Johanna Simonsohn née Levy

Location 
Templiner Straße 17
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
12 December 2007
Born
22 April 1869 in Tuchel (Westpreußen) / Tuchola
Deportation
on 12 August 1942 to Theresienstadt
Murdered
15 November 1944 in Theresienstadt

Johanna Levy wurde am 22. April 1869 im damals westpreußischen Tuchel (dem heutigen Tuchola in Polen) geboren. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend Johanna Levy haben sich keine Informationen erhalten. Ende des 19. Jahrhunderts heiratete sie den aus Krucz stammenden vier Jahre älteren Emil Simonsohn und lebte mit ihm in Dirschau (Tczew) unweit von Danzig (Gdańsk). Dirschau hatte sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden regionalen Industrie- und Verkehrszentrum entwickelt, vor allem auf Grund seiner günstigen Lage für den Handel. 1857 war hier Nordeuropas längste Brücke, die Weichselbrücke Dirschau, eingeweiht worden, 1888 entstand ein zweiter Weichselübergang für den Eisenbahnverkehr der Preußischen Ostbahn zwischen Berlin-Ostbahnhof bis Königsberg i. Pr. (Kaliningrad). In Dirschau gab es um die Jahrhundertwende eine recht kleine jüdische Gemeinde. Von den knapp 13.000 Einwohnern um 1900 zählten etwas mehr als 300 Personen zur jüdischen Bevölkerung der Stadt. Johannas Ehemann Emil arbeitete in Dirschau als Kaufmann und Rohproduktenhändler. Im Januar 1896 bekam das Ehepaar ihr erstes Kind, ihre Tochter Erna Simonsohn. Gut ein Jahr später folgte im April 1897 ihre Tochter Irmgard. Kurz nach der Jahrhundertwende muss die kleine Familie nach Danzig gezogen sein. Hier kam 1905 das dritte und letzte Kind von Johanna und Emil Simonsohn zur Welt, Gershon (auch Gerson) Georg Simonsohn. Es ist unklar, ob die Familie in der Zeit des Ersten Weltkriegs in Danzig oder Dirschau ansässig war, erst Mitte der 1920er-Jahre gibt es wieder eine verlässliche Angabe. In den Danziger Adressbüchern gibt es einen Eintrag zu Emil Simonsohn. Die Familienwohnung befand sich in dieser Zeit in der Gralathstraße 8 (heute Józefa Hoene-Wrońskiego) im bürgerlichen Danziger Vorort Langfuhr.<br />
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Ende der 1910er- oder Anfang der 1920er-Jahre heirateten Johannas Töchter und verließen Danzig, das nach dem Ende des Ersten Weltkrieg den Status eines autonomen Freistaats erhielt. Erna Merkin ging mit ihrem Ehemann nach Berlin, wo 1922 ihr Sohn Bernhard zur Welt kam. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes Arno im russischen Baku (heute Aserbaidschan) ließ sich Erna von ihrem Ehemann scheiden und kehrte nach Berlin zurück, wo sie als Hutmacherin arbeitete. Irmgard hatte mit ihrem Ehemann Hermann Fink 1921 in Brodnica (ehemals Strasburg i. Westpr.) ihr erstes Kind Arno zur Welt gebracht. Anschließend zogen auch sie in die Hauptstadt, wo ihre Tochter Edeltraut 1926 geboren wurde. Emils Sohn Gerson Georg Simonsohn heiratete Johanna Zöllner. In dem kleinen Grenzdorf Ließau (heute Lisewo Malborskie) an der östlichen Weichselseite von Dirschau (Tczew) südlich von Danzig kam 1931 ihr Sohn Rudi Raphael zur Welt, später ihre Tochter Margot. In Ließau hatten sich Ende der 1920er-Jahre oder Anfang der 1930er-Jahre auch Johanna und Emil Simonsohn niedergelassen. Sie kümmerten sich hier um ihren Enkel Arno Merkin, den Sohn ihrer Tochter Erna.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Simonsohn. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Johanna Simonsohn und ihr Ehemann mussten 1938 ihren Wohnort verlassen. Sie kamen in der 1½-Zimmer-Wohnung ihrer Tochter Erna in der Templiner Straße 17 im Prenzlauer Berg unter. In der beengten Wohnung musste ihre Tochter Anfang der 1940er-Jahre außerdem noch zwei jüdischen Untermieter aufnehmen. Erna Merkin hatte ab Mitte der 1930er-Jahre als Verkäuferin gearbeitet und schlug sich zuletzt – als jüdische Verfolgte bereits aus ihren Berufen gedrängt und zunehmend entrechtet waren – als Wirtschafterin in der Betreuung und der Haushaltsführung durch. Der bei seinen Großeltern aufgewachsene Arno Merkin konnte seine Ausbildung nicht beenden. Er war Ende der 1930er-Jahre in der Forstwirtschaft beschäftigt und bereitete sich in Hachschara-Lagern im brandenburgischen Kaisermühl und Beerfelde bei Fürstenwalde auf die Auswanderung nach Palästina vor. Im Januar 1940 kam Johannas Sohn Gershon Georg unter ungeklärten Umständen im besetzten Polen ums Leben.<br />
