Auguste Kadisch née Grossmann

Location 
Thomasiusstraße 3
District
Moabit
Stone was laid
08 August 2014
Born
26 January 1892 in Kopnitz (Posen) / Kopanica
Occupation
Krankenhausangestellte
Deportation
on 12 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Auguste Großmann wurde am 26. Januar 1892 in Kopnitz (dem heutigen Kopanica in Polen) geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Jakob Großmann (1850–1903), der aus der Ortschaft Bomst (Babimost), rund 170 km südöstlich von Berlin, stammte. 1888 hatte er Augustes Mutter, die in Deutsch Wartenberg (Otyń) geborene Cäcilie Beßer (1858–1922), geheiratet. Nach der Eheschließung nahm sich das Ehepaar eine Wohnung in Kopnitz, wo Jakob in den 1880er-Jahren als Kaufmann tätig war. In den 1890er-Jahren zogen die Großmanns mit ihrer Tochter nach Unruhstadt (Kargowa), wo 1897, 1899 und 1902 Augustes jüngere Schwestern Ella, Rosa und Käthe zur Welt kamen. Rosa Großmann starb noch im Säuglingsalter, wenige Monate nach ihrer Geburt. Über die Kindheit und Jugend von Auguste Großmann und ihren Schwestern in Unruhstadt haben sich keine weiteren Quellen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Ortschaft.

Nach ihrem Schulabschluss absolvierte Auguste Großmann eine Ausbildung zur Buchhalterin und war als solche in den 1910er-Jahren in Berlin tätig, wo sie in der Großen Frankfurter Straße 141 (der heutigen Karl-Marx-Allee) lebte. Am 25. April 1917 heiratete die damals 25-Jährige den 1878 in Berlin geborenen Kaufmann Berthold Kadisch. Die Familien der beiden Eheleute waren bereits zuvor miteinander bekannt gewesen und eng verbunden: So war der Vater des Bräutigams, Philipp Kadisch, Trauzeuge der Hochzeit von Augustes Eltern 1888 in Kopnitz gewesen. Zwischen den Müttern Johanna Kadisch und Cäcilie Großmann, beide geborene Beßer und in Deutsch Wartenberg geboren, bestand vermutlich ein verwandtschaftliches Verhältnis – wahrscheinlich handelte es sich um Schwestern. Nach der Hochzeit nahmen sich Auguste und Berthold Kadisch eine Wohnung in der Rathenower Straße 29 in Moabit. An dieser Adresse betrieben sie zwischen 1925 und 1934 auch eine Textilhandlung für Weiß- und Wollwaren, mit der sie den Unterhalt für sich und ihren Sohn Horst Joachim bestritten, der am 25. Oktober 1920 zur Welt kam. Leider haben sich keine weiteren Quellen zum Leben der Familie Kadisch im Berlin der Weimarer Republik erhalten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Auguste Kadisch und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 war das Ehepaar Kadisch auch als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren.

1934 zogen die Eheleute Kadisch mit ihrem Sohn in eine Wohnung in der Thomasiusstraße 3 in Moabit. Der Eigentümer des Wohnhauses war seit Anfang der 1920er-Jahre Bertholds Bruder Siegfried Kadisch, der zusammen mit seiner Ehefrau Lina mehrere Modehäuser in Berlin geführt hatte und bis zum seinem Tod 1938 noch ein Herrenausstattungsgeschäft in der Turmstraße 43 besaß. Mitte der 1930er-Jahre spitzte sich die Situation in Berlin zu. Gesetze und Sondererlasse drängten Auguste Kadisch und ihre Familienangehörigen zunehmend in die Position von Rechtlosen. Am 4. August 1938 nahm sich Augustes Schwager Siegfried in Berlin das Leben. Im Sommer 1939 wurde gegen Berthold Kadisch eine kleinere Geldstrafe verhängt, die er nicht bezahlte. Daraufhin wurde er zu einer 14-tägigen Haftstrafe verurteilt und kam zur Vollstreckung im August 1939 in das Strafgefängnis Spandau, wurde von dort aber nach kurzer Zeit in das Haftkrankenhaus Moabit verlegt. Über die konkreten Haftbedingungen haben sich keine Informationen erhalten, aber wenige Wochen nach seiner Entlassung Anfang September 1939 nahm sich Augustes Ehemann im Alter von 60 Jahren das Leben. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee bestattet.

Auguste Kadisch lebte bis 1943 in Berlin: Zuletzt war die Witwe als Hausangestellte beim Jüdischen Krankenhauses in der Iranischen Straße 2 beschäftigt und bewohnte in der Thomasiusstraße 3 ein einzelnes Zimmer mit Gemeinschaftsküche. Im Frühjahr 1943 wurde sie im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, in Berlin verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verschleppt. Von dort wurde die 51-Jährige am 12. März 1943 mit dem „36. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet. Bereits zuvor war Augustes Sohn von seinem letzten Wohnsitz im brandenburgischen Klosterheide deportiert worden. Er wurde mit dem „13. Osttransport“ am 14. April 1942 über Potsdam in das Ghetto Warschau deportiert und entweder dort oder in einem der Vernichtungslager ermordet. In jedem Fall gehörte er nicht zu den wenigen Überlebenden des Warschauer Ghettos.

Augustes Schwester Ella wurde zusammen mit ihrem Ehemann Reinhold Heymann, mit dem sie zuletzt in der Badstraße 17 im Wedding gelebt hatte, am 12. März 1943 aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihre Schwester Käthe war mit ihrem 1931 geborenen Sohn Herbert am 5. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden, nachdem ihr Ehemann Max Lachmann (*1892) am 28. Mai 1942 – im Rahmen der „Vergeltungsaktion“ nach dem Brandanschlag auf die Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies“ im Berliner Lustgarten – im Konzentrationslager Sachsenhausen erschossen worden war. Käthe und ihr Sohn Herbert überlebten Theresienstadt; Käthe heiratete 1946 in zweiter Ehe Adolf Grünbaum in Frankfurt am Main; Herbert Lachmann wanderte in die USA aus.