph Mannheim wurde von einem Bekannten verraten. SS-Männer der Ortsgruppe Alexanderplatz nahmen ihn mit, um ihn zu erschießen. Seine Frau und seine Töchter fanden ihn vor dem Eingang des Bunkers, schwer verletzt durch mehrere Schusswunden. In einem Handwagen brachten sie ihn ins Krankenhaus Friedrichshain. Auch eine Beinamputation konnte ihn nicht mehr retten. Am 13. Mai 1945, fünf Tage nach der Kapitulation, starb Joseph Mannheim im Alter von 55 Jahren an seinen Schussverletzungen. <br />

Joseph Mannheim wurde am 27. August 1889 in der Kleinstadt Schivelbein (heute: Świdwin / Polen) in Pommern als Sohn des jüdischen Getreidehändlers Abraham Mannheim und dessen Frau Aurelie (geb. Salinger) geboren. Nach dem Tod seines Vaters heiratete die Mutter erneut, der Nachname seines Stiefvaters lautete Neustadt.
1906 beendete Joseph Mannheim die Rudolf-Virchow-Oberrealschule in Schivelbein mit der mittleren Reife. Anschließend machte er eine Lehre als Handlungsgehilfe in der Getreidebranche in der etwa hundert Kilometer von seinem Heimatort entfernten Kleinstadt Bernstein (Pełczyce). Von 1912 bis 1914 absolvierte er seinen Militärdienst und war dann während des Ersten Weltkriegs Soldat. Nach Kriegsende wurde er Mitinhaber des Getreidehandels, den sein Vater gegründet hatte. Nach Auseinandersetzungen mit seinem Teilhaber Alfred Kronheim, der sein Schwager war, gründete Joseph Mannheim 1922 einen eigenen Betrieb. Neben Getreide, Sämereien und Kartoffeln verkaufte er auch Kohle sowie Futter- und Düngemittel. Als Prokuristin stellte er Erna Röpke ein, die er am 4. Dezember 1923 auf dem Standesamt Köslin heiratete. Ihre beiden Töchter kamen in Schivelbein zur Welt, Gisela am 11. März 1925 und Rita am 25. Oktober 1931.
Joseph Mannheims Frau Erna, die 1898 in Ristow im Kreis Schlawe (Rzyszczewo/Sławno) geboren worden war, war evangelisch und galt als „Arierin“. Inwiefern Religion innerhalb der Familie eine Rolle spielte, geht aus den Quellen nicht hervor. Als im Krieg ausgezeichneter Soldat war Joseph Mannheim Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten und seiner Tochter zufolge „deutschnational bis auf die Knochen“. Sein Getreidehandel, der zu den größten der Stadt zählte, lief während der 1920er-Jahre sehr gut und die Familie hatte dementsprechend einen hohen Lebensstandard. In ihrem großen Haus in der Bahnhofstraße waren ein Kindermädchen, eine Haushälterin und eine Reinigungshilfe beschäftigt.
Bereits vor Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft machte sich ein leichter Rückgang der Geschäftsgewinne bemerkbar, „durch die damals schon auf dem Lande einsetzende Judenhetze“, wie Joseph Mannheims Tochter Gisela später in ihrem Entschädigungsantrag schreibt. Nach dem von der nationalsozialistischen Führung ausgerufenen „Boykotttag“ am 1. April 1933 gingen die Umsätze des Betriebs dann schlagartig zurück. SA- und NSDAP-Mitglieder hielten sich in der Nähe des Geschäfts auf, um Kundschaft fernzuhalten, und zwangen Kunden, gekaufte Waren wieder abzuladen. Nachts wurden die Fenster eingeschlagen und die Fassade beschmiert. Joseph Mannheims Tochter Gisela musste in der Schule auf der „Judenbank“ sitzen, er selbst wurde im Herbst 1933 vor den Augen seiner Tochter auf dem Marktplatz von der SA zusammengeschlagen. Er wurde bewusstlos abtransportiert und in „Schutzhaft“ genommen. Sechs Wochen wurde er in den Polizeigefängnissen Schivelbein und Belgard festgehalten. Nach seiner Entlassung versuchte er unter größten Schwierigkeiten, das Geschäft weiterzuführen. Als er am 31. März 1936 seinen letzten Angestellten entlassen musste, hatten bereits fast alle jüdischen Geschäfte der Stadt wegen der antisemitischen Boykotte schließen müssen. Ab diesem Zeitpunkt hielt Joseph Mannheim sich und seine Familie mit der gelegentlichen Vermittlung von Landmaschinen über Wasser, für die ein Schwager als Generalvertreter tätig war. Außerdem nahm er ein Wandergewerbe auf und verkaufte Kaffee, Tee, Süßwaren, Zigarren und Textilien.