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Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verschärfte sich die ohnehin prekäre Situation der Familie in Berlin zusehends. Spätestens 1941 wurden Erna und Bernhard Merkin in Berlin zu Zwangsarbeit herangezogen: Erna in der Metallwarenfabrik „Vermata“ in der Michaelkirchstraße 15 in Kreuzberg, Bernhard zuletzt in einer Bautruppe der Deutschen Reichsbahn. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich die Familienmitglieder nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Im August 1942 erhielten die damals 73-jährige Johanna und ihr 76-jähriger Mann den Deportationsbescheid. Sie mussten sich im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26, dem ehemaligen Altenheim der Jüdischen Gemeinde, einfinden. Am 12. August 1942 wurden sie mit dem „42. Alterstransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Abgeschnitten von ihrer Familie wurden sie Opfer der katastrophalen Bedingungen in Theresienstadt, wo Razzien und Gewaltakte, Mangelversorgung und Kälte, so die zynische Kalkulation, zum Tod der Ghettobewohner führen sollten. Emil Simonsohn überlebte bis zum 3. April 1943, Johanna Simonsohn bis zum 15. November 1944.<br />
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Von ihren Familienangehörigen überlebte nur ihr Enkel Rudi Raphael und ihre Enkelin Margot sowie deren Mutter Johanna die NS-Verfolgung. Arno Merkin wurde im April 1942 in Beerfelde bei Fürstenwalde verhaftet und in das polnisch besetzte Gebiet deportiert, wo er vermutlich in einem der Vernichtungslager in Bełżec, Sobibór oder Treblinka ermordet wurde. Johannas Tochter Irmgard Fink war mit ihrem Ehemann und ihren damals 21 und 17 Jahre alten Kindern Arno und Edeltraut im Februar 1943 aus ihrer Friedrichshainer Wohnung in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Johannas Tochter Erna wurden zusammen mit ihren Enkel Bernhard im Zuge der „Fabrik-Aktion“, mit der die letzten offiziell in Berlin lebenden Juden deportiert werden sollten, im März 1943 verhaftet. Sie wurden getrennt voneinander – Erna am 3. März, Bernhard einen Tag später – nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Johanna Levy wurde am 22. April 1869 im damals westpreußischen Tuchel (dem heutigen Tuchola in Polen) geboren. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend Johanna Levy haben sich keine Informationen erhalten. Ende des 19. Jahrhunderts heiratete sie den aus Krucz stammenden vier Jahre älteren Emil Simonsohn und lebte mit ihm in Dirschau (Tczew) unweit von Danzig (Gdańsk). Dirschau hatte sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden regionalen Industrie- und Verkehrszentrum entwickelt, vor allem auf Grund seiner günstigen Lage für den Handel. 1857 war hier Nordeuropas längste Brücke, die Weichselbrücke Dirschau, eingeweiht worden, 1888 entstand ein zweiter Weichselübergang für den Eisenbahnverkehr der Preußischen Ostbahn zwischen Berlin-Ostbahnhof bis Königsberg i. Pr. (Kaliningrad). In Dirschau gab es um die Jahrhundertwende eine recht kleine jüdische Gemeinde. Von den knapp 13.000 Einwohnern um 1900 zählten etwas mehr als 300 Personen zur jüdischen Bevölkerung der Stadt. Johannas Ehemann Emil arbeitete in Dirschau als Kaufmann und Rohproduktenhändler. Im Januar 1896 bekam das Ehepaar ihr erstes Kind, ihre Tochter Erna Simonsohn. Gut ein Jahr später folgte im April 1897 ihre Tochter Irmgard. Kurz nach der Jahrhundertwende muss die kleine Familie nach Danzig gezogen sein. Hier kam 1905 das dritte und letzte Kind von Johanna und Emil Simonsohn zur Welt, Gershon (auch Gerson) Georg Simonsohn. Es ist unklar, ob die Familie in der Zeit des Ersten Weltkriegs in Danzig oder Dirschau ansässig war, erst Mitte der 1920er-Jahre gibt es wieder eine verlässliche Angabe. In den Danziger Adressbüchern gibt es einen Eintrag zu Emil Simonsohn. Die Familienwohnung befand sich in dieser Zeit in der Gralathstraße 8 (heute Józefa Hoene-Wrońskiego) im bürgerlichen Danziger Vorort Langfuhr.

Ende der 1910er- oder Anfang der 1920er-Jahre heirateten Johannas Töchter und verließen Danzig, das nach dem Ende des Ersten Weltkrieg den Status eines autonomen Freistaats erhielt. Erna Merkin ging mit ihrem Ehemann nach Berlin, wo 1922 ihr Sohn Bernhard zur Welt kam. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes Arno im russischen Baku (heute Aserbaidschan) ließ sich Erna von ihrem Ehemann scheiden und kehrte nach Berlin zurück, wo sie als Hutmacherin arbeitete. Irmgard hatte mit ihrem Ehemann Hermann Fink 1921 in Brodnica (ehemals Strasburg i. Westpr.) ihr erstes Kind Arno zur Welt gebracht. Anschließend zogen auch sie in die Hauptstadt, wo ihre Tochter Edeltraut 1926 geboren wurde. Emils Sohn Gerson Georg Simonsohn heiratete Johanna Zöllner. In dem kleinen Grenzdorf Ließau (heute Lisewo Malborskie) an der östlichen Weichselseite von Dirschau (Tczew) südlich von Danzig kam 1931 ihr Sohn Rudi Raphael zur Welt, später ihre Tochter Margot. In Ließau hatten sich Ende der 1920er-Jahre oder Anfang der 1930er-Jahre auch Johanna und Emil Simonsohn niedergelassen. Sie kümmerten sich hier um ihren Enkel Arno Merkin, den Sohn ihrer Tochter Erna.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Simonsohn. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Johanna Simonsohn und ihr Ehemann mussten 1938 ihren Wohnort verlassen. Sie kamen in der 1½-Zimmer-Wohnung ihrer Tochter Erna in der Templiner Straße 17 im Prenzlauer Berg unter. In der beengten Wohnung musste ihre Tochter Anfang der 1940er-Jahre außerdem noch zwei jüdischen Untermieter aufnehmen. Erna Merkin hatte ab Mitte der 1930er-Jahre als Verkäuferin gearbeitet und schlug sich zuletzt – als jüdische Verfolgte bereits aus ihren Berufen gedrängt und zunehmend entrechtet waren – als Wirtschafterin in der Betreuung und der Haushaltsführung durch. Der bei seinen Großeltern aufgewachsene Arno Merkin konnte seine Ausbildung nicht beenden. Er war Ende der 1930er-Jahre in der Forstwirtschaft beschäftigt und bereitete sich in Hachschara-Lagern im brandenburgischen Kaisermühl und Beerfelde bei Fürstenwalde auf die Auswanderung nach Palästina vor. Im Januar 1940 kam Johannas Sohn Gershon Georg unter ungeklärten Umständen im besetzten Polen ums Leben.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verschärfte sich die ohnehin prekäre Situation der Familie in Berlin zusehends. Spätestens 1941 wurden Erna und Bernhard Merkin in Berlin zu Zwangsarbeit herangezogen: Erna in der Metallwarenfabrik „Vermata“ in der Michaelkirchstraße 15 in Kreuzberg, Bernhard zuletzt in einer Bautruppe der Deutschen Reichsbahn. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich die Familienmitglieder nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Im August 1942 erhielten die damals 73-jährige Johanna und ihr 76-jähriger Mann den Deportationsbescheid. Sie mussten sich im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26, dem ehemaligen Altenheim der Jüdischen Gemeinde, einfinden. Am 12. August 1942 wurden sie mit dem „42. Alterstransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Abgeschnitten von ihrer Familie wurden sie Opfer der katastrophalen Bedingungen in Theresienstadt, wo Razzien und Gewaltakte, Mangelversorgung und Kälte, so die zynische Kalkulation, zum Tod der Ghettobewohner führen sollten. Emil Simonsohn überlebte bis zum 3. April 1943, Johanna Simonsohn bis zum 15. November 1944.

Von ihren Familienangehörigen überlebte nur ihr Enkel Rudi Raphael und ihre Enkelin Margot sowie deren Mutter Johanna die NS-Verfolgung. Arno Merkin wurde im April 1942 in Beerfelde bei Fürstenwalde verhaftet und in das polnisch besetzte Gebiet deportiert, wo er vermutlich in einem der Vernichtungslager in Bełżec, Sobibór oder Treblinka ermordet wurde. Johannas Tochter Irmgard Fink war mit ihrem Ehemann und ihren damals 21 und 17 Jahre alten Kindern Arno und Edeltraut im Februar 1943 aus ihrer Friedrichshainer Wohnung in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Johannas Tochter Erna wurden zusammen mit ihren Enkel Bernhard im Zuge der „Fabrik-Aktion“, mit der die letzten offiziell in Berlin lebenden Juden deportiert werden sollten, im März 1943 verhaftet. Sie wurden getrennt voneinander – Erna am 3. März, Bernhard einen Tag später – nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.