Wie viele andere Familien bemühten sich auch Mannheims um eine Auswanderung. Es gelang ihnen zwar, eine Farm in Brasilien zu kaufen, doch die beantragten Visa trafen nie ein. Während des Novemberpogroms 1938 wurde die Schivelbeiner Synagoge in Brand gesetzt und völlig zerstört, der jüdische Friedhof wurde geschändet. Am Morgen des 10. November standen zwei SA-Männer bei Familie Mannheim vor der Tür. Sie zeigten auf einen Gewehrlauf und sagten, sie hätten hier eine Kugel für den Juden Mannheim. Erna Mannheim antwortete geistesgegenwärtig: „Da hätten Sie aber früher aufstehen müssen! Der ist weg!“, woraufhin die Männer weiterzogen. Joseph Mannheim lief auf Schleichwegen zum Bahnhof und konnte sich retten.
Sein Vorhaben, nach Dänemark zu fliehen, scheiterte. Die Gestapo holte ihn aus dem Zug und laut polizeilicher Anweisung durfte er nicht mehr nach Schivelbein zurückkehren. Er ging daraufhin nach Berlin, wohin ihm seine Frau und seine Töchter im Januar 1939 folgten. Seine Firma wurde am 3. Dezember 1938 aus dem Handelsregister gelöscht. Anfangs kam Joseph Mannheim in einem möblierten Zimmer bei einer Frau Stein in der Schillstraße 15 unter. Eine Genehmigung, dort mit seiner Familie dauerhaft einzuziehen, wurde ihm verwehrt. Auch für eine 1-Zimmer-Wohnung in der Barbarossastraße, deren Bewohnerin emigrierte, bekamen Mannheims keine Wohngenehmigung. Schließlich wurden sie Ende Januar 1939 über das jüdische Wohnungsamt zur Untermiete bei Frau Fuchs in der Blumenstraße 90 eingewiesen. Das Haus existiert heute nicht mehr, es befand sich etwa an der Stelle der heutigen Singerstraße 1. Weitere Wohnungen, in denen die Familie Mannheim in den folgenden Jahren unterkam, befanden sich in der (heute ebenfalls nicht mehr existierenden) Wallnertheaterstraße 36 und in der Blumenstraße 2.
Joseph Mannheim musste ab 1940 Zwangsarbeit leisten. Unter anderem wurde er in der Straßenreinigung und bei schweren Transportarbeiten eingesetzt und musste Lumpen sortieren. Auch seine Tochter Gisela wurde dienstverpflichtet, ihre Lehre als Kaufmannsgehilfin durfte sie aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung als „Mischling ersten Grades“ nicht abschließen. Ihre jüngere Schwester Rita wurde 1942 vom Besuch der Oberschule ausgeschlossen. Unterstützung erhielt die Familie von Erna Mannheims Verwandten, die regelmäßig Pakete schickten. Fast alle Verwandten Joseph Mannheims wurden deportiert und ermordet. Er selbst wurde zwar mehrfach verhaftet, blieb aber durch seine nichtjüdische Ehefrau von der Deportation verschont.
Im Jahr 1942 wurde er zusammen mit seiner Frau und seinen Töchtern festgenommen. Im Sammellager in der Großen Hamburger Straße empörte sich seine Tochter Gisela lautstark, wie sie später berichtete. Sie behauptete gegenüber der Gestapo, sie seien „versippt“ bis in höchste Kreise und die Polizisten würden es noch schwer bereuen, eine „arische“ Familie zu deportieren. Die Familie wurde daraufhin tatsächlich wieder nach Hause gebracht, wo Unbekannte bereits das Siegel der Gestapo zerstört hatten, um in die Wohnung zu gelangen.
Am 27. Februar 1943, als bei der später als „Fabrikaktion“ bezeichneten Großrazzia ein großer Teil der in Berlin verbliebenen jüdischen Bevölkerung verhaftet wurde, war Joseph Mannheim aufgrund einer schweren Erkrankung nicht bei der Arbeit. Doch wen die Gestapo bei der Razzia nicht in den Zwangsarbeitsbetrieben antraf, den holte sie von zu Hause oder von der Straße ab. Joseph Mannheim lag mit hohem Fieber im Bett, als er verhaftet wurde. Seine Tochter Gisela machte sich auf die Suche nach ihm. In der Leitstelle der Gestapo sagte man ihr, sie solle in der Rosenstraße nachfragen. Am frühen Morgen des folgenden Tages, einem kalten Wintersonntag, machte sich Gisela mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Verlobten auf den Weg. Als sie in der Rosenstraße eintrafen, hatte sich dort bereits eine größere Menschenmenge versammelt. Gisela erinnerte sich später, wie sie die Protestierenden, überwiegend Frauen, schon von Weitem rufen hörte: „Gebt uns unsere Männer raus! Gebt uns unsere Kinder raus!“ Etwa 2000 der im Zuge der „Fabrikaktion“ Verhafteten, die den Nürnberger Gesetzen zufolge als „arisch versippt“ galten, wurden in der Rosenstraße 2–4 festgehalten. Giselas Verlobter Arno, der seine Wehrmachtsuniform trug, brachte in Erfahrung, dass Joseph Mannheim sich tatsächlich in dem ehemaligen Gebäude der Jüdischen Gemeinde befand. Bis zum Abend harrten die Angehörigen der Verhafteten zusammen auf der Straße aus. Giselas Erinnerung zufolge hielten sich die anwesenden SS-Männer und Polizisten zurück und es gelang sogar, ein Paket mit Lebensmitteln, Decken und Kleidung für ihren Vater abzugeben. An den folgenden Tagen beteiligten sich Joseph Mannheims Frau und seine Tochter Rita weiter an den Protesten, während Gisela zur Arbeit gehen musste. Am 10. März 1943, einen Tag vor Giselas achtzehntem Geburtstag, wurde Joseph Mannheim als einer der letzten Inhaftierten der Rosenstraße entlassen. Er sah blass und elend aus, wollte aber mit seiner Tochter nicht über die Erlebnisse während seiner Haft sprechen. Ende August 1944 wurde er erneut festgenommen und für vier Wochen im Sammellager in der Schulstraße inhaftiert, aber auch dieses Mal konnte er wieder nach Hause zurückkehren.
Als in den letzten Kriegstagen Ende April 1945 der Kampf um Berlin tobte, suchte Joseph Mannheim mit seiner Familie Schutz im großen Luftschutzbunker unter dem Alexanderplatz. Die SS durchsuchte den Bunker, um kurz vor Kriegsende auch noch die letzten Juden zu ermorden, denen es bisher gelungen war, sich in Berlin zu verstecken. Joseph Mannheim wurde von einem Bekannten verraten. SS-Männer der Ortsgruppe Alexanderplatz nahmen ihn mit, um ihn zu erschießen. Seine Frau und seine Töchter fanden ihn vor dem Eingang des Bunkers, schwer verletzt durch mehrere Schusswunden. In einem Handwagen brachten sie ihn ins Krankenhaus Friedrichshain. Auch eine Beinamputation konnte ihn nicht mehr retten. Am 13. Mai 1945, fünf Tage nach der Kapitulation, starb Joseph Mannheim im Alter von 55 Jahren an seinen Schussverletzungen